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Oberfaul
03.02.2008 (GE 2/2008, 65) In den „Sprachnachrichten“, der Zeitschrift zur Verteidigung der deutschen Sprache gegen geistlose Anglifizierung, las ich kürzlich den Artikel: „Beraten und verkauft.“

Oberfaul

Es ging dort um die Verdummung derer, die bei Beratungsfirmen Gutachten bestellen und statt lesbarer Expertisen Texte erhalten, die eine klare Aussage durch Verschleierung und Verwässerung jedes Gedankengangs und durch Verwendung „denglischen“ Jargons zu vermeiden suchen („Entlastung von Aufgaben“ = Stellenstreichung, „suboptimal“ = schlecht, „key-concept“ = guter Gedanke usw.).
Nicht nur die Beraterbranche entfaltet auf diese Weise unheilvolle und kostspielige Wirkungen. Nach Lichtenberg ist es ja keine Kunst, etwas zu sagen, wenn man etwas zu sagen hat. Da es im Umkehrschluß schwierig ist, etwas zu sagen, wenn man die Dinge nicht beim rechten Namen nennen will, behilft man sich mit Umschreibungen, mit Euphemismen – am besten mit englischen. So wie die Sekte der „Investment-Banker“, die es geschafft hat, in den letzten Jahren nicht nur die Begriffe, sondern auch die Inhalte der Investitionsanlagen bestimmter Provenienz so zu vernebeln, daß selbst die Anlage-Entscheidungsgremien großer Banken nicht mehr wußten, welche Ramschanleihen sie in ihre Bestände nahmen oder verbürgten. Daß man seither den Euphemismus „subprime“ mit „oberfaul“ übersetzen muß, daß „structured investment vehicles“ Bruchladungen zum Zwecke der Bruchlandung sind, und daß die unseligen „conduits“ (wörtlich: Wasserrohre), die der IKB und der Sachsen-LB zum Verhängnis wurden, inzwischen als Abflußleitungen zur Entsorgung von Ramschpapieren identifiziert worden sind, hilft leider gar nicht mehr – weil zu spät erkannt.
Wer in der Immobilienbranche tätig ist, hat freilich keinen Anlaß zur (sprachlichen) Selbstzufriedenheit. Im Gegenteil. So las ich kürzlich die Einladung eines Seminar-Veranstalters, der mir 1 ½ Tage = 12 Stunden lang die Unterschiede zwischen „facility“-, „property“- und „asset“-management nä¬her¬bringen wollte. Dabei zeugt die Verwendung dieser Begriffe im deutschen Sprachbereich weniger von globaler Problemdurchdringung als von verbaler Selbstgenügsamkeit: Die deutschen Entsprechungen sind präziser, differenzierter, verständlicher. „Facility“ z. B. kommt von facile = leicht, mühelos. Facility ist daher Leichtigkeit, Mühelosigkeit – und nur in seiner Zusatzbedeutung auch „Einrichtungen, Anlagen“. Gemeint ist demzufolge die Gebäudeverwaltung im allgemeinen wie auch die Betreuung technischer Vorrichtungen, die Vermietung und Verwaltung von Läden, Ladenzeilen und Parkplätzen.
Sprechen unsere „Denglisch“-Fetischisten dagegen von „property-management“, so verwenden sie wiederum ein unbestimmtes Wort (Besitz, Eigentum, Vermögen), das natürlich auch Ländereien, Grundvermögen umfaßt, heute aber vorwiegend als Grundbesitz-Verwaltung gedeutet wird.
Ein „asset“ schließlich bedeutet „Gut“, „Vorteil“, auch das „Plus“ (der Vermögensmehrung), das schon Friedrich Wilhelm I. immer zu machen wünschte. Erst in zweiter Linie ist „asset“ auch Vermögen, Anlagevermögen und als „working asset“ auch Betriebskapital. Und wieder sieht man: „asset“ ist sehr unbestimmt, „asset“ ist alles und nichts.
Wer immer nur mit der Verwendung sprachlicher Nebelkerzen – englisch, denglisch oder deutsch – Eindruck zu schinden sucht, dem sei die schöne Erkenntnis des Cicero ins Gedächtnis gerufen: „Wie der Mensch, so seine Rede.“
Autor: Dietmar Otremba