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BGH kippt Tierhaltungsklausel und gibt viele Rätsel auf
Haltung von Katzen und Hunden im Rahmen vertragsgemäßen Gebrauchs?
14.01.2008 (GE 1/2008, 18) Eine Formularklausel, wonach „jede Tierhaltung mit Ausnahme von Ziervögeln und Zierfischen“ der Zustimmung des Vermieters bedarf, ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs unwirksam. Die Haltung von nicht störenden Kleintieren ist immer erlaubt. Fehlt eine – wirksame – Klausel, erfordern Anspruch auf Haltung oder Verweigerung der Zustimmung auf Tierhaltung bei größeren Tieren eine umfassende Abwägung aller Interessen: der des Vermieters, des Mieters und der Mitmieter.

BGH kippt Tierhaltungsklausel und gibt viele Rätsel auf

Der Fall: In einem Mietvertrag hieß es, daß jede Tierhaltung, insbesondere von Hunden und Katzen, mit Ausnahme von Ziervögeln und Zierfischen der Zustimmung des Vermieters bedürfe. Der Mieter bat um Zustimmung zur Haltung von zwei „reinen Wohnungskatzen“ der Rasse Britisch Kurzhaar. Der Vermieter verweigerte die Zustimmung. Der Mieter klagte, das Amtsgericht verurteilte den Vermieter, der Katzenhaltung zuzustimmen. Auf die Berufung des Vermieters wies das LG die Klage ab, ließ aber die Revision zu.

Das Urteil: Der VIII. Senat des BGH hielt die Revision des Mieters für begründet und die umstrittene Tierhaltungsklausel für unwirksam. Zunächst ging es allerdings um ein rein formales Problem, den bei Prozessen um Tierhaltung immer wieder praktisch bedeutsamen Streitwert. Das AG hatte ihn auf 1.500 € festgesetzt. Deswegen war danach die Berufung schon ohne weiteres statthaft (Beschwerdewert muß dafür 600 € übersteigen); ausdrücklich zugelassen hatte das AG die Berufung nicht. Das LG hatte überhaupt nichts zum Streitwert gesagt und die Berufung ohne weiteres für statthaft angesehen.
Der BGH wies darauf hin, daß der Streitwert im Rahmen der Tierhaltung sehr unterschiedlich beurteilt wird. Teilweise werde auch darauf abgestellt, ob der Mieter auf Zustimmung des Vermieters zur Tierhaltung klage oder umgekehrt der Vermieter auf Unterlassung der Tierhaltung durch den Mieter. Die Streitwertfrage läßt der BGH jedoch ausdrücklich offen und argumentiert so: Habe das AG keine Veranlassung gesehen, die Berufung ausdrücklich zuzulassen, weil es den Streitwert schon auf über 600 € festgesetzt habe, müsse das Berufungsgericht, sofern es den Berufungsstreitwert von mehr als 600 € nicht für erreicht ansehe, die Entscheidung darüber nachholen, ob die Berufungsvoraussetzungen erfüllt seien. Habe das Berufungsgericht keine ersatzweise Entscheidung über die Zulassung der Berufung getroffen, weil es dafür keine Notwendigkeit gesehen habe, sei das unschädlich, wenn es die Revision zugelassen habe. Die Gründe für die Zulassung der Revision und die Gründe für die Zulassung der Berufung seien identisch. Deshalb könne davon ausgegangen werden, daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung ebenso als erfüllt angesehen und demgemäß die Berufung als zugelassen behandelt hätte, wenn ihm die Notwendigkeit einer Entscheidung hierüber bewußt gewesen wäre.
Im Streit um die Tierhaltungsklausel selbst kommt der BGH zu dem Ergebnis, daß sie den Mieter unangemessen benachteilige und unwirksam sei. Das ergebe sich daraus, daß nur für die ausdrücklich genannten Ziervögel und Zierfische keine Zustimmung des Vermieters erforderlich sei, dagegen für andere Kleintiere wie etwa Hamster und Schildkröten sehr wohl.
Eine Klausel, die das Halten von Haustieren ausnahmslos verbiete, halte einer Inhaltskontrolle nicht stand, da so ein Verbot auch Tiere erfasse, deren Vorhandensein von Natur aus keinen Einfluß auf die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen den Mietvertragsparteien von Wohnraum haben könne. Nichts anderes gelte für eine Klausel wie die vorliegende, die durch das Erfordernis der Zustimmung des Vermieters zur Tierhaltung des Mieters faktisch ein Verbot mit dem Vorbehalt der Erlaubnis begründe. Eine solche Klausel benachteilige den Mieter dann unangemessen, wenn sie keine Ausnahme für solche Haustiere vorsehe, deren Haltung zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache i. S. d. § 535 BGB gehöre, wenn davon keine Beeinträchtigungen der Mietsache und Störungen Dritter ausgehen könnten. Das sei nicht nur bei den in der streitigen Klausel ausdrücklich genannten Ziervögeln und Zierfischen, sondern auch bei anderen Kleintieren der Fall, die – wie etwa Hamster und Schildkröten – ebenfalls in geschlossenen Behältnissen gehalten werden. Daher sei ein formularmäßiges Tierhaltungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt, das eine Ausnahme nur für Ziervögel und Zierfische, hingegen nicht für andere Kleintiere vorsehe, unwirksam.
Fehle es an einer – wirksamen – Regelung der Tierhaltung im Mietvertrag, sei allein die gesetzliche Regelung (was fällt unter „vertragsgemäßen Gebrauch“) maßgebend.
Abschließend setzt sich der BGH mit den Ansichten in Rechtsprechung und Literatur zum Umfang der Tierhaltung im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs auseinander. Er schließt sich einer vermittelnden Ansicht zur Zulässigkeit der Tierhaltung im Einzelfall unter Abwägung aller Interessen (Vermieter/Mieter/Mitbewohner) an. Diese Abwägung entziehe sich schematischen Lösungen. Zu berücksichtigen seien insbesondere Art, Größe, Verhalten und Anzahl der Tiere sowie Art, Größe, Zustand und Lage der Wohnung bzw. des Hauses, in dem sich die Wohnung befinde, Anzahl, persönliche Verhältnisse, namentlich Alter, und berechtigte Interessen der Mitbewohner und Nachbarn, Anzahl und Art anderer Tiere im Haus, bisherige Handhabung durch den Vermieter sowie besondere Bedürfnisse des Mieters.
Den zu entscheidenden Fall verwies der BGH an das Berufungsgericht zurück. Das müsse jetzt – die mietvertragliche Klausel war ja unwirksam – beurteilen, ob die vom Mieter beabsichtigte Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch gehöre.

