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Die Kleinen hängt man ...
27.03.2008 (GE 6/2008, 350) Ein Strafurteil muss sich, was nicht allgemein bekannt ist, nicht darauf beschränken, die Handlung des jeweiligen Angeklagten angemessen zu würdigen. Es darf auch zur Abschreckung von potentiellen Nachahmungstätern genutzt werden, also ein Exempel statuieren.

Die Kleinen hängt man ...

An Dr. Arnold Guski, dem früheren Finanzvorstand der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR), hat das Landgericht Berlin ein Exempel statuiert. Anfang März verurteilte das Landgericht Guski wegen Betruges zu zweieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre gefordert. Der promovierte Volkswirt Guski hatte seit Dezember 1995 bei den BSR zunächst als Finanzvorstand und seit Ende 1997 zusätzlich als Vorstand für den Bereich Reinigung gearbeitet. Unter Guskis Vorstandsverantwortung wurden für mindestens zwei Kalkulationsperioden (vier Jahre) Teile der Straßenreinigungskosten bei der Tarifkalkulation doppelt angesetzt, indem Kostenanteile, die das Land Berlin alleine zu tragen hatte, zusätzlich auch noch in die Tarife für die normalen Straßenanlieger eingerechnet wurden. Pro Kalkulationsperiode waren das 26 Millionen Euro, zusammen also 52, die sich mit dem Aufwand für die Rückzahlung und Verzinsung auf rund 60 Millionen Euro summierten. Intern – also bei der Senatswirtschaftsverwaltung wie auch bei den BSR – hätte man das alles schon früher wissen können, denn bereits ein für die Senatswirtschaftsverwaltung 1998 erstelltes Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hatte, wenn ich mich richtig erinnere – wenn auch nur in einer sehr kurzen und kryptischen Äußerung – empfohlen, diesem Bereich etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wie auch immer: Das Berliner Landgericht kam durch Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass Guski jedenfalls für die Kalkulationsperiode 2001/2002 von dem Kalkulationsfehler gewusst und ihn bewusst weitergeschleppt hatte. Das stufte das Gericht als Betrug ein. Strafverschärfend bewerteten die Richter, dass Guski einen Imageverlust für die BSR und die öffentliche Verwaltung zu verantworten habe. Nur durch Zufall sei der Betrug ans Tageslicht gekommen, hieß es in der Urteilsbegründung – was schlicht nicht stimmt. Aufgedeckt wurde das alles nicht zufällig, sondern weil Haus & Grund Berlin Anfang 2000 unter Berufung auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz Einsicht in die Kalkulationsgrundlagen der BSR für die Perioden 1999/2000 und 2001/2002 verlangt hatte – also genau die vom Kalkulationsfehler betroffenen Zeitabschnitte – und die aufsichtsführende Berliner Wirtschaftsverwaltung deshalb einen Monat später eine Nachkalkulation in Auftrag gegeben hatte, die dann alles ans Licht brachte (vgl. auch die ausführliche Darstellung in GE 2007 [20] 1340). Noch in seinem Schlusswort bestritt Guski alle Vorwürfe und behauptete, er sei sofort eingeschritten, als er im August 2002 über die fehlerhafte Kalkulation informiert worden sei. Das Gericht hatte aber aufgrund von Zeugenaussagen die Gewissheit erlangt, dass Guski sehr viel früher über die zunächst versehentlich entstandene Fehlkalkulation Bescheid wusste, den Fehler aber fortbestehen ließ, um keine Unruhe zu erzeugen (Guskis Vertragsverlängerung fiel in diesen Zeitabschnitt). Der jetzt 64-Jährige ist seit Aufdeckung des Falls arbeitslos, die BSR verlangt 3,5 Millionen Euro Schadenersatz von ihm, die er wohl nie zahlen kann, schon gar nicht, wenn er die Strafe absitzen muss. Darüber wird in der Revision der Bundesgerichtshof zu urteilen haben. Schaut man sich an, was andere auf dem Kerbholz haben, die unsere Gerichtssäle am Ende strahlend und in Siegerpose verlassen, muss Arnold Guski – wenn das Urteil rechtskräftig wird – ein Übermaß an Strafe schultern. Mitgefühl für einen Kleinen, den man da hängt (und für den ich mir trotz allem einen nicht kleinen Rest persönliche Sympathie bewahrt habe), beschleicht mich schon.
Autor: Dieter Blümmel