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Betriebskostenabrechnung: Vermieter irrte sich um 5.000 €
Bei Gewerberaum ist eine nachträgliche Korrektur fast immer ausgeschlossen
18.06.2007 (GE 11/2007, Seite 756) Hat der Gewerberaumvermieter eine Betriebskostenabrechnung erteilt und der Mieter den Saldo ausgeglichen, sind Vermieter und Mieter mit einer nachträglichen Korrektur der Abrechnung, die bereits vor dem Saldoausgleich durch gründliche Prüfung hätte offenbar werden können, ausgeschlossen, weil insoweit konkludent ein Anerkenntnisvertrag zustande gekommen ist, entschied das AG Brandenburg/Havel.
Der Fall: Die Klägerin betreibt ein Einkaufszentrum, in welchem die Beklagte zu 1) Gewerberäume gemietet hat. Die Beklagte zu 2) ist Mietbürgin. Am 16. Dezember 2004 rechnete die Klägerin über die Betriebskosten für 2001 bis 2003 ab, woraus sich eine Gesamtnachforderung von rd. 2.700 €. ergab. Im Anschreiben hieß es: "Sollten sich Rechnungen bzw. Kosten sowie Zählerstände im nachhinein ändern bzw. im nachhinein bei uns eingehen, behalten wir uns eine anteilige Nachberechnung vor." Nachdem die Beklagte zu 1) den Saldo ausgeglichen hatte, nahm die Klägerin unter dem 19. Dezember 2005 eine Abrechnungskorrektur vor, weil es bei der Verteilung der Heizkosten auf die einzelnen Mieter zu einer falschen Zuordnung gekommen war. Daraus resultierte nunmehr eine Nachforderung von insgesamt rd. 7.600 €. Wegen des Differenzbetrages erhob die Klägerin Zahlungsklage.

Das Urteil: Das Amtsgericht Brandenburg a. d. H. wies die Klage ab. Durch die Übermittlung der ursprünglichen Abrechnungen (= Angebot) und die daraufhin erfolgten Nachzahlungen (= Annahme) sei nämlich konkludent ein kausaler Anerkenntnisvertrag (sog. deklaratorisches Schuldanerkenntnis) zustande gekommen. Demzufolge sei jede Partei im Grundsatz mit solchen nachträglichen Einwänden ausgeschlossen, die bereits vor dem Saldoausgleich aufgrund gründlicher Prüfung hätten angebracht werden können. Insofern habe sich die unrichtige Verteilung der unverändert gebliebenen Heizkosten bereits der fehlerhaften Ausgangsrechnung entnehmen lassen. Eine Ausnahme hiervon gelte auch nicht angesichts des im Anschreiben gemachten Vorbehaltes, denn dieser habe gerade keine generelle Abänderungsmöglichkeit vorgesehen, sondern sich ausdrücklich nur auf nachträgliche Änderungen der zugrunde liegenden Rechnungen, Kosten und Zählerstände bezogen. Die (bloß) anderweitige Verteilung der konstant gebliebenen Heizkosten falle nicht darunter.

