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BVerwG schließt sich BFH-Rechtsprechung an
Grundsteuererlaß auch bei strukturellem Leerstand
29.05.2007 (GE 10/2007, Seite 676) Das Bundesverwaltungsgericht hat sich korrigiert und durch Beschluß vom 24. April 2007 - BVerwG GmS-OGB 1.07 - der Auffassung des Bundesfinanzhