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Neues Meldegesetz: löchrig wie ein Schweizer Käse
Kriminelle haben leichtes Spiel
12.09.2007 (GE 17/2007, Seite 1137) Michael Böhl ist Kriminaloberkommissar, im Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) organisiert, und verriet dem Magazin SPIEGEL kürzlich, in Berlin gäbe es Wohnungen, "in denen auf 50 Quadratmetern offiziell 30 Bewohner gemeldet sind, ohne daß Mieter oder Vermieter darüber Bescheid wissen".
Der SPIEGEL befragte den Kripomann vor dem Hintergrund eines "Polizeiüberfalls" auf den Berliner Radiomoderator Robert Skuppin. Ihn hatte mitten in der Nacht ein Spezialeinsatzkommando aus dem Schlaf gerissen und seine Wohnung durchsucht, weil ohne Skuppins Wissen eine Schar verdächtiger Russen sich beim Meldeamt in dieser Wohnung angemeldet hatte. Kein Einzelfall, sondern Massenphänomen, erklären Kripobeamte, und zwar nicht nur, aber vor allem in Berlin. Hier haben sich Scheinanmeldungen seit 2002 verdoppelt. Hintergrund ist eine gutgemeinte, aber nicht durchdachte Reform des Meldegesetzes. Bis zur "Reform" mußte ein Mieter für die Anmeldung die Unterschrift seines Vermieters vorlegen. Das ist inzwischen entfallen. Zwar kann man auch Unterschriften fälschen, doch ist das eine Straftat, die Anmeldung unter falscher Flagge dagegen nur eine Ordnungswidrigkeit. Die nun wirklich kinderleichte Möglichkeit, sich unter einer Scheinadresse anmelden zu können, nutzen große wie kleine Ganoven. Unterhaltsverpflichtete Väter versuchen, sich auf diese Weise ihrer Unterhaltspflicht zu entziehen, kriminelle Ausländer tarnen damit ihre illegalen Geschäfte, Internet-Betrüger kommen mit falscher Adresse an ein richtiges Konto, sogar Haftbefehle werden aufgehoben, weil ja angeblich ein fester Wohnsitz vorliegt. Selbst wenn man gegen gebührenpflichtige Melderegister-Auskunft in Erfahrung gebracht hat, daß man die Wohnung mit 50 anderen teilt, von denen man noch nie gehört hat, kann man die Mitbewohner nicht einmal abmelden. Abmelden kann sich nur jeder selbst. Da funktioniert die Bürokratie wieder.
Autor: Dieter Blümmel