Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Geldvernichtung
13.07.2007 (GE 13/2007, Seite 857) Daß die Kameralistik in unseren Tagen nicht gerade zu wirtschaftlichem Umgang mit den Ressourcen des Landes anhält, weiß jeder, der mit diesem im 18. Jahrhundert entwickelten und von den preußischen Königen eingeführten System der Verwendung und Kontrolle öffentlicher Gelder je zu tun hatte.

Geldvernichtung

Begriffe wie "Abschreibung", "Eigenkapitalverzinsung", "Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung" sind in diesem System Fremdworte – nicht nur weil sie in altmodischem Deutsch statt im heute angesagten Denglisch daherkommen, sondern weil die Inhalte zwar bekannt, aber nicht zugelassen sind: Nicht sein kann, was nicht sein darf!
Dieses Negieren wirtschaftlicher Zusammenhänge zeigt wohl nirgendwo so verlustreiche Wirkungen wie bei den Infrastrukturinvestitionen: Straßen, Autobahnen, Tunnel, Flughäfen, Bahntrassen. Müssen dann noch unterschiedliche öffentliche Hände verknüpft werden – Berlin und Brandenburg, der Bund und die Bahn –, so entsteht ein Knoten, mit dem selbst der große Alexander und sein Schwert ihre liebe Mühe gehabt hätten.
Worum geht es? Na, mal wieder um den Flughafen BBI-Schönefeld und dessen Bahnanbindung. Da meldete der Tagesspiegel am 6. Juni, die schnelle Bahnanbindung auf der vorhandenen Trasse der Dresdner Bahn mitten durch Lichtenrade werde sich um Jahre verzögern, weil u. a. die genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen zum Ausbau der Bahn nicht rechtzeitig vorlägen. Hintergrund ist der seit Jahren währende Streit zwischen Berlin und der Bahn AG über die geforderte Tieferlegung der Trasse, die von der Bahn aus finanziellen Gründen abgelehnt wird.
Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Da betreibt das Land Berlin – mit Brandenburg und dem Bund – seit 1991 den Bau eines ohne Zweifel notwendigen neuen Flughafens. Man braucht Jahre zur Standortentscheidung, trifft am Ende eine falsche – hallo, Herr Diepgen –, aber immerhin machbare. Alle Beteiligten sind sich ausnahmsweise mal darüber einig, daß eine schnelle Bahnanbindung und die „Durchbindung“ des Flughafens zwingend geboten sind. Und dann spaziert da eine Riege von Senatoren (inklusive "Regierendem"), Beamten und beleidigten Bundesbahn-Sesselwärmern durch das einigermaßen geräumte Minenfeld und legt ein neues "Ei". Auswirkung: Die ganze Investition "Flughafen" wird auf Jahre in ihrem Wert gemindert, die Leute brauchen mehr Zeit für die Fahrt dorthin, die dann immerhin schon fertige Stadtautobahn wird zu Zeiten genauso überlastet wie jetzt in Tegel. Kann man sich vorstellen, daß ein Investor weit außerhalb der Stadt ein Einkaufszentrum baut, ohne daß die Haupt-Zufahrtsstraße pünktlich zur Verfügung steht?
Noch einleuchtender, nur weniger dramatisch ist ein zweites Beispiel: die U-Bahn-Anbindung des Hauptbahnhofs über das Brandenburger Tor bis zum "Alex". Da sind schon einige hundert Millionen verbuddelt und verplant, also echt ausgegeben. Und nun fehlt das Geld, um weiterzubauen. Vorstellbar bei einer Privatinvestition nur, wenn eine Pleite dazu führt, daß Gründung und Keller eines Gebäudes fertig werden und danach zunächst mal Sense ist. Doch Berlin ist zwar hoch verschuldet, aber nicht pleite, und für den Bund gilt das gleiche. Aber so sicher, wie unsere überbezahlten Wirtschaftsführer selbst bei Entlassung mit einer Erhöhung ihres Lebensstandards durch beträchtliche Abfindungen rechnen können, so wenig brauchen Politiker und Beamte zu fürchten, wegen Beerdigung der bewußten U-Bahn-Millionen selbst in die Grube oder ins Elend zu fahren: Keine Bank schreit nach Rückzahlung des Geldes, und kein Rechnungshof jault auf.
Armes, reiches Deutschland!
Autor: Dietmar Otremba