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Versteckte Verschlechterung im neuen Mietrechtsentwurf
Klein, aber unfein
06.10.2000 (GE 11/2000, 701) Ausgerechnet die mit ihren bisherigen Gesetzesvorhaben nicht sehr glücklich agierende rot-grüne Koalition plant die radikalste Mietrechtsreform aller Zeiten – die kann nur schiefgehen, vor allem für Vermieter.
Wir beginnen in dieser Ausgabe mit einer Analyse des „Reformvorhabens“.
Über eine Reform des Wohnraummietrechts wird bereits seit vielen Jahren diskutiert, mit mehr oder weniger deutlichen Aussagen. Inzwischen scheint die Sache aber konkreter zu werden, wie sich auch aus der steigenden Zahl von Presseartikeln und Stellungnahmen zu diesem Thema ergibt. Bisheriger Gipfelpunkt ist der Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz)“, der am 20. März 2000 durch das Bundesjustizministerium veröffentlicht wurde. Hier sind die beabsichtigten Gesetzesänderungen bereits so fein und detailliert ausformuliert, daß von der ernsten Absicht ausgegangen werden muß, diesen Entwurf - mehr oder weniger unverändert - zum Gesetz werden zu lassen.
Daß dieser Gesetzentwurf zu einer Neugliederung des Mietrechts führt, ist unbestreitbar – schon in der Paragraphenfolge bleibt „kein Stein auf dem anderen“. Wenn dieser Entwurf Gesetz wird, wird man sich an eine völlig neue Numerierung der Vorschriften gewöhnen müssen. Ob dieser Entwurf zu einer Vereinfachung führen wird, kann bereits mit Fug und Recht bezweifelt werden. Zwar kann nicht geleugnet werden, daß das Wohnraummietrecht bereits heute unübersichtlich und schwer verständlich ist – ob sich hieran jedoch durch die Einführung des jetzt vorliegenden Referentenentwurfs als neues Mietrecht etwas ändert, ist sehr fraglich. Enthalten ist in diesem Entwurf auch eine Reform des Mietrechts. Und diese wird, wenn der Entwurf unverändert zum Gesetz wird, wieder einmal in großen Teilen zu Lasten des Vermieters gehen. Zwar mag zugegeben werden, daß einzelne Veränderungen dem Vermieter auch Vorteile bringen können. In wichtigen Bereichen jedoch wird sich die Rechtsposition des Vermieters (die auch zur Zeit schon nicht gerade üppig ist) noch weiter verschlechtern.
An dieser Stelle soll nicht auf die „großen“ Veränderungen eingegangen werden, mit denen der Vermieter rechnen muß. Über dieses Thema ist schon viel geschrieben und berichtet worden. Vielmehr enthält der Entwurf - häufig an versteckter Stelle und sehr unauffällig - auch eine ganze Reihe von „kleinen“ Verschlechterungen für den Vermieter, die man leicht übersieht und deshalb in ihren Konsequenzen nicht gleich erkennen kann. Diese kleinen und unauffälligen Verschlechterungen sollen nachfolgend beispielhaft angesprochen werden in der Absicht, den Blick des Vermieters auch für „Kleinigkeiten“ zu schärfen und ihn entsprechend zu sensibilisieren.
Mietkaution
Zur Zeit ist die Mietkaution in § 550 b BGB geregelt, nach dem jetzt vorliegenden Änderungsentwurf wird dies § 551 BGB werden. Bisher geht das Gesetz, wenn auch nicht direkt so ausgesprochen, vom Regelfall der Barkaution aus, also davon, daß der Mieter an den Vermieter einen gewissen Geldbetrag zahlt, den dieser entsprechend den gesetzlichen Regeln anzulegen hat. Andere Formen der Kaution sind durchaus denkbar, aber nicht ausdrücklich angesprochen, woraus man schließen darf, daß die Entscheidung über die Art der Kaution der Vermieter trifft.
