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Steuerliche Planung der Vermögensnachfolge
Einkommensteuerliche Folgen bei Erbfällen und Erbauseinandersetzungen
20.11.2000 (GE 20/2000, 1390) Wer bei der steuerlichen Planung der Vermögensnachfolge nur an die Erbschaftsteuern denkt, springt zu kurz. Denn auch die Folgen für die Einkommensteuer sind zum Teil beachtlich.
1. Vorbemerkung
Im Blickfeld der steuerlichen Planung der Vermögensnachfolge stehen in der Regel die Aspekte des Erbschaftsteuerrechtes. Eine isolierte Betrachtung nur dieser Steuerart übersieht, daß Erbfall und Erbauseinandersetzung auch erhebliche einkommensteuerliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Es soll im folgenden davon ausgegangen werden, daß der Nachlaß ausschließlich aus Privatvermögen und insbesondere aus Grundvermögen besteht.

2. Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge
Im deutschen Erbschaftsrecht gilt als Grundsatz die sogenannte Gesamtrechtsnachfolge, d. h. mit dem Erbfall geht das Vermögen des Erblassers als Ganzes auf eine oder mehrere Personen über. Für die Einkommensteuerveranlagung bedeutet dies, daß die Einkommensteuerpflicht des Erblassers mit seinem Tod endet und der oder die Erben als Gesamtrechtsnachfolger auch einkommensteuerrechtlich in die Rechtsstellung des Erblassers eintreten. Führt der Erbe oder die Erbengemeinschaft die private Grundvermögensverwaltung des Erblassers fort, so erzielt er oder erzielen sie daraus grundsätzlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die für ein Veranlagungsjahr festzustellenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind deshalb im Todesjahr auf den Erblasser und den Erben bzw. die Erbengemeinschaft aufzuteilen.

3. Durch den Erblasser entstandene Verluste
Durch den Erblasser entstandene Verluste aus Vermietung und Verpachtung sind zunächst mit eventuellen positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten desselben Veranlagungsjahres und im Wege des Verlustrücktrages auf seiten des Erblassers auszugleichen. Noch nicht ausgeglichene Verluste können dann auf seiten des Erben bzw. der Erbengemeinschaft (nach dem Verhältnis der Erbteile) ausgeglichen werden. Sowohl auf seiten des Erblassers als auch auf seiten des Erben bzw. der Erbengemeinschaft sind die Vorschriften des beschränkten Verlustausgleiches gem. § 2 Abs. 3 EStG und des begrenzten Verlustabzuges gem. § 10 d EStG zu berücksichtigen. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 5. Mai 1999 - IX R 1/97, BStBl. II 1999, S. 653 ff. - die Möglichkeit des Abzugs von in der Person des Erblassers entstandenen Verlusten auf seiten der Erben aber nur dann zugelassen, wenn diese durch die Verluste auch wirtschaftlich belastet sind.

4. Alleinerbe
Im Falle der Einsetzung eines Alleinerben liegt auf dessen Seite in vollem Umfang ein unentgeltlicher Erwerb unmittelbar vom Erblasser vor. Dies gilt auch, wenn durch den Erben Nachlaßverbindlichkeiten beglichen werden müssen.
Der Alleinerbe von Grundvermögen ist deshalb gem. § 11 d Abs. 1 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) an die Buch- und Steuerwerte des Erblassers gebunden und übernimmt die Abschreibungsreihe des Erblassers. Das bedeutet, daß er an die Bemessungsgrundlage, den Abschreibungssatz und an das Abschreibungsvolumen des Erblassers gebunden ist.

Beispiel 1: Einkommensteuerliche Behandlung des Alleinerben
Der Vater V überträgt seinem Sohn S ein Mietwohngebäude. Das Mietwohngebäude soll vor 20 Jahren fertiggestellt worden sein. Die historischen Anschaffungskosten des Gebäudes betragen 400.000 DM, die des Grund und Bodens 100.000 DM. Von V wurde in den vergangenen 20 Jahren das Gebäude mit jährlich 2 % der Bemessungsgrundlage (400.000 DM) abgeschrieben. Nachträgliche Herstellungskosten sollen im Laufe der 20 Jahre nicht angefallen sein. Zum Zeitpunkt der Übertragung sind damit bereits 160.000 DM abgeschrieben. S kann die nächsten 30 Jahre weiterhin auch nur jeweils 2 % der Bemessungsgrundlage des Erblassers (400.000 DM), also jährlich nur 8.000 DM absetzen.

Auch im Hinblick auf die Frage der Steuerpflichtigkeit von Grundstücksveräußerungsvorgängen gem. § 23 EStG tritt der Alleinerbe in die Rechtsnachfolge des Erblassers. Veräußert er das übertragene Grundstück, ist für die Frage der Veräußerungsfrist der Zeitpunkt der Anschaffung durch den Erblasser als Anschaffungszeitpunkt maßgeblich. Dies gilt auch, wenn durch den Erben Erblasser- (vom Erblasser eingegangene Verbindlichkeiten) oder Erbfallschulden (Begleichung von Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen u. a.) beglichen werden müssen.