Anmerkung: Die Entscheidung des BGH gibt mehr Steine als Brot. Die Streitwertfrage beantwortet der BGH nicht. Streit um die Tierhaltung wird – abgesehen von der Haltung von Kleintieren – je nach Ansicht des Instanzgerichts mal als berufungsfähig angesehen, mal nicht. Insbesondere bei der Hundehaltung hängt der Streitwert nun in jedem Einzelfall von der Frage ab, ob die Hundehaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gehört. Die Hinweise des BGH werfen weitere Fragen auf (siehe Seite 19).

BGH, Urteil vom 14. November 2007 - VIII ZR 340/06 - Wortlaut Seite 48


Die im Grundeigentum-Mietvertrag enthaltene Tierhaltungsklausel lautet:
„Kleintiere, wie Vögel, Zierfische, Schildkröten, Hamster, Zwergkaninchen oder vergleichbare Tiere, darf der Mieter ohne Einwilligung des Vermieters im haushaltsüblichen Umfang halten.
Andere Tierhaltung des Mieters, insbesondere Hundehaltung, ist nur bei vorheriger Zustimmung des Vermieters gestattet.“
und ist damit deutlich anders formuliert als die vom BGH verworfene. Es gibt gute Chancen, daß sie einer Überprüfung standhält.


Tierhaltung: Neue Fragen
Der BGH nennt eine Reihe von Kriterien, die bei der Interessenabwägung und der Frage, ob im Einzelfall Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört, zu beachten sind. Der BGH nennt u. a. Größe und Verhalten der Tiere sowie das Wohnumfeld. Viele Fragen, keine Antworten, wie der folgende Katalog zeigt:

Größe: Muß jeweils die voraussichtliche Endgröße des Tieres berücksichtigt werden, oder muß der Vermieter z. B. zunächst den kleinen und jungen Hund dulden und der Mieter später den groß gewordenen Hund wieder abschaffen?

Verhalten: Kommt es auf das Verhalten des Hundes im Jungtieralter oder später auf das endgültige Verhalten des Tieres an? Auf das tatsächliche oder das einer Rasse nachgesagte Wesen?
Wohnungsgröße: Muß jetzt der Instanzrichter beurteilen, ob die Größe, der Zustand und die Lage der Wohnung ein, zwei oder mehrere Hunde zuläßt?

Bewohner: Ist die Anzahl der Bewohner menschlicher Natur mit der der voraussichtlichen Bewohner tierischer Natur ins Verhältnis zu setzen? Führt deren Addition zu einer „Überbelegung“ nach dem Berliner Wohnungsaufsichtsgesetz – etwa nach der Formel: 2 Hunde = 1 Mensch?

Auswahl: Muß der Amtsrichter nun die Anzahl und die Art anderer Tiere im Hause zusammenzählen? Welche Partei muß welche Behauptungen zu Anzahl und Art anderer Tiere im Hause vorbringen, inwieweit hat dazu eine mögliche Beweisaufnahme zu erfolgen?

Vermieterpraxis: Wird nunmehr zukünftig die Handhabung der Tierhaltung durch den Vermieter ausschlaggebend sein? Muß nunmehr der Vermieter detektivisch durch die Wohnungen gehen, um Tierhaltung festzustellen?
Einzelbedürfnisse: Daß ein Blinder einen Blindenhund halten darf, war bisher außer Streit. Muß nunmehr beurteilt werden, von welchem Lebensalter an ein Single einen Hund halten darf, um wenigstens einen emotionalen Ansprechpartner zu haben?

OLG Düsseldorf, Urteil vom 2. September 2007 - I-10 U 46/07 - Wortlaut Seite 54
Autor: Klaus Schach