Der neue § 551 BGB übernimmt im wesentlichen die gegenwärtige Regelung, wenn auch in sprachlich veränderter Form. Neu ist allerdings, daß der Mieter jetzt auch die Kaution in der Form leisten darf, „daß er dem Vermieter … einen tauglichen Bürgen stellt“. Nun war die Mietkaution in Form der (Bank-) Bürgschaft auch bisher möglich, jedoch mußte der Vermieter hiermit einverstanden sein. Aus dem Wortlaut der neuen Regelung ergibt sich, daß wohl in Zukunft der Mieter über die Form der Kaution entscheiden, dem Vermieter also auch gegen dessen Willen eine Bürgschaft aufzwingen kann. Hinzu kommt, daß der neue § 551 BGB nur von einem „tauglichen Bürgen“ spricht. Wer oder was das ist, regelt § 239 BGB: „Ein Bürge ist tauglich, wenn er ein der Höhe der zu leistenden Sicherheit angemessenes Vermögen besitzt und seinen allgemeinen Gerichtsstand im Inlande hat.“ Kein Wort von Bank-Bürgschaft, kein Wort von einer Zahlungsverpflichtung des Bürgen auf erstes Anfordern, kein Wort davon, daß die Solvenz des Bürgen auch für die Dauer des möglicherweise lange bestehenden Mietverhältnisses garantiert sein muß (was passiert eigentlich, wenn der Bürge während des Mietverhältnisses verstirbt?). Vielmehr wird nach dem Wortlaut des Mietrechtsreform-Entwurfs der Mieter in Zukunft fast jede Person, die mehr oder weniger zufällig im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gerade solvent erscheint, dem Vermieter als Bürgen „aufdrücken“ und damit seine Kautionsverpflichtung erfüllen können. Angesichts der gesetzlich auf einen relativ geringen Betrag begrenzten Höhe der Kaution wird es nur wenige Bürgen geben, deren Vermögen nicht einmal hierfür ausreicht und die deshalb nicht „tauglich“ sind. Und ob jeder Vermieter bereit ist, die Tauglichkeit des Bürgen und dessen Vermögensverhältnisse gerichtlich klären zu lassen, darf auch bezweifelt werden. Im Endergebnis wird jedenfalls das Recht des Vermieters, eine Mietkaution zu verlangen, ausgehöhlt und ganz erheblich entwertet werden.
Modernisierung
Das Recht des Vermieters, die Mietsache zu modernisieren, korrespondierend die Pflicht des Mieters, diese Modernisierung zu dulden, ist bisher in § 541 b BGB geregelt. Nach dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf soll dies in dem zukünftigen § 554 BGB geschehen. In dieser neuen Vorschrift wird auch der bisherige § 541 a BGB enthalten sein, der die Pflicht des Mieters zur Duldung von Instandhaltungsmaßnahmen bestimmt. Auf den ersten Blick sieht die neue Bestimmung der bisherigen recht ähnlich, in einzelnen Details verbessert sie die Position des Vermieters sogar etwas. Wenn man genauer hinsieht, fallen jedoch zumindest zwei Verschlechterungen auf.
Bisher kann der Mieter der Modernisierungsabsicht des Vermieters widersprechen, wenn die Modernisierung unter gewissen Umständen eine Härte bedeutet, und zwar für ihn oder seine Familie. Nach dem neuen Recht soll der Personenkreis, für den die Modernisierung eine Härte darstellt, nicht nur auf den Mieter und seine Familie begrenzt sein, sondern um „einen anderen Angehörigen“ des Mieterhaushalts erweitert werden. Wer ein solcher Angehöriger sein soll, welcher weitere Personenkreis betroffen sein kann, sagt das Gesetz nicht. Hier werden ohne Not Mißbrauchsmöglichkeiten geschaffen, mit denen sich dann später die Rechtsprechung herumschlagen darf. Und wenn man die tendenzielle Mieterfreundlichkeit der Mietgerichte kennt, ist zu befürchten, daß so manche an sich sinnvolle Modernisierungsabsicht des Vermieters an Härten für irgendwelche anderen Angehörigen des Mieterhaushalts scheitern wird.
Bisher muß der Vermieter seine Modernisierungsabsicht dem Mieter mindestens zwei Monate vor ihrer Realisierung formell korrekt ankündigen. An dieser Ankündigungspflicht soll sich grundsätzlich nichts ändern. Allerdings soll die Ankündigungsfrist zukünftig von zwei auf drei Monate verlängert werden. Warum eigentlich? Es ist schon jetzt schwierig genug, Handwerksfirmen auf zwei Monate im voraus zu terminieren und für diese Zeit eine Änderung der Preise auszuschließen. Wenn diese Frist noch um einen Monat verlängert wird, werden die Probleme des Vermieters nur vergrößert. Der modernisierungsunwillige Mieter, der die Handwerker einfach nicht in die Wohnung läßt (schließlich kann das Betreten nicht mit Gewalt erzwungen werden), muß auch noch zeitaufwendig auf Duldung der Modernisierung verklagt werden. So werden sinnvolle Maßnahmen unnötig verzögert. Wenn die Modernisierung von Wohnraum gewünscht wird, nicht zuletzt auch im Interesse des Erhalts von Arbeitsplätzen im Baugewerbe, ist es kontraproduktiv, die Voraussetzungen zu verschärfen, auch durch eine - für sich genommen harmlos erscheinende - Verlängerung der Ankündigungsfrist.
