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Des Mieters Papageien
Regine Paschkes (VRi‘inLG) unjuristische Betrachtungen
14.08.2007 (GE 15/2007, Seite 1008) Unwahr ist der Eindruck, die Autorin entwickele einen merkwürdigen Hang zu Haustieren jedweder Art, wenngleich es seltsam anmuten mag, daß vor nicht allzu langer Zeit an dieser Stelle schon von Hunden (in ihrer Rolle als Gäste bei mäßig begabten Hundefrisören) die Rede war. Wahr hingegen ist: Die Menagerie in der Mietwohnung unterhält bisweilen den Juristen auf das Feinste.

Des Mieters Papageien

Jeder, der im Mietrecht professionell agiert, ist imstande, in geselliger Runde einen launigen Fall von einem/zwei Mieter(n) ohne angeborenes Ekelgefühl, aber mit wahlweise zwölf Mischlingshunden, 21 zugelaufenen (!) Katzen, 17 exotischen Würge-/Giftschlangen zum besten zu geben.
Beispiel: Die Freiflugerlaubnis für 20 Edeltauben in einer Wohnungs-ei-gen-tums-anlage: "Die Tiere werden artgerecht gehalten und sind … ohne parasitologischen, virologischen und bakteriologischen Befund. Ihr Futter besteht im wesentlichen aus Hülsenfrüchten, nicht aus flüssiger Nahrung. Hierdurch kommt es zu festen, erbsengroßen Kotausscheidungen. Das Kotverhalten der Tauben ist dadurch gekennzeichnet, daß sie im Stehen bzw. Laufen, regelmäßig aber nicht im Fluge ausscheiden …
Zur artgerechten Haltung von Edeltauben gehört es, daß sie ausreichend Gelegenheit zum Ausflug erhalten. Sofern dies nicht auf Flugtagen im Langstreckenflug erfolgt, läßt sie der Antragsgegner mehrfach wöchentlich bis zu einer Dauer von maximal 30 Minuten in der Umgebung der Wohnanlage fliegen … Das Oberlandesgericht Oldenburg hat danach 35 frei fliegende (und zusätzlich 60 fest sitzende) Tauben für zulässig gehalten, das Landgericht München II … sogar 105 Tauben, wobei die Flugzeit auf täglich eine Stunde festgesetzt wurde … " (OLG Frankfurt vom 13. September 2005 - 20 W 87/03, NZM 2006, 265).
Die tendenziell eher ablehnende Haltung des erfahrenen Vermieters gegen derart tierliebe Mieter könnte aber neuerdings zu modifizieren sein, sofern er bedenkt, welch – bisher vernachlässigtes – vollstreckungsökonomisches Potential zum Beispiel in einem Gansu-Zwerghamster (Cansumys canus) im 2. OG links oder in einem Langschwanz-Chinchilla (Chinchilla lanigera), VH, EG rechts, stecken kann. Kommt nämlich Herrchen/Frauchen in Zahlungsschwierigkeiten mit der Miete und sieht es auch sonst im Hinblick auf die Pfändungsmöglichkeiten schlecht aus, weil mit Ausnahme des luxuriösen Tierkäfigs die Wohnungseinrichtung eher in Richtung Unpfändbarkeit tendiert, kann § 811 c Abs. 2 ZPO den ansonsten sinnlosen Zahlungstitel retten!
Wenn der Vermieter nun schon von hartgesottenen Amtsrichtern zur Gestattung der Tierhaltung verdonnert wird ("Gehen von einer in der Mietwohnung gehaltenen Schlange weder objektive Gefahren noch meßbare Störungen der Wohnumwelt durch Geruchs- oder Geräuschbelästigung aus, und ist eine übermäßige Abnutzung der Wohnung durch die Schlangenhaltung nicht zu befürchten, dann kann die Genehmigung nicht mit dem Hinweis auf die Störung des Hausfriedens durch die Hervorrufung von Ekelgefühlen bei Mitmietern versagt werden …" AG Bückeburg vom 12. Oktober 1999 - 73 C 353/99, NZM 2000, 376), dann gehört ihm wenigstens bei Mietende der finale Triumph!!! Das LG Berlin erlaubt die Pfändung von ca. (!) 20 Koi-Karpfen und zwei Papageien wegen der Mietschulden der Besitzerin, weil der Vermieter "auf die Mieteinnahmen angewiesen, die Tiere von erheblichem Wert …" und die von der Mieterin "dargelegte emotionale Bindung an die Fische und beide Vögel …" hinter den Interessen des Vermieters zurückzustehen habe (LG Berlin vom 16. März 2007 - 81 T 859/06, GE 2007, 721). Träräää!!!
Was nützt schon die Liebe (des Mieters zum Tier) in Gedanken (frei nach dem Film des Achim von Borries), wenn die Fauna am Ende doch in der dunklen Pfandkammer verschwindet?
Das Dilemma aber hat am Ende nur einer: "Beläßt der Gerichtsvollzieher gepfändete Tiere nicht im Gewahrsam des Schuldners, so ist er verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen für die ordnungsgemäße Fütterung und Pflege der Tiere zu treffen." (§ 139 Nr. 5 GVGA).
Jede Lösung eines Problems ist ein neues Problem (Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832).