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In Memoriam
Berliner Kammergericht verliert einen großartigen Richter
03.02.2008 (GE 2/2008, 72) Dr. Heinz-Dietrich Müller, langjähriger Vorsitzender des für das Wohnungsmietrecht zuständigen 8. Senats beim Kammergericht, ist tot. Müller starb kurz vor Weihnachten. Er wurde 89 Jahre alt.

In Memoriam

Mit ihm verliert Berlin eine große Richterpersönlichkeit und der Grundeigentum-Verlag einen langjährig für uns tätigen Autor. Bis zuletzt war Müller, der zeitlebens eine für Juristen außergewöhnliche Liebe zur Mathematik und zur deutschen Sprache pflegte, geistig rege und fit. Keines der großen Bildungsrätsel in seiner täglichen Lektüre – dem Berliner Tagesspiegel – ließ er aus, und immer war er bei den Gewinnern. Pünktlich zu Ostern, Weihnachten und zum Geburtstag fand ich einen Brief von ihm in seiner kleinen, gradlinigen und gut lesbaren Handschrift in der Post, und immer wählte er die Größe des Briefbogens nach dem Umfang seiner Mitteilungen und Nachrichten aus: War es viel, wählte er DIN A4, war es weniger, beschnitt er den Borgen per Schere auf die Hälfte. Ein Verschwender war der gebürtige Königsberger nicht, seiner Geburtsstadt, ihrer Geschichte, ihrem Schicksal und den Schriften ihres größten Sohnes, Immanuel Kant, blieb er zeitlebens verbunden, und wir haben manche Zeile dazu gewechselt. In seine aktive Zeit als Senatspräsident beim Kammergericht fiel die Einführung des Instruments der Mietrechtsentscheide, und nicht jeder der vom 8. Senat unter Müller erlassenen löste bei mir pure Freude aus, was uns nicht daran hinderte, gemeinsam die Sammlung „Rechtsentscheide im Mietrecht“ herauszugeben, die Richtern und Anwälten langjährig als Nachschlagewerk diente. So mancher Beitrag auch für diese Zeitschrift stammte aus Müllers Feder, und ich kann mich nicht erinnern, in seinen teils handgeschriebenen, teils auf einer Uraltschreibmaschine selbst getippten Manuskripten jemals einen Schreibfehler oder ein Fehlzitat gefunden zu haben (seine Beisitzer im 8. Senat hat er so nicht selten mit seinen peniblen Korrekturen an ihren Voten auch schon mal zur Weißglut getrieben). Auch nach seiner Pensionierung blieb Müller dem Verlag, aber auch mir selbst immer verbunden. Nie vergaß er, sich nach den Mitarbeitern zu erkundigen und wie die Geschäfte liefen. Bis zuletzt war er Gast unseres jährlichen Arbeitsessens Ende Januar, und nie werde ich vergessen, daß er einmal bei einem solchen Essen, das erst lange nach Mitternacht geendet hatte, als keine U- und S-Bahn mehr fuhr (Müller nutzte stets nur die öffentlichen Verkehrsmittel), bei Schnee und Eis zu Fuß vom Hotel Esplanade am Lützow¬ufer zu seiner Wohnung nach Nikolassee gestiefelt ist, weil er den Betrag fürs Taxi nicht ausgeben wollte. Und er war schon über siebzig damals. Außergewöhnlich war an ihm, der seinen Zwillingsbruder Jochen durch den Krieg verloren hatte, auch seine gelebte Verbundenheit mit seiner weitverzweigten und über ganz Europa und die USA verstreuten Familie. Dort, aber auch bei uns, die wir ihn kennen und mit ihm arbeiten durften, bleibt er als eine große Persönlichkeit in Erinnerung.
Autor: Dieter Blümmel