Eine unauffällige Fristverlängerung gibt es auch bei der Modernisierungsmieterhöhung, die nach Abschluß der Maßnahme möglich ist und - in deutlich verschlechterter Form - auch in Zukunft möglich bleiben soll. Zur Zeit wird nach § 3 Abs. 4 MHG die Mieterhöhung wirksam mit „dem Beginn des auf die Erklärung folgenden übernächsten Monats“. Im neuen § 559 b Abs. 2 BGB heißt es: „Der Mieter schuldet die erhöhte Miete mit Beginn des dritten Monats nach dem Zugang der Erklärung.“ Hier ist die sprachliche Umgestaltung der Fristenregelung zusätzlich dazu ausgenutzt worden, klammheimlich den Vermieter einen Monat später in den Genuß der Modernisierungsmieterhöhung kommen zu lassen. Warum eigentlich? Soll vielleicht doch durch das zeitraubende und umständliche Verfahren die Modernisierungsfreude gedämpft werden? Oder soll nur erreicht werden, daß der Vermieter zwar zunächst einmal auf seine Kosten modernisiert, aber der Mieter (der davon profitiert) dafür nur eine möglichst geringe Gegenleistung erbringen muß?
Zahlungsverzug
Nach gegenwärtig geltendem Recht kann der Vermieter gem. § 554 BGB das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn der Mieter erheblich in Mietzahlungsverzug geraten ist, was in der Praxis meistens bei zwei rückständigen Monatsmieten der Fall ist. Dies soll auch künftig grundsätzlich möglich sein, und zwar nach § 543 Abs. 2 Ziff. 3 BGB in der Fassung des Reformentwurfs. Die Möglichkeit des Wohnraummieters, diese Kündigung durch Nachzahlung des Rückstands bzw. Verpflichtung einer „öffentlichen Stelle“ (in der Regel des Sozialamts) unwirksam zu machen, ist zur Zeit in § 554 Abs. 2 Ziff. 2 BGB enthalten und wird sich künftig in § 569 Abs. 3 Ziff. 2 BGB wiederfinden.
Auch hier ist eine Fristverlängerung versteckt, die den Vermieter in vielen Fällen Geld kosten, nämlich seinen ohnehin schon beträchtlichen Schaden erhöhen wird.
Zur Zeit ist es so, daß der Mieter die oben genannte sog. Abwendungsbefugnis (Nachzahlung des Mietrückstands bzw. Übernahme durch das Sozialamt) bis spätestens einen Monat nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage hat. Rechtshängig ist die Klage dann, wenn die Klageschrift dem Mieter zugestellt ist. Diese Frist soll von einem Monat auf zwei Monate verdoppelt werden. Zunächst einmal erscheint diese Fristverlängerung nicht sonderlich dramatisch: Ob der Mieter einen Monat früher oder später seinen
Gesamtrückstand ausgleicht, ob das Sozialamt einen Monat früher oder später diesen Rückstand übernimmt, scheint relativ egal zu sein - der Rückstand ist ausgeglichen und der Vermieter hat seine Mieter. Nur: In der Praxis ist die Nachzahlung durch den Mieter oder eine Kostenübernahme durch das Sozialamt durchaus nicht der Regelfall. In der Praxis sieht es meistens anders aus: Der Mieter gerät in Mietzahlungsverzug, der Vermieter klagt auf Räumung (oft vergeblich auch auf Zahlung des Rückstands), der Mieter zahlt - wegen Zahlungsunfähigkeit - auch weiterhin nicht, irgendwann ergeht einmal ein Räumungsurteil, der Mieter zahlt weiterhin nicht und zieht auch nicht aus, schließlich vollzieht der Gerichtsvollzieher nach Zahlung eines happigen Vorschusses durch den Vermieter das Urteil und räumt die Wohnung zwangsweise. Das ganze Verfahren dauert viele Monate, in denen der Vermieter keinen Pfennig Miete erhält, meistens ohne die geringste Aussicht, seinen Schaden irgendwann einmal ersetzt zu bekommen. Wenn jetzt der Entwurf des Änderungsgesetzes die Frist der Abwendungsbefugnis des Mieters verlängert, wird dies dazu führen, daß das Gericht, das schließlich diese Chance des Mieters berücksichtigen muß, die mündliche Verhandlung über die Räumungsklage noch später als bisher terminieren wird, mit der Folge, daß das Räumungsurteil noch später ergehen wird und sich das ganze Verfahren noch länger hinzieht. Der Vermieter wird also im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Mieters einen noch größeren (Mietausfall-) Schaden erleiden. Warum eigentlich? Warum kommt der Gesetzgeber nicht endlich einmal auf die Idee, Regelungen zu finden, die den Schaden des gesetzes- und vertragstreuen Vermieters auf ein Minimum beschränken, statt mit immer ausgedehnteren „Mieterschutzbestimmungen“ diesen Schaden zu vergrößern? Wenn man diese Tendenz mit der Entwertung der Mietkaution in Beziehung setzt, kann man eigentlich nur noch den Schluß ziehen, daß der Schutz des Vermieters als Gläubiger dem Gesetzgeber völlig gleichgültig ist.
