Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Kammergericht kippt endlich eigene Rechtsprechung
Privatstraßen: Eigentümer nicht zur Zahlung von Reinigungsentgelten verpflichtet
13.07.2007 (GE 13/2007, Seite 872) Eigentümer oder sonstige Berechtigte von Grundstücken, die an eine Privatstraße des öffentlichen Verkehrs, nicht aber an eine öffentliche Straße angrenzen, gelten nicht als Hinterlieger im Sinne der Definition des Berliner Straßenreinigungsgesetzes und sind deshalb auch nicht verpflichtet, Straßenreinigungsentgelte zu entrichten. Dies entschied das Berliner Kammergericht und änderte damit seine bisherige Rechtsprechung. Allerdings hat das Kammergericht Revision zugelassen, obwohl die Rechtsfragen Landesrecht betreffen, das nicht revisibel ist.
Der Fall: Auch Hinterlieger von Grundstücken, die an eine öffentliche Straße angrenzen, sind grundsätzlich zur Zahlung von Straßenreinigungsentgelten verpflichtet, seit 1989 durch gesetzliche Änderung die Straßenreinigungsentgelte nicht mehr nach dem Frontmetermaßstab, sondern nach der Grundstücksfläche. Ziel der damaligen Gesetzgebung war es ausdrücklich, daß auch Hinterlieger an den Kosten der Straßenreinigung beteiligt werden sollten. In Berlin gibt es aber zahlreiche Grundstückseigentümer, deren Grundstücke nicht durch eine öffentliche Straße, sondern durch sogenannte Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs erschlossen sind, die aber natürlich irgendwo in öffentliche Straßen münden. Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe haben, gestützt auf eine Entscheidung des Kammergerichts vom 23. Oktober 2003 - 8 U 76/03 -, auch von den Anliegern an Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs seit ein paar Jahren Straßenreinigungsentgelte erhoben. Der gesamte juristische Streitstoff ist in GE gründlich aufgearbeitet worden – zum einen durch den damaligen BSR-Syndikus Thärichen (vgl. GE 2005, 112), zum anderen – als Gegenposition – durch Anlauf (GE 2005, 277). Das KG hat sich jetzt nach Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung letztlich der Rechtsposition von Anlauf angeschlossen.

Das Urteil: Das Gericht verweist darauf, daß grundsätzlich nur Anlieger oder Hinterlieger einer der im Straßeneinigungsverzeichnis A oder B von Berlin aufgeführten öffentlichen Straßen verpflichtet sind, Straßenreinigungsentgelte zu zahlen. Anlieger von Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs seien weder Anlieger noch Hinterlieger in diesem Sinne. Das Gericht folgte auch nicht dem von den BSR letztlich noch ins Spiel gebrachten Argument, eine Privatstraße des öffentlichen Verkehrs sei zumindest eine Zufahrt zu einer öffentlichen Straße. Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs seien keine Zufahrt, sondern Straßen, die tatsächlich öffentlich genutzt würden. Die Anlieger solcher Straßen hätten schließlich auch per Gesetz die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Reinigung dieser Straßen. Die Verpflichtung gehe über diejenigen hinaus, die Grundstückseigentümer aufgrund privater Verkehrssicherungspflichten oblägen. Hätten sie dann über diese (private) Straßenreinigungspflicht hinaus auch noch zusätzlich Straßenreinigungsentgelte zu bezahlen, würde das, so das Kammergericht, auch gegen das in Art. 3 GG verankerte Gleichheitsgebot verstoßen, da sie willkürlich doppelt belastet würden. Das Kammergericht zog in diesem Zusammenhang auch den naheliegenden Vergleich zu den Anliegern solcher Straßen, die im Straßenreinigungsverzeichnis C aufgeführt sind. Auch diese Eigentümer sind verpflichtet, ihre Straßen selbst zu reinigen, werden aber nicht zu Straßenreinigungsentgelten herangezogen. Eine solche Ungleichbehandlung sei nicht zu rechtfertigen. Vernünftige Gründe für eine derartige Ungleichbehandlung seien nicht ersichtlich.
Das Kammergericht hat – unerwartet – Revision zugelassen; gegen eine solche spricht der eindeutige Wortlaut des § 445 Abs. 1 ZPO, wonach Revision nur darauf gestützt werden kann, daß eine Entscheidung entweder Bundesrecht verletzt oder eine Vorschrift, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt. Auch letzteres spricht nicht für eine Revisionszulassung. Das Kammergericht hat – vorsichtshalber – Revision wegen einer durch die Zivilprozeßnovelle 2002 entstandenen Begriffsungenauigkeit zugelassen.

KG, Urteil vom 7. Juni 2007 - 8 U 179/06 - Wortlaut Seite 910