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Altes Sparmodell immer wieder erfolgreich
Gerichtsvollziehern auf die Finger sehen
26.12.2007 (GE 24/2007, 1652) Erfahrene Mietrechtsanwälte wissen, daß bei der Wohnungsräumung die genaue Prüfung der Gerichtsvollzieher-Kostenrechnung bares Geld bringen kann. Der nachfolgenden Schilderung eines geradezu hanebüchenen Falles liegt keineswegs die Phantasie der Redaktion, sondern der tatsächliche Verfahrensablauf zugrunde.
1. Szene: Gegen den Mieter ergeht ein Zahlungs- und Räumungsurteil. Der Zwangsvollstreckungsauftrag wird erteilt, die zuständige Gerichtsvollzieherin verlangt Kostenvorschuß für die Räumung der Dreizimmerwohnung und setzt einen Räumungstermin an.
2. Szene: Die Räumung wird durchgeführt. Die Gerichtsvollzieherin hat ein Transportunternehmen eingesetzt. Zunächst sind drei Arbeitskräfte dieses Transportunternehmens am "Tatort", später kommen zwei weitere Arbeitskräfte hinzu.
3. Szene: Die Gerichtsvollzieherin übersendet das Räumungsprotokoll und stellt ihre Kosten in Rechnung. Eine Kopie der Transportkostenrechnung enthält die Kostenrechnung der Gerichtsvollzieher-Rechnung nicht. Kopie der Transportkostenrechnung wird anwaltlich angefordert. Anwalt stellt fest, daß in dieser Abrechnung zunächst fünf Arbeitskräfte, später sieben aufgeführt wurden, mithin zwei Arbeitskräfte mehr, als tatsächlich vor Ort waren. Gerichtsvollzieherin wird darauf mit der Bitte um unverzügliche Überprüfung hingewiesen.
4. Szene: Gerichtsvollzieherin telefoniert mit Vermieteranwalt, Rechnung sei wohl zu Recht moniert worden, sie habe dies bereits dem Transportunternehmer mitgeteilt, fahre aber erst einmal in Urlaub.
5. Szene: Einen Monat später teilt Gerichtsvollzieherin dem Anwalt schriftlich mit, die Kostenrechnung des Transportunternehmers sei doch korrekt, Anzahl der Arbeiter und Arbeitsstunden seien richtig berechnet gewesen. Anwalt erhebt dezidiert Gegenvorstellung.
6. Szene: Gerichtsvollzieherin teilt vier Wochen später mit, sie könne sich jetzt nicht mehr erinnern, wie viele Arbeiter bei der Räumung vor Ort gewesen seien, aber das Räumungsprotokoll weise ja fünf plus zwei Kräfte aus. Anwalt weist darauf hin, die Gerichtsvollzieherin sei nur am Anfang der Räumung dabei gewesen, und da seien nur drei Arbeitskräfte beschäftigt gewesen. Das Räumungsprotokoll sei von ihr nicht vor Ort erstellt worden, weil sie nicht das richtige Formular mitgebracht habe. Gerichtsvollzieherin wird noch einmal darauf aufmerksam gemacht, daß die Räumung mit drei Arbeitskräften begann, zwei später dazu kamen, die Transportrechnung aber fünf als zu Beginn anwesend aufführe.
7. Szene: Gerichtsvollzieherin telefoniert mit dem Anwalt, um das Problem mündlich zu lösen. An die Räumung könne sie sich nicht mehr erinnern. Der Transportunternehmer wisse auch nicht mehr, wie viele Arbeiter er eingesetzt habe. Der Transportunternehmer schlage nun vor, sich im Hinblick auf die zwei fraglichen Arbeiter "in der Mitte zu treffen", also nur einen zu bezahlen.
8. Szene: Der Gläubiger hat die Faxen dicke und läßt gegen die Kostenentscheidung beim Vollstreckungsgericht Erinnerung einlegen.
9. Szene: Gerichtsvollzieherin bestreitet in ihrer daraufhin eingeforderten Stellungnahme alles: daß sie zunächst erklärt haben solle, die Monierung bestehe zu Recht, und daß sie später den Vorschlag des Transportunternehmers weitergeleitet habe, die Rechnung insoweit zu kürzen und sich "in der Mitte zu treffen".
Vollstreckungsgericht erhebt Zeugenbeweise über die Behauptung des Anwalts, es seien zunächst drei, später fünf Arbeitskräfte eingesetzt worden.
10. Szene: Vollstreckungsgericht kürzt aufgrund der Zeugenaussage die Kostenrechnung der Gerichtsvollzieherin um knapp 500 € und weist die Gerichtsvollzieherin an, den Gläubigern nach dieser Maßgabe Abrechnung zu erteilen.
11. Szene: Gerichtsvollzieherin berichtigt ihre Kostenrechnung, lehnt jedoch die Erstattung der Differenz zwischen alter und neuer Kostenrechnung gegenüber den Gläubigern ab unter Hinweis auf eine Entscheidung des LG Konstanz, wonach ein Gerichtsvollzieher im Falle der Kürzung einer bereits bezahlten Speditionsrechnung nicht persönlich haftet.
12. Szene: Gläubigervertreter wendet sich an den Präsidenten des zuständigen Amtsgerichts als Dienstaufsichtsbehörde. Amtsgerichtspräsident bestätigt Eingang des Schreibens, bittet "um Geduld", man müsse Stellungnahme der Gerichtsvollzieherin einholen und Einsicht in die Sonderakten nehmen. Danach vergeht ein halbes Jahr.
13. Szene: Amtsgerichtspräsident teilt mit, die Angelegenheit sei zunächst dem Bezirksrevisor als beschwerdeberechtigtem Vertreter der Staatskasse vorgelegt und nunmehr der Senatsverwaltung für Finanzen als endgültig zuständiger Stelle zugeleitet worden.
14. Szene: Der strittige Differenzbetrag wird endlich erstattet.

Anmerkung: Im Laufe der Jahre erhielt die Redaktion immer wieder Schilderungen dieser und ähnlicher Art. Nicht zuletzt solche Schilderungen waren der Anlaß für unsere – am Ende durch eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs gekrönten – publizistischen Versuche, Sand in die wie geschmiert laufende Zusammenarbeit zwischen Transportunternehmen und Gerichtsvollziehern zu schütten. Eigentümer können seitdem, wie ausführlich berichtet, Räumungen auch ohne Inanspruchnahme von Transportunternehmen durchführen lassen.
Autor: Rechtsanwältin Heike Becker & Dieter Blümmel