Zweifamilienhaus
Nach § 564 b Abs. 4 BGB ist es zur Zeit möglich, das Mietverhältnis vermieterseits ohne Angabe eines berechtigten Interesses (also unter erleichterten Bedingungen) zu kündigen, wenn es sich um ein Mietverhältnis „in einem vom Vermieter selbst bewohnten Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen“ handelt. Dieses Sonderkündigungsrecht soll erhalten bleiben - es ist in dem neuen § 573 a BGB geregelt.
Der bisherige § 564 b Abs. 4 BGB geht aber noch weiter: Dort ist diese erleichterte Kündigungsmöglichkeit auch für den Fall vorgesehen, daß ein ursprüngliches Zweifamilienhaus durch Ausbau oder Erweiterung in der Zeit zwischen dem 1. Juni 1990 und dem 31. Mai 1999 zu einem vom Vermieter mitbewohnten Dreifamilienhaus geworden ist. Hintergrund dieser Regelung war, daß in Zeiten der Wohnungsknappheit Anfang der 90er Jahre Eigentümer von Zweifamilienhäusern dazu animiert werden sollten, Reserven innerhalb ihres Hauses (z. B. nicht ausgebaute Dachspeicher) zur Schaffung weiteren Wohnraums zu nutzen, ohne daß ihnen die Privilegierung des § 564 b Abs. 4 BGB verlorengehen sollte.
Wer dieser damaligen Intention des Gesetzgebers gefolgt ist, sieht sich jetzt getäuscht: Die gegenwärtig bestehende Privilegierung auch des Vermieters im erweiterten Zweifamilienhaus ist in dem beabsichtigten § 573 a BGB nicht mehr enthalten. Jetzt auf einmal soll ein solches Haus wie jedes andere Mehrfamilienhaus auch behandelt werden, mit der Folge, daß der hiervon betroffene Vermieter sein Sonderkündigungsrecht verliert. Man kann es überspitzt auch so ausdrücken: Erst wird der Vermieter mit dem Versprechen, bezüglich des Kündigungsrechts werde sich seine Position nicht verschlechtern, zur Schaffung weiteren Wohnraums in seinem Zweifamilienhaus geködert, im Vertrauen auf diese Zusage schafft er den politisch gewollten zusätzlichen Wohnraum, dann auf einmal heißt es: „Ätsch - hereingefallen!“ Mit einer simplen Gesetzesänderung werden frühere Zusicherungen zunichte gemacht. Wieweit dies verfassungsrechtlich zulässig ist, mag man einmal dahingestellt sein lassen - dem Vertrauen in die Rechtssicherheit ist ein solches Vorgehen aber sicherlich nicht dienlich. Mit dem neuen § 573 a BGB werden alle Vermieter bestraft, die im Vertrauen auf den alten § 564 b Abs. 4 BGB im Gefühl sozialer Verantwortung in ihrem selbstbewohnten Zweifamilienhaus im letzten Jahrzehnt eine dritte Wohnung zur Vermietung (mit erheblichem Kostenaufwand) geschaffen haben.
Fazit
Die beabsichtigte Änderung des Wohnraummietrechts enthält neben einigen Verbesserungen für den Vermieter noch mehr Nachteile. Dabei darf man sein Augenmerk nicht nur auf die „großen“ Veränderungen richteten, über die in der nächsten Zeit sicherlich noch viel geredet werden wird. Die Gefahr besteht darin, daß in der Diskussion über diese Themen die zahlreichen „kleinen“ Verschlechterungen für den Vermieter, die hier nur beispielhaft angesprochen werden konnten, unter die Räder kommen und unbeachtet bleiben. Aber gerade diese spielen in der Praxis eine große Rolle und dürfen nicht unterschätzt werden. Entsprechend wichtig ist es, den Reformentwurf (und etwaige Nachfolger) auch auf kleine und unauffällige Veränderungen kritisch zu untersuchen.
