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Parabolantenne für türkische Alleviten
Abgewogen werden müssen drei Grundrechte: Eigentumsrecht, Informationsrecht, Religionsfreiheit
26.12.2007 (GE 24/2007, 1661) Im Rechtsstreit um Auf-/Abbau einer Parabolantenne müssen gegenüber dem Eigentumsrecht des Vermieters auch die Glaubens- und Religionsfreiheit des Mieters beachtet werden, meint der Bundesgerichtshof.
Der Fall: Die Wohnanlage war mit Kabelanschluß ausgestattet; mehrere türkische Fernsehsender konnten empfangen werden. Vertraglich waren Parabolantennen nicht gestattet. Zwei türkische Mieter allevitischen Glaubens stellten eine transportable Parabolantenne auf dem Balkon auf, über die sie u. a. zwei Sender empfangen konnten, die über Inhalte des allevitischen Glaubens berichten, daneben aber auch Nachrichten, Spielfilme und sportliche Ereignisse verbreiten. Der Vermieter verlangte die Entfernung der Antenne. Damit hatte er – anders als noch beim Amtsgericht – beim Landgericht Erfolg.

Das Urteil: Der BGH wies die Revision der Mieter zurück. Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei das Aufstellen der Parabolantenne durch die Mieter als vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache beurteilt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei dem Grundrecht des Mieters auf Informationsfreiheit (Art. 5 GG) auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Satellitenempfangsanlagen an Mietwohnungen Rechnung zu tragen. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, daß das – gleichrangige – Grundrecht des Vermieters als Eigentümer (Art. 14 GG) berührt sei, wenn von ihm verlangt werde, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Das erfordere in der Regel eine fallbezogene Abwägung der von dem eingeschränkten Grundrecht und dem grundrechtsbeschränkenden Gesetz geschützten Interessen. Nichts anderes könne gelten, soweit sich der Mieter zusätzlich darauf beruft, durch die Versagung der Zustimmung zur Aufstellung einer Parabolantenne werde sein Grundrecht auf Religionsfreiheit beeinträchtigt. Die Abwägung der Interessen sei grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Das Berufungsgericht habe diese Abwägung ohne Rechtsfehler zu Lasten der Mieter vorgenommen. Zum Eigentumsrecht des Vermieters stellt der BGH fest, daß auch eine ästhetische Beeinträchtigung durch die auf dem Balkon mobil aufgestellte Parabolantenne eine Beeinträchtigung des Eigentumsrechts des Vermieters darstellen könne. Mehr oder weniger weitgehende optische Beeinträchtigungen mögen zwar zwangsläufig mit jeder Nutzung eines Gebäudes durch den Mieter verbunden sein. Das ändere jedoch nichts daran, daß sie das Eigentum des Vermieters tangierten. Im Hinblick auf Art. 5 GG sei gegenüber der Eigentumsbeeinträchtigung zu berücksichtigen, daß die Mieter über Breitbandkabel sechs türkische Programme empfangen könnten. Im Hinblick auf die Religionsfreiheit sei zu berücksichtigen, daß die von den Mietern empfangenen Programme neben kulturellen und religiösen Sendungen auch Nachrichten, Spielfilme und sportliche Ereignisse zeigten und damit das im Rahmen des Art. 4 GG geltend gemachte besondere Informationsinteresse nur partiell bedient werde. Zum anderen bleibe den Mietern jede Möglichkeit, sich in anderer geeigneter Weise über Informationsmittel wie z. B. Druckwerke, Radio, Internet u. ä. sowie durch die aktive Praktizierung des allevitischen Glaubens in Deutschland am allevitischen Religions- und Kulturleben zu beteiligen.

Anmerkung: Das Landgericht Berlin hat schon des öfteren das Aufstellen einer sogenannten mobilen Parabolantenne auf dem Balkon zugelassen und eine derartige Antenne mit einem Sonnenschirm auf dem Balkon verglichen, gegen den sonst nichts einzuwenden sei. Jetzt wird man in vergleichbaren Fällen die optische Beeinträchtigung durch eine permanent auf dem Balkon stehende Parabolantenne im Rahmen der Eigentumsgarantie berücksichtigen müssen und darauf zu achten haben, ob und in welchem Maße die Antenne von außen sichtbar ist.

BGH, Urteil vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 260/06 - Wortlaut Seite 1690
Autor: Klaus Schach