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Grundbucheinsicht der Presse
Eigentümer wird nicht angehört
20.11.2000 (GE 20/2000, 1386) Journalisten dürfen bei berechtigtem Interesse Grundbücher einsehen. Davon betroffene Eigentümer haben i. d. R. keinen Anspruch auf vorherige Anhörung. Das Informationsinteresse der Presse dürfe nicht vereitelt werden, entschied das Bundesverfassungsgericht.
Der Fall: Der beschwerdeführende Verlag gibt die Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ heraus. Der Verlag beantragte beim Grundbuchamt - zunächst ohne weitere Darlegungen ihres Rechercheinteresses -, einer Redakteurin Einsicht in bestimmte Grundbuchblätter zu gewähren. Das Amtsgericht wies den Verlag darauf hin, daß Voraussetzung für die Gewährung der Grundbucheinsicht die Anhörung des in den betreffenden Grundbüchern eingetragenen Eigentümers und die Abwägung der von der Presse wahrgenommenen öffentlichen Interessen mit dem Individualinteresse des Eigentümers sei. Nach der Ablehnung des Antrags durch das Amtsgericht legte der Verlag im Beschwerdeverfahren beim Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) zwar „vorsorglich“ dar, in welchem Zusammenhang er für eine Recherche über die als Grundstückseigentümerin eingetragene KG die Einsichtnahme begehre. Unter keinen Umständen solle jedoch die Grundstückseigentümerin nach Konkretisierung des Recherchevorhabens unterrichtet und zur Interessenabwägung angehört werden. Das OLG wies die Beschwerde zurück. Zwar könne auch der Presse das Recht auf Grundbucheinsicht nach § 12 Grundbuchordnung (GBO) zustehen, da auch ein öffentliches Interesse als berechtigtes Interesse im Sinne dieser Norm anzuerkennen sei. In solchen Fällen müsse aber der Eigentümer vor Gestattung der Einsicht zur sachgerechten Abwägung seiner Interessen mit denen des Antragstellers angehört werden. Gegen diese Entscheidung legte der Verlag erfolgreich Verfassungsbeschwerde ein.

Das Urteil: Mit Beschluß vom 28. August 2000 hat die 1. Kammer des Ersten Senats den angegriffenen Beschluß aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Zur Begründung heißt es im wesentlichen:
Die Pressefreiheit sei durch die Auslegung und Anwendung des § 12 Abs. 1 GBO durch das OLG verletzt worden. Der Staat sei - auch unabhängig von subjektiven Berechtigungen Einzelner - verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall dort, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berühre, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen. Im Ausgangspunkt habe das OLG § 12 GBO in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgelegt, daß auch der Presse auf Grund der Wahrnehmung öffentlicher Interessen grundsätzlich ein Recht auf Grundbucheinsicht zustehen könne. Auf der anderen Seite genieße auch die Rechtsposition des im Grundbuch Eingetragenen grundrechtlichen Schutz. Wenn Dritten eine Grundbucheinsicht gewährt werde, liegt darin - bei Privatpersonen - ein Eingriff in das auf diese Daten bezogene informationelle Selbstbestimmungsrecht bzw. - bei juristischen Personen - in die als Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützte Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das OLG das Einsichtsrecht der Presse von einer Darlegung des Einsichtsinteresses abhängig gemacht hat, die auch im Regelfall der Einsichtnahme nach § 12 GBO vorgesehen ist. Allerdings müßten die Anforderungen an das berechtigte Interesse selbst und an dessen Darlegung der Besonderheit einer freien Presse Rechnung tragen. Die Presse müsse nach publizistischen Kriterien entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht. Das von der Presse dargelegte Informationsinteresse muß vom Grundbuchamt als solches - also nach Prüfung seines Bestehens ohne eigene Bewertung - dem weiteren Vorgehen zugrunde gelegt werden.
Soweit das OLG darüber hinaus jedoch eine Anhörung des Eigentümers des Grundstücks grundsätzlich für geboten halte, lasse sich dies mit dem Grundrecht der Pressefreiheit nicht vereinbaren. Es sei nicht Aufgabe des Eigentümers, sondern die des Grundbuchamts, die Eignung und Erforderlichkeit der Einsichtnahme zu überprüfen. Nach der Systematik der Grundbuchordnung seien abwägungserheblich nur allgemeine Interessen des Eingetragenen, nicht aber solche, die aus ihrer spezifischen persönlichen Situation folgten. Gegen die unmittelbare Ableitung eines Anhörungsrechts aus der Verfassung spreche, daß ohne nähere gesetzliche Vorgaben ein Risiko der Vereitelung des Informationsinteresses der Presse bestehe. Ginge die Presse einem Verdacht des mißbilligten Verhaltens nach, und müßte das Grundbuchamt den Adressaten des Verdachts von ihren Recherchen informieren, könnte der Rechercheerfolg nachhaltig gefährdet werden, da der Adressat ihrer Nachforschungen zu Gegenmaßnahmen, insbesondere zur Vernichtung von Beweismitteln und ähnlichem schreiten könnte.
BVerfG, Beschluß vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 -