Über eine Reform des Wohnraummietrechts wird bereits seit vielen Jahren diskutiert, mit mehr oder weniger deutlichen Aussagen. Inzwischen scheint die Sache aber konkreter zu werden, wie sich auch aus der steigenden Zahl von Presseartikeln und Stellungnahmen zu diesem Thema ergibt. Bisheriger Gipfelpunkt ist der Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz)“, der am 20. März 2000 durch das Bundesjustizministerium veröffentlicht wurde. Hier sind die beabsichtigten Gesetzesänderungen bereits so fein und detailliert ausformuliert, daß von der ernsten Absicht ausgegangen werden muß, diesen Entwurf - mehr oder weniger unverändert - zum Gesetz werden zu lassen.
Daß dieser Gesetzentwurf zu einer Neugliederung des Mietrechts führt, ist unbestreitbar – schon in der Paragraphenfolge bleibt „kein Stein auf dem anderen“. Wenn dieser Entwurf Gesetz wird, wird man sich an eine völlig neue Numerierung der Vorschriften gewöhnen müssen. Ob dieser Entwurf zu einer Vereinfachung führen wird, kann bereits mit Fug und Recht bezweifelt werden. Zwar kann nicht geleugnet werden, daß das Wohnraummietrecht bereits heute unübersichtlich und schwer verständlich ist – ob sich hieran jedoch durch die Einführung des jetzt vorliegenden Referentenentwurfs als neues Mietrecht etwas ändert, ist sehr fraglich. Enthalten ist in diesem Entwurf auch eine Reform des Mietrechts. Und diese wird, wenn der Entwurf unverändert zum Gesetz wird, wieder einmal in großen Teilen zu Lasten des Vermieters gehen. Zwar mag zugegeben werden, daß einzelne Veränderungen dem Vermieter auch Vorteile bringen können. In wichtigen Bereichen jedoch wird sich die Rechtsposition des Vermieters (die auch zur Zeit schon nicht gerade üppig ist) noch weiter verschlechtern.
An dieser Stelle soll nicht auf die „großen“ Veränderungen eingegangen werden, mit denen der Vermieter rechnen muß. Über dieses Thema ist schon viel geschrieben und berichtet worden. Vielmehr enthält der Entwurf - häufig an versteckter Stelle und sehr unauffällig - auch eine ganze Reihe von „kleinen“ Verschlechterungen für den Vermieter, die man leicht übersieht und deshalb in ihren Konsequenzen nicht gleich erkennen kann. Diese kleinen und unauffälligen Verschlechterungen sollen nachfolgend beispielhaft angesprochen werden in der Absicht, den Blick des Vermieters auch für „Kleinigkeiten“ zu schärfen und ihn entsprechend zu sensibilisieren.
Mietkaution
Zur Zeit ist die Mietkaution in § 550 b BGB geregelt, nach dem jetzt vorliegenden Änderungsentwurf wird dies § 551 BGB werden. Bisher geht das Gesetz, wenn auch nicht direkt so ausgesprochen, vom Regelfall der Barkaution aus, also davon, daß der Mieter an den Vermieter einen gewissen Geldbetrag zahlt, den dieser entsprechend den gesetzlichen Regeln anzulegen hat. Andere Formen der Kaution sind durchaus denkbar, aber nicht ausdrücklich angesprochen, woraus man schließen darf, daß die Entscheidung über die Art der Kaution der Vermieter trifft.
