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Ein Schatz, den keiner will
18.06.2007 (GE 11/2007, Seite 737) In den seligen Zeiten, als der Berliner Haushalt sich überwiegend aus Bundeshilfen speiste und in der Spree noch Milch und Honig flossen, gab es in der Stadt ein bei einer Senatsverwaltung angesiedeltes Referat mit dem schönen Titel "Soziale Künstlerförderung".

Ein Schatz, den keiner will

Gefördert wurde praktisch jeder, der einen Pinsel halten und damit etwas Farbe auf eine Leinwand schmieren konnte. In der Regel reichte es, wenn ein Künstler einmal im Jahr eine Arbeit abgab, um eine Förderung zwischen 5.000 und 12.000 DM zu erhalten. Im Laufe der Zeit kam auf diese Weise eine riesige "Kunstsammlung" zustande, die, überwiegend wohl zu Recht, ein wenig beachtetes Dasein in irgendwelchen öffentlichen Lagerhäusern fristete. Einmal im Jahr bat das Referat zu einer großen Versteigerung, und ein paar hundert aus den tausenden von Arbeiten fanden dann für kleines Geld neue Besitzer – oder auch nicht. Nachdem Milch und Honig versiegt waren, ging es auch der sozialen Künstlerförderung an den Kragen, man besann sich auf marktwirtschaftliche Strukturen und mutete den Künstlern zu, die Werke direkt beim Volk loszuwerden. Die riesigen Kunstbestände nebst einigem Personal drückte man der Investitionsbank Berlin aufs Auge – so wie das Porzellan samt Königlich-Preußischer Porzellanmanufaktur (KPM). Die IBBler konnten mit den fast 14.000 Exponaten auch nichts Rechtes anfangen, was vermutlich eher an den Exponaten als an der IBB lag. Ende 2004 schließlich gab das Abgeordnetenhaus dem Senat die Aufgabe, ein Konzept über die Erhaltung der Kunstsammlung aus dem Bestand der sozialen Künstlerförderung vorzulegen. Man beschloß eine großzügige Verteilung auf Landesmuseen (Berlinische Galerie und Stiftung Stadtmuseum) sowie die bezirklichen Graphotheken in Reinickendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf. Die wollten aber gar nicht alles haben, 5.000 Werke blieben übrig. Und jetzt kommt der Knaller: Der Berliner Senat fragte doch tatsächlich die beiden größten Kunstauktionshäuser dieser Erde, Christie’s und Sotheby’s, ob die das nicht versteigern würden. Man konnte das Wiehern von der Themse bis an die Spree hören: Eine Verwertung der Sammlung auf dem internationalen Kunstmarkt sei nicht realisierbar, lautete die höfliche Antwort der beiden Branchenriesen. Nun redet der Senat mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband darüber, wie man den Rest der Artothek erhalten, den Berliner Haushalt entlasten und um die Artothek herum Arbeitsplätze für Behinderte schaffen kann.
Autor: Dieter Blümmel