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Gevatter Tod
Regine Paschkes (VRi'inLG) Unjuristische Betrachtungen
26.10.2007 (GE 20/2007, Seite 1329) Den Lauf seines Lebens kann der Mieter im Rahmen des § 535 BGB gestalten: Er darf in seiner Wohnung fernsehen, fluchen (gedämpft), feiern (OLG Düsseldorf WuM 1990, 116), Flöte oder Klavier spielen (BGH NJW 1998, 3713), in mäßiger Lautstärke mit der Ehefrau streiten (AG Düsseldorf NJW 1992, 384) und – bis zur Grenze des Exzesses – sogar rauchen (BGH GE 2006, 1158)!

Gevatter Tod

Ob allerdings auch das Ende seines Lebens – das Sterben – zum erlaubten vertragsmäßigen Gebrauch der Mietwohnung gehört, ist – juristisch – fraglich. Daher bedurfte es hierüber einer Entscheidung des AG Bad Schwartau, nachdem eine alte Dame in ihrer Wohnung diskret verstorben, ihr Ableben längere Zeit unbemerkt geblieben war und ihr Leichnam schließlich die Wohnungsluft nachhaltig verunreinigt hatte: "… Das Sterben in der Wohnung an sich stellt jedoch keinen vertragswidrigen Gebrauch dar … Demnach stellt sich die Beeinträchtigung der Wohnung durch Leichengeruch allein als Folge einer vertragsgemäßen Nutzung dar … " (AG Bad Schwartau WuM 2001, 546). Im Zeitalter zerbröselnder Familien, sozialer Isolation und überteuerter Altenpflege – von Optimisten auch gesellschaftlicher Wandel genannt – ist es ferner von Interesse, daß glücklicherweise die Verwandten, die den Tod der Erbtante erst bemerkten, als es bereits in den Nachbarwohnungen unangenehm roch, nicht für den Schaden haften, denn: "Den Beklagten ist kein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen. Es ist niemand gehalten, sich innerhalb der Verwandtschaft ständig nach dem Befinden und Verbleib des anderen zu erkundigen, erst recht, wenn dieser … näheren Kontakt ablehnte."
Da jedoch die Ausgestaltung des vertragsmäßigen Mietgebrauchs durchaus in Grenzen disponibel ist, könnte der ängstliche und anwaltlich gut beratene Vermieter den Mietvertragsvordruck so ergänzen, daß § 9 etwa vorsieht:
"Der Mieter darf die Mieträume zu anderen als Wohnzwecken nur mit Einwilligung des Vermieters benutzen. Das Versterben in der Wohnung ist werktags zwischen 13.00 und 15.00 Uhr sowie sonn- und feiertags nicht gestattet. Es ist im übrigen dem Vermieter rechtzeitig anzuzeigen …"
Dann wäre ein solcher Fall unbemerkten und vor allem unangekündigten Verbleichens womöglich rechtlich völlig anders zu beurteilen und hätte weitreichende Folgen:
Der Sensenmann müßte sein Stundenglas genau im Auge behalten, um dem zu Holenden noch die Zeit zu gewähren, sich mietrechtlich korrekt zu benehmen.
Hilfreich könnte auch die alte römische Sitte sein, nach welcher der Sklave des siegreichen Feldherrn diesen während seines Triumphzuges durch beständiges In-den-Nacken-Murmeln der Worte "memento mortis!" daran erinnerte, sterblich (wie alle anderen) zu sein. Den Job des Mahners könnte heute ein entsprechend programmierter Palm (Taschencomputer) übernehmen.
Zerberus, der Hauswart der Unterwelt und (dreiköpfige!!!) Wachhund des Hades, würde grimmig von dem in das Reich der Toten Einlaß begehrenden Mieter urkundliche Nachweise über die Einhaltung solcher Formalien verlangen – und anderenfalls den Zutritt zum Totenreich verweigern, weil beim plötzlichen Herztod keine Gelegenheit zur Mitteilung an den Vermieter mehr war …
Vor allem aber bedürfte der Mieter beizeiten der Lektüre einer entsprechenden Gebrauchsanleitung, z. B. "Die Kunst des Sterbens … Impulse für heute" (Verf.: Arthur E. Imhof).
Am Ende bliebe nur die Herbeiführung einer Entscheidung des höchsten Zivilgerichts, das schließlich zu befinden hätte, ob dem Tod unter Berücksichtigung von Art. 13 Abs. 1 GG ein Zutrittsrecht zur Mietwohnung zu gewähren ist – oder ob derselbe artig vor der Wohnungstür warten muß, bis sich ihm Gelegenheit zur Ausübung seines anspruchsvollen Amtes in Gestalt von Blitzschlag, rasendem Lastwagen oder herabfallenden Dachziegeln bietet …
Dabei drängt sich dem(r) Lebenden unaufhaltsam aus dem Dunkel des Stammhirns bereits die künftige Schlagzeile einer auflagenstarken Berliner Boulevardzeitung ans Licht des Bewußtseins:
BGH: HAUSVERBOT FÜR GEVATTER TOD!

Wer stirbt, bezahlt alle seine Schulden.
William Shakespeare