Der neue § 551 BGB übernimmt im wesentlichen die gegenwärtige Regelung, wenn auch in sprachlich veränderter Form. Neu ist allerdings, daß der Mieter jetzt auch die Kaution in der Form leisten darf, „daß er dem Vermieter … einen tauglichen Bürgen stellt“. Nun war die Mietkaution in Form der (Bank-) Bürgschaft auch bisher möglich, jedoch mußte der Vermieter hiermit einverstanden sein. Aus dem Wortlaut der neuen Regelung ergibt sich, daß wohl in Zukunft der Mieter über die Form der Kaution entscheiden, dem Vermieter also auch gegen dessen Willen eine Bürgschaft aufzwingen kann. Hinzu kommt, daß der neue § 551 BGB nur von einem „tauglichen Bürgen“ spricht. Wer oder was das ist, regelt § 239 BGB: „Ein Bürge ist tauglich, wenn er ein der Höhe der zu leistenden Sicherheit angemessenes Vermögen besitzt und seinen allgemeinen Gerichtsstand im Inlande hat.“ Kein Wort von Bank-Bürgschaft, kein Wort von einer Zahlungsverpflichtung des Bürgen auf erstes Anfordern, kein Wort davon, daß die Solvenz des Bürgen auch für die Dauer des möglicherweise lange bestehenden Mietverhältnisses garantiert sein muß (was passiert eigentlich, wenn der Bürge während des Mietverhältnisses verstirbt?). Vielmehr wird nach dem Wortlaut des Mietrechtsreform-Entwurfs der Mieter in Zukunft fast jede Person, die mehr oder weniger zufällig im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gerade solvent erscheint, dem Vermieter als Bürgen „aufdrücken“ und damit seine Kautionsverpflichtung erfüllen können. Angesichts der gesetzlich auf einen relativ geringen Betrag begrenzten Höhe der Kaution wird es nur wenige Bürgen geben, deren Vermögen nicht einmal hierfür ausreicht und die deshalb nicht „tauglich“ sind. Und ob jeder Vermieter bereit ist, die Tauglichkeit des Bürgen und dessen Vermögensverhältnisse gerichtlich klären zu lassen, darf auch bezweifelt werden. Im Endergebnis wird jedenfalls das Recht des Vermieters, eine Mietkaution zu verlangen, ausgehöhlt und ganz erheblich entwertet werden.
Modernisierung
Das Recht des Vermieters, die Mietsache zu modernisieren, korrespondierend die Pflicht des Mieters, diese Modernisierung zu dulden, ist bisher in § 541 b BGB geregelt. Nach dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf soll dies in dem zukünftigen § 554 BGB geschehen. In dieser neuen Vorschrift wird auch der bisherige § 541 a BGB enthalten sein, der die Pflicht des Mieters zur Duldung von Instandhaltungsmaßnahmen bestimmt. Auf den ersten Blick sieht die neue Bestimmung der bisherigen recht ähnlich, in einzelnen Details verbessert sie die Position des Vermieters sogar etwas. Wenn man genauer hinsieht, fallen jedoch zumindest zwei Verschlechterungen auf.
Bisher kann der Mieter der Modernisierungsabsicht des Vermieters widersprechen, wenn die Modernisierung unter gewissen Umständen eine Härte bedeutet, und zwar für ihn oder seine Familie. Nach dem neuen Recht soll der Personenkreis, für den die Modernisierung eine Härte darstellt, nicht nur auf den Mieter und seine Familie begrenzt sein, sondern um „einen anderen Angehörigen“ des Mieterhaushalts erweitert werden. Wer ein solcher Angehöriger sein soll, welcher weitere Personenkreis betroffen sein kann, sagt das Gesetz nicht. Hier werden ohne Not Mißbrauchsmöglichkeiten geschaffen, mit denen sich dann später die Rechtsprechung herumschlagen darf. Und wenn man die tendenzielle Mieterfreundlichkeit der Mietgerichte kennt, ist zu befürchten, daß so manche an sich sinnvolle Modernisierungsabsicht des Vermieters an Härten für irgendwelche anderen Angehörigen des Mieterhaushalts scheitern wird.
Bisher muß der Vermieter seine Modernisierungsabsicht dem Mieter mindestens zwei Monate vor ihrer Realisierung formell korrekt ankündigen. An dieser Ankündigungspflicht soll sich grundsätzlich nichts ändern. Allerdings soll die Ankündigungsfrist zukünftig von zwei auf drei Monate verlängert werden. Warum eigentlich? Es ist schon jetzt schwierig genug, Handwerksfirmen auf zwei Monate im voraus zu terminieren und für diese Zeit eine Änderung der Preise auszuschließen. Wenn diese Frist noch um einen Monat verlängert wird, werden die Probleme des Vermieters nur vergrößert. Der modernisierungsunwillige Mieter, der die Handwerker einfach nicht in die Wohnung läßt (schließlich kann das Betreten nicht mit Gewalt erzwungen werden), muß auch noch zeitaufwendig auf Duldung der Modernisierung verklagt werden. So werden sinnvolle Maßnahmen unnötig verzögert. Wenn die Modernisierung von Wohnraum gewünscht wird, nicht zuletzt auch im Interesse des Erhalts von Arbeitsplätzen im Baugewerbe, ist es kontraproduktiv, die Voraussetzungen zu verschärfen, auch durch eine - für sich genommen harmlos erscheinende - Verlängerung der Ankündigungsfrist.