Anmerkung: 1. Die Entscheidung entspricht der bislang h. M., wonach in der Erteilung einer Nebenkostenabrechnung und dem vorbehaltlosen Ausgleich des Abrechnungssaldos regelmäßig ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis im Sin-ne der §§ 781, 782 BGB zu erblicken ist, mit der Folge, daß jede Mietpartei im Nachgang keine Einwendungen mehr erheben kann, die sie bereits bei Rechnungserteilung hätte vorbringen können (siehe Emmerich/Sonnenschein/Weitemeyer, 8. Aufl. 2003, § 556 BGB, Rdnr. 85 - m. w. N. in Fn. 459 f.). Während bei Gewerbemietverhältnissen kein triftiger Grund besteht, davon abzuweichen, ist fraglich, ob dies auch für Wohnraummietverhältnisse gelten kann.
a) Insofern besteht zunächst die Besonderheit, daß durch die Mietrechtsreform für den Bereich des preisfreien Wohnraums seitens des Vermieters eine Abrechnungsfrist und seitens des Mieters eine Einwendungsfrist von jeweils zwölf Monaten eingeführt wurde (§ 556 Abs. 3 S. 2 bzw. S. 5 BGB), deren Ablauf grundsätzlich zum Ausschluß von Nachforderungen des Vermieters respektive Einwendungen des Mieters führt (§ 556 Abs. 3 S. 3 bzw. S. 6 BGB). Daraus wird zum Teil gefolgert, daß entgegen der überkommenen h. M. der vorbehaltlose Ausgleich des Abrechnungsergebnisses (Nachzahlung/Guthaben) nicht mehr als deklaratorisches Schuldanerkenntnis interpretiert werden könne, weil die (jeweils) einjährige Ausschlußfrist einen überschaubaren Zeitraum darstelle, innerhalb dessen die Mietparteien ohne weiteres noch mit Nachforderungen und Einwänden zu rechnen hätten, oh-ne sich solche vorbehalten zu müssen (vgl. LG Berlin, GE 2006, 125, 127). Dies vermag indes nicht zu überzeugen, denn folgerichtig wäre dann auch bei Gewerbemietverhältnissen nicht mehr von einem Anerkenntnis auszugehen, obschon dort keinerlei Ausschlußfristen gelten, so daß im Grunde jederzeit noch mit nachträglichen Korrekturen oder Beanstandungen gerechnet werden müßte. Letzteres würde aber dem berechtigten Interesse beider Mietparteien zuwiderlaufen, daß alsbald Klarheit über die Verpflichtungen aus einem abgeschlossenen Abrechnungszeitraum herrschen soll (Schmidt-Futterer/Langenberg, 9. Auf-l. 2007, § 556 BGB, Rdnr. 406). Jedenfalls erscheint das Argument, ein Vorbehalt sei wegen der nach § 556 Abs. 3 S. 2 und 3 BGB neuerdings ohnehin nur befristeten Möglichkeit zur Geltendmachung von Nachforderungen entbehrlich, nicht stichhaltig. Zumal wenn man bedenkt, daß nach § 20 Abs. 3 S. 4 NMV für den Bereich des preisgebundenen Wohnraums schon seit langem eine – ebenfalls ausschlußbewehrte – zwölfmonatige Abrechnungsfrist gilt, ohne daß sich die Rechtsprechung bisher daran gehindert sah, in solchen Fällen ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis anzunehmen (z. B. LG Berlin, GE 1999, 909, 911; GE 2000, 1686 f.).
b) Zweifelhaft ist freilich, ob der Annahme eines Schuldanerkenntnisses jetzt § 556 Abs. 4 BGB entgegensteht (offengelassen in BGH, GE 2006, 246 f.). Danach sind Vereinbarungen, die zum Nachteil des Mieters von § 556 Abs. 3 BGB abweichen, unwirksam. Hierzu zählen grundsätzlich auch Verkürzungen der dem Mieter zustehenden Einwendungsfrist. Geht man daher in Anbetracht der vorbehaltlosen Rechnungsbegleichung durch den Mieter vom Abschluß eines Anerkenntnisvertrages mit der Wirkung eines vorzeitigen Einwendungsverzichts aus, mag es zwar nach dem Wortlaut des § 556 Abs. 4 BGB durchaus nahe liegen, darin eine für ihn nachteilhafte Vereinbarung zu sehen (vgl. Sternel, ZMR 2001, 937, 940). Nach richtiger Lesart ist der Anwendungsbereich des § 556 Abs. 4 BGB jedoch im Wege teleologischer Reduktion auf solche Absprachen zu Lasten des Mieters zu beschränken, die es ihm generell verwehren wollen, die Einwendungsfrist des § 556 Abs. 3 S. 5 BGB voll auszuschöpfen (AG Mitte, GE 2006, 1045, 1047 m. w. N.). Im Einzelfall können sich die Mietparteien daher nach wie vor wirksam (auch konkludent) dazu verständigen, daß das Abrechnungsergebnis bereits vor Ablauf der gesetzlichen Einwendungsfrist, die lediglich eine zeitliche Höchstgrenze festlegt (Schmidt-Futterer/Langenberg, § 556 BGB, Rdnr. 411), für beide Seiten verbindlich werden soll. Insbesondere wenn eine dahingehende Verständigung ausdrücklich erfolgt, wäre es schlechterdings nicht nachvollziehbar, warum eine solche Vereinbarung mit dem Makel der Unwirksamkeit behaftet sein sollte.
2. Nur in extremen Ausnahmefällen kommt bei Gewerberaum eine Abrechnungskorrektur nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB in Betracht, wenn die angesetzten Kosten den tatsächlichen nicht einmal annähernd entsprechen und der fehlerhafte Ansatz für den Mieter offensichtlich ist (OLG Hamburg, WuM 1991, 598). Es empfiehlt sich daher, in jedem Fall einen Korrekturvorbehalt in die Abrechnung aufzunehmen. Bei dessen Formulierung sollte man indes möglichst vermeiden, zu sehr ins Detail zu gehen, da ansonsten – wie hier – die Gefahr besteht, daß einzelne Sachverhalte unberücksichtigt bleiben und deshalb vom Vorbehalt nicht erfaßt werden. Hingegen kann eine beispielhafte Aufzählung von Berichtigungsgründen ohne abschließen-den Charakter ("insbesondere") später als Auslegungsgrundlage hilfreich sein.

AG Brandenburg a. d. H., Urteil vom 7. Februar 2007 - 30 C 3/07 - Wortlaut Seite 789
Autor: RA Alexander Kroll - Kanzlei Wölffer & Wölffer