Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Sind wir alle meschugge?
15.04.2008 (GE 7/2008, 417) Gerät da etwas gründlich aus den Fugen, und die Leute – die wichtigen zumal – merken es gar nicht? Die Finanzmärkte drohen zu kollabieren, die Einzelhandelsumsätze lahmen, große Grundstücksgeschäfte stocken, die Heizölpreise steigen in zwölf Monaten um ein Drittel, die Inflationsrate beträgt inzwischen 2,8 % und die Gewerkschaften – war da was? – lassen streiken, dass den Händlern die Trillerpfeifen ausgehen.

Sind wir alle meschugge?

Die SPD betreibt derart exhibitionistische Nabelschau – erst links, dann etwas mittig, dann doch wieder mehr nach links –, dass der Oskar L. und der Gregor G. vor Freude dicke Backen kriegen. Und die selbsternannte Manager-Elite, also die Vorstände, die CEOs, die Aufsichtsräte, sitzen unterdes bei ihren Steuerberatern und Anwälten, um das Liechtenstein-Syndrom abzuarbeiten.
Die, die nicht (mehr) arbeiten, erhalten mehr und länger Geld (Rentner, Arbeitslose), während denen, die noch schaffen (müssen), die Abzüge erhöht werden (Pflegeversicherung). Die nächste BVG- und Bahnpreis-Steigerung steht ins Haus, während die Privatisierung der alten Bundesbahn nicht vor der Vollendung, sondern vor der Verendung steht – nur keine Experimente mehr vor den nächsten Wahlen. Es werden Reformen verkauft, die keine sind, und die SPD hält sich an Adenauers bewährte Devise: Was schert mich mein Geschwätz von gestern, wenn es um Vorwahl-Versprechen geht. Das Volk, auch „Souverän“ genannt, trägt seinen Teil zum Durcheinander der Verhältnisse fleißig bei, indem die Wahlbeteiligung sinkt, klare Mehrheiten verfehlt werden und linke Realitätsverweigerer Zulauf erhalten. Wer die Fixierung von Mindestlöhnen, die Erhöhung der Sozialleistungen, die Abschaffung von Studiengebühren, die Einführung der Pflegezeit (analog zur Elternzeit) fordert, ist auf der sicheren Seite – und kann auf „die Wirtschaft“ verweisen, die ja die Aufwärtsentwicklung der Inflationsrate zu verantworten habe, dank derer alle sozialen Wohltaten wieder aufgefressen werden.
Sind wir denn alle miteinander meschugge? Sehen wir nicht, dass jede „Arbeitskampf“ genannte Erpressung der Allgemeinheit zu Lasten aller geht, dass die Geldgier der Spitzenverdiener moralisch fragwürdig und politisch dümmer als dumm ist, dass schließlich das allgemeine Geschimpfe auf die Politik nicht die Teilnahme an den Wahlen und den Gebrauch des eigenen Verstandes beim Kreuzchen-Machen ersetzen kann?
Apropos Geldgier der Spitzenleute – die ist für sich allein schon fragwürdig genug und hat die schwerste Krise des globalen Finanzsystems seit dem Ende des 2. Weltkrieges ausgelöst. Wenn sie aber einhergeht mit Machtkämpfen, Korruption und Missmanagement bei deutschen Vorzeigekonzernen und mit Zockereien bei bislang renommierten Banken, wie sie beim Pokern, beim Roulette und beim Monopoly üblich sein mögen, dann … ja dann hilft doch nur noch der sonntägliche Kirchgang – jedenfalls solange es noch Kirchen gibt.
Wohlstand für alle kommt nicht von alleine. Um „Die Glocke“ zu schaffen, musste auch Schiller sehr lange arbeiten und eine Menge Schweiß vergießen. Die Kurzfassung dieses Vorgangs funktioniert gottlob nicht – zur Freude der Lehrer, zum Leidwesen der Schüler und zur Befriedigung derer, denen das „Fordern“ und das „Leisten“ Anliegen sind:

Loch in Erde,
Bronze rin,
Glocke fertig,
bim bim bim.
Autor: Dietmar Otremba