Eine unauffällige Fristverlängerung gibt es auch bei der Modernisierungsmieterhöhung, die nach Abschluß der Maßnahme möglich ist und - in deutlich verschlechterter Form - auch in Zukunft möglich bleiben soll. Zur Zeit wird nach § 3 Abs. 4 MHG die Mieterhöhung wirksam mit „dem Beginn des auf die Erklärung folgenden übernächsten Monats“. Im neuen § 559 b Abs. 2 BGB heißt es: „Der Mieter schuldet die erhöhte Miete mit Beginn des dritten Monats nach dem Zugang der Erklärung.“ Hier ist die sprachliche Umgestaltung der Fristenregelung zusätzlich dazu ausgenutzt worden, klammheimlich den Vermieter einen Monat später in den Genuß der Modernisierungsmieterhöhung kommen zu lassen. Warum eigentlich? Soll vielleicht doch durch das zeitraubende und umständliche Verfahren die Modernisierungsfreude gedämpft werden? Oder soll nur erreicht werden, daß der Vermieter zwar zunächst einmal auf seine Kosten modernisiert, aber der Mieter (der davon profitiert) dafür nur eine möglichst geringe Gegenleistung erbringen muß?
Zahlungsverzug
Nach gegenwärtig geltendem Recht kann der Vermieter gem. § 554 BGB das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn der Mieter erheblich in Mietzahlungsverzug geraten ist, was in der Praxis meistens bei zwei rückständigen Monatsmieten der Fall ist. Dies soll auch künftig grundsätzlich möglich sein, und zwar nach § 543 Abs. 2 Ziff. 3 BGB in der Fassung des Reformentwurfs. Die Möglichkeit des Wohnraummieters, diese Kündigung durch Nachzahlung des Rückstands bzw. Verpflichtung einer „öffentlichen Stelle“ (in der Regel des Sozialamts) unwirksam zu machen, ist zur Zeit in § 554 Abs. 2 Ziff. 2 BGB enthalten und wird sich künftig in § 569 Abs. 3 Ziff. 2 BGB wiederfinden.
Auch hier ist eine Fristverlängerung versteckt, die den Vermieter in vielen Fällen Geld kosten, nämlich seinen ohnehin schon beträchtlichen Schaden erhöhen wird.
Zur Zeit ist es so, daß der Mieter die oben genannte sog. Abwendungsbefugnis (Nachzahlung des Mietrückstands bzw. Übernahme durch das Sozialamt) bis spätestens einen Monat nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage hat. Rechtshängig ist die Klage dann, wenn die Klageschrift dem Mieter zugestellt ist. Diese Frist soll von einem Monat auf zwei Monate verdoppelt werden. Zunächst einmal erscheint diese Fristverlängerung nicht sonderlich dramatisch: Ob der Mieter einen Monat früher oder später seinen
Gesamtrückstand ausgleicht, ob das Sozialamt einen Monat früher oder später diesen Rückstand übernimmt, scheint relativ egal zu sein - der Rückstand ist ausgeglichen und der Vermieter hat seine Mieter. Nur: In der Praxis ist die Nachzahlung durch den Mieter oder eine Kostenübernahme durch das Sozialamt durchaus nicht der Regelfall. In der Praxis sieht es meistens anders aus: Der Mieter gerät in Mietzahlungsverzug, der Vermieter klagt auf Räumung (oft vergeblich auch auf Zahlung des Rückstands), der Mieter zahlt - wegen Zahlungsunfähigkeit - auch weiterhin nicht, irgendwann ergeht einmal ein Räumungsurteil, der Mieter zahlt weiterhin nicht und zieht auch nicht aus, schließlich vollzieht der Gerichtsvollzieher nach Zahlung eines happigen Vorschusses durch den Vermieter das Urteil und räumt die Wohnung zwangsweise. Das ganze Verfahren dauert viele Monate, in denen der Vermieter keinen Pfennig Miete erhält, meistens ohne die geringste Aussicht, seinen Schaden irgendwann einmal ersetzt zu bekommen. Wenn jetzt der Entwurf des Änderungsgesetzes die Frist der Abwendungsbefugnis des Mieters verlängert, wird dies dazu führen, daß das Gericht, das schließlich diese Chance des Mieters berücksichtigen muß, die mündliche Verhandlung über die Räumungsklage noch später als bisher terminieren wird, mit der Folge, daß das Räumungsurteil noch später ergehen wird und sich das ganze Verfahren noch länger hinzieht. Der Vermieter wird also im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Mieters einen noch größeren (Mietausfall-) Schaden erleiden. Warum eigentlich? Warum kommt der Gesetzgeber nicht endlich einmal auf die Idee, Regelungen zu finden, die den Schaden des gesetzes- und vertragstreuen Vermieters auf ein Minimum beschränken, statt mit immer ausgedehnteren „Mieterschutzbestimmungen“ diesen Schaden zu vergrößern? Wenn man diese Tendenz mit der Entwertung der Mietkaution in Beziehung setzt, kann man eigentlich nur noch den Schluß ziehen, daß der Schutz des Vermieters als Gläubiger dem Gesetzgeber völlig gleichgültig ist.
