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Kleihues Stummel darf wachsen
18.06.2007 (GE 11/2007, Seite 736) Die KapHag-Macher Dr. Gernot Moegelin und Dr. H. Jürgen Tiemann gehörten schon immer zu den eher unaufgeregten, aber weitsichtigen Immobilienunternehmern Berlins. Ihr nach den Plänen des Architekten Josef Paul Kleihues erbautes Hochhäuschen an der Ecke Kant-/Fasanenstraße (das mit dem Segel auf dem Dach) war schon immer höher geplant als seine jetzigen 54 m.
Schon Anfang der 90er wollten die KapHag-Leute dort ein richtiges Hochhaus bauen, scheiterten aber an den Provinzlern im Charlottenburger Bezirksamt. Und auch nachdem der Stummelbau fertig und das markante Segel auf dem Dach war, blieb den KapHag-Machern der Ärger mit dem Bezirksamt treu: Das Dachsegel auf dem Stummelhochhaus, eine Art überdimensionierte Windfahne, sollte als Werbeträger benutzt und mit dem Emblem der damals noch landeseigenen Feuersozietät geziert werden, doch der Bezirk verbots und war damit bei Gericht erstinstanzlich auch erfolgreich. Inzwischen darf der Schriftzug von Vattenfall darauf prangen, weil Werbung auf dem Segel im Bebauungsplan nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden war. Nun soll, mit dem Segen des Bezirksamtes, per Bebauungsplanänderung der Stummel von 54 auf 72 m wachsen und damit das nebenstehende und von Helmut Jahn entworfene neue Kranzler-Eck sogar um 12 m überragen dürfen. Freilich wollen die Bezirkspolitiker Motto: Aus kleinen Karos werden nie große Karos im Gegenzug das Werbeverbot auf dem Segel in der Änderungsplanung verankern. Das ist so eine Art Kant-dreieckiger Imperativ: Erhöhe die Renditechance für Investoren durch Zulassung einer stärkeren Grundstücksausnutzung nur, wenn du sie durch einen kleinen Tritt in den Hintern daran erinnern kannst, daß du der Herr im Hause bist. Auf dem fußläufig entfernten Europa-Center dreht sich seit Jahrzehnten der Stern von Mercedes und gehört seit ebenso langer Zeit zum unvergeßlichen Repertoire von Bildern, das Besucher Berlins in ihren Erinnerungen aufbewahren. Aber was solls. Parlamentarier, auch die in Bezirksverordnetenversammlungen, werden nach der Verfassung nicht fürs Denken, sondern für ihr Gewissen bezahlt. Das ist entweder nicht vorhanden oder unerforschlich.
Autor: Dieter Blümmel