5. Erbengemeinschaft und Erbauseinandersetzung
5.1 Erbengemeinschaft
Im Gegensatz zum Alleinerben wird der einzelne Erbe (Miterbe) bei einer Erbengemeinschaft nicht unmittelbar Eigentümer von zum Nachlaß gehörenden Vermögensgegenständen. Die Erbengemeinschaft besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit. Deshalb werden die Einkünfte aus der Erbengemeinschaft im Ertragsteuerrecht auf die Miterben aufgeteilt. Da bei einer Erbengemeinschaft mehrere Personen an einer Einkunftsquelle beteiligt sind, werden die Einkünfte aus dieser Quelle grundsätzlich gesondert und einheitlich gem. § 180 Abs. 1 Nr. 1 a i. V. m. § 179 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) für alle Miterben festgestellt und entsprechend der Quote der einzelnen Miterben am Nachlaß aufgeteilt.

5.2. Erbauseinandersetzung
Die Erbauseinandersetzung beendet die Einkünfteerzielung der Erbengemeinschaft und damit die Zurechnung der laufenden Einkünfte an die Miterben.
Erfolgt die Erbauseinandersetzung im Rahmen der sogenannten Realteilung ohne Ausgleichszahlung ist sie ein unentgeltlicher Vorgang. Wie bereits erwähnt, bedeutet dies, daß der jeweilige Erbe genauso wie im Fall des Alleinerben die Abschreibungsreihe des Erblassers übernimmt. Auch im Hinblick auf die Steuerpflichtigkeit eines eventuellen Veräußerungsvorgangs erfolgt eine analoge Behandlung zum Alleinerben. Anschaffungszeitpunkt für die Berechnung der Veräußerungsfrist gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG bleibt damit der Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung durch den Erblasser.
Ein (teil-) entgeltlicher Vorgang liegt demgegenüber dann vor, wenn ein Miterbe an einen anderen Miterben eine Abfindung leistet, weil der Wert des ihm zugeteilten Vermögensgegenstandes größer ist als seine Erbquote (Realteilung mit Ausgleichszahlung). Keine Abfindung ist die Erfüllung eines Vermächtnisses oder die Begleichung von Pflichtteilsansprüchen. Liegt ein entgeltlicher Vorgang vor, führt dies auf seiten des leistenden Erben zu Anschaffungskosten und auf seiten des Abgefundenen zu Veräußerungserlösen.
Wird ein Vermögensgegenstand gegen Abfindungszahlung erworben, und liegt damit ein entgeltlicher Vorgang vor, bedeutet dies nicht, daß der gesamte Vermögensgegenstand entgeltlich erworben wird. Denn die Abfindungszahlung wird für den Anteil des leistenden Erben an dem Vermögensgegenstand gezahlt, der dadurch seinen wertmäßigen Anteil am gesamten Nachlaß übersteigt. Der entgeltliche und unentgeltliche Teil des Erwerbes berechnet sich nach dem Verkehrswert des Vermögensgegenstandes.

Beispiel 2: Einkommensteuerliche Behandlung eines (teil-) ent-geltlichen Vorganges im Falle einer Erbauseinandersetzung
Der Vater V vererbt sein Vermögen zu gleichen Teilen an seinen Sohn S und seine Tochter T. Der Nachlaß besteht aus einem bebauten Grundstück analog dem im Beispiel 1 (Verkehrswert 1.400.000 DM, davon für Grund und Boden 420.000 DM) und Kapitalvermögen (700.000 DM). S erhält das bebaute Grundstück und zahlt eine Abfindung von 350.000 DM an T, die ferner aus dem Nachlaß das Kapitalvermögen erhält.
Nach der Erbquote würde S die Hälfte des gesamten Nachlasses zustehen, also 1.050.000 DM (1/2 von 2.100.000 DM). Die Abfindung zahlt S für denjenigen wertmäßigen Teil des erhaltenen Vermögens, der die 1.050.000 DM übersteigt. Wenn das bebaute Grundstück 1.400.000 DM wert ist, und S nach seiner Erbquote aber nur 1.050.000 DM zusteht, erwirbt er 3/4 (1.050.000 DM/1.400.000 DM) des bebauten Grundstücks unentgeltlich und 1/4 (350.000 DM/1.400.000 DM) des bebauten Grundstücks entgeltlich.

Die Unterteilung in unentgeltlich und entgeltlich erworbenen Anteil ist u. a. wichtig für die weitere Abschreibungsreihe des Vermögensgegenstandes. Hinsichtlich des unentgeltlich erworbenen Teiles ist gem. § 11 d Abs. 1 EStDV die vom Erblasser und der Erbengemeinschaft vorgenommene Abschreibungsreihe anteilig fortzusetzen. Soweit der Erbe den Vermögensgegenstand aber entgeltlich erworben hat, sind der weiteren AfA die entsprechenden Anschaffungskosten zugrunde zu legen. Für den entgeltlich erworbenen Teil bemißt sich die AfA bei Gebäuden nach den dafür geltenden Vorschriften.