Zweifamilienhaus
Nach § 564 b Abs. 4 BGB ist es zur Zeit möglich, das Mietverhältnis vermieterseits ohne Angabe eines berechtigten Interesses (also unter erleichterten Bedingungen) zu kündigen, wenn es sich um ein Mietverhältnis „in einem vom Vermieter selbst bewohnten Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen“ handelt. Dieses Sonderkündigungsrecht soll erhalten bleiben - es ist in dem neuen § 573 a BGB geregelt.
Der bisherige § 564 b Abs. 4 BGB geht aber noch weiter: Dort ist diese erleichterte Kündigungsmöglichkeit auch für den Fall vorgesehen, daß ein ursprüngliches Zweifamilienhaus durch Ausbau oder Erweiterung in der Zeit zwischen dem 1. Juni 1990 und dem 31. Mai 1999 zu einem vom Vermieter mitbewohnten Dreifamilienhaus geworden ist. Hintergrund dieser Regelung war, daß in Zeiten der Wohnungsknappheit Anfang der 90er Jahre Eigentümer von Zweifamilienhäusern dazu animiert werden sollten, Reserven innerhalb ihres Hauses (z. B. nicht ausgebaute Dachspeicher) zur Schaffung weiteren Wohnraums zu nutzen, ohne daß ihnen die Privilegierung des § 564 b Abs. 4 BGB verlorengehen sollte.
Wer dieser damaligen Intention des Gesetzgebers gefolgt ist, sieht sich jetzt getäuscht: Die gegenwärtig bestehende Privilegierung auch des Vermieters im erweiterten Zweifamilienhaus ist in dem beabsichtigten § 573 a BGB nicht mehr enthalten. Jetzt auf einmal soll ein solches Haus wie jedes andere Mehrfamilienhaus auch behandelt werden, mit der Folge, daß der hiervon betroffene Vermieter sein Sonderkündigungsrecht verliert. Man kann es überspitzt auch so ausdrücken: Erst wird der Vermieter mit dem Versprechen, bezüglich des Kündigungsrechts werde sich seine Position nicht verschlechtern, zur Schaffung weiteren Wohnraums in seinem Zweifamilienhaus geködert, im Vertrauen auf diese Zusage schafft er den politisch gewollten zusätzlichen Wohnraum, dann auf einmal heißt es: „Ätsch - hereingefallen!“ Mit einer simplen Gesetzesänderung werden frühere Zusicherungen zunichte gemacht. Wieweit dies verfassungsrechtlich zulässig ist, mag man einmal dahingestellt sein lassen - dem Vertrauen in die Rechtssicherheit ist ein solches Vorgehen aber sicherlich nicht dienlich. Mit dem neuen § 573 a BGB werden alle Vermieter bestraft, die im Vertrauen auf den alten § 564 b Abs. 4 BGB im Gefühl sozialer Verantwortung in ihrem selbstbewohnten Zweifamilienhaus im letzten Jahrzehnt eine dritte Wohnung zur Vermietung (mit erheblichem Kostenaufwand) geschaffen haben.
Fazit
Die beabsichtigte Änderung des Wohnraummietrechts enthält neben einigen Verbesserungen für den Vermieter noch mehr Nachteile. Dabei darf man sein Augenmerk nicht nur auf die „großen“ Veränderungen richteten, über die in der nächsten Zeit sicherlich noch viel geredet werden wird. Die Gefahr besteht darin, daß in der Diskussion über diese Themen die zahlreichen „kleinen“ Verschlechterungen für den Vermieter, die hier nur beispielhaft angesprochen werden konnten, unter die Räder kommen und unbeachtet bleiben. Aber gerade diese spielen in der Praxis eine große Rolle und dürfen nicht unterschätzt werden. Entsprechend wichtig ist es, den Reformentwurf (und etwaige Nachfolger) auch auf kleine und unauffällige Veränderungen kritisch zu untersuchen.
Autor: Gerald Steinig