Beispiel 2 (Fortsetzung): Einkommensteuerliche Behandlung eines (teil-) entgeltlichen Vorganges im Falle einer Erbauseinandersetzung
Unterstellt wird, das Gebäude wäre wie im Beispiel 1 vor genau 20 Jahren fertiggestellt und seitdem mit jährlich 2 % abgeschrieben worden. Weil S das Gebäude zu 3/4 unentgeltlich erwirbt, muß er für diesen Anteil die Abschreibungsreihe des Erblassers und der Erbengemeinschaft fortsetzen. Das heißt er kann für den unentgeltlich erworbenen Teil des Gebäudes die nächsten 30 Jahre noch 2 % von 300.000 DM (3/4 der Bemessungsgrundlage des Erblassers in Höhe von 400.000 DM), also 6.000 DM absetzen.
Zu 1/4 erwirbt S das bebaute Grundstück entgeltlich. Dadurch sind Anschaffungskosten in Höhe von 350.000 DM entstanden. Diese müssen nun auf Gebäude (70 %) und Grund und Boden (30 %) nach dem Verhältnis der heutigen Verkehrswerte aufgeteilt werden. Dies bedeutet, daß 245.000 DM die neue AfA-Bemessungsgrundlage für den entgeltlich erworbenen Teil des Gebäudes sind. Sofern das Gebäude keine tatsächliche Nutzungsdauer von weniger als 50 Jahren hat, beläuft sich die jährliche AfA des entgeltlich erworbenen Teils die nächsten 50 Jahre auf 4.900 DM (2 % von 245.000 DM).

Von Interesse ist auch, ob eine Übernahme von Nachlaßverbindlichkeiten im Rahmen der Erbauseinandersetzung zur Entgeltlichkeit des Vorgangs führen kann. Nach Auffassung der Finanzverwaltung führt eine Übernahme von Nachlaßverbindlichkeiten auch dann nicht zur Entgeltlichkeit, wenn die Quote der Schuldübernahme größer als die Erbquote ist, dadurch aber ein wertmäßiger Ausgleich unter den Erben erfolgt.

Beispiel 3: Übernahme von Nachlaßverbindlichkeiten bei der Erb-auseinandersetzung
A und B sollen zu je der Hälfte erben. Dieses Mal soll zum Nachlaß ein Grundstück mit dem Verkehrswert von 1.000.000 DM gehören, das mit einer Grundschuld von 500.000 DM belastet ist. Des weiteren sollen zum Nachlaß noch Wertpapiervermögen in Höhe eines Wertes von 500.000 DM gehören. A und B setzen sich dahingehend auseinander, daß A das Grundstück und B das Wertpapiervermögen erhält. A übernimmt außerdem die vollen Verbindlichkeiten aus der Grundschuld. Der Vorgang bleibt unentgeltlich.

Die Übernahme von Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft durch den einzelnen Erben über die Erbquote hinaus führt auch dann nicht zu Anschaffungskosten, wenn durch die Art der Verteilung von Verbindlichkeiten zusätzlicher Abfindungsbedarf geschaffen wird.
Die Frage, ob ein unentgeltlicher oder entgeltlicher Vorgang vorliegt, hat gerade im Zusammenhang mit Grundvermögen auch noch Auswirkungen auf die Frage der Steuerpflichtigkeit eines eventuellen Veräußerungsgeschäftes. Ist die Erbauseinandersetzung als teilweise entgeltlicher Vorgang zu werten, kann dies zu steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnen im Rahmen des § 23 EStG führen. Denn ein teilweise entgeltlicher Vorgang hat zur Folge, daß zumindest für einen Teil des übertragenen Vermögens der Zeitpunkt der Erbauseinandersetzung als Veräußerungs- bzw. Anschaffungsvorgang qualifiziert wird.

6. Vermächtnisnehmer
Vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger ist der Vermächtnisnehmer zu unterscheiden, da die Zuwendung eines Vermächtnisses lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch des Vermächtnisnehmers (i. d. R. gegen den Erben) gewährt. Dieser muß durch Übertragung des Vermächtnisgegenstandes erfüllt werden. Gem. § 11 d Abs. 1 EStDV ist auch der Vermächtnisnehmer an die Buch- und Steuerwerte des Erblassers gebunden. Auch für einen Vermächtnisnehmer gilt, daß er an die Abschreibungsreihe des Erblassers bzw. der Erbengemeinschaft gebunden ist. Auch im Hinblick auf die Steuerpflichtigkeit eines eventuellen Veräußerungsgeschäftes erfolgt eine analoge Behandlung zum Alleinerben.

7. Schlußbemerkung
Es ist erkennbar, daß nicht nur Fragen des Erbschaftsteuerrechts bei der Erbfolge von Relevanz sind. Oft können testamentarische Verfügungen aus Sicht des Erbschaftsteuerrechts positiv oder steuerneutral sein, im Bereich des Einkommensteuerrechts aber erhebliche Nachteile mit sich bringen. Es empfiehlt sich auch in dieser Hinsicht die Zuhilfenahme eines fachkundigen Rechtsanwaltes oder Steuerberaters.
Autor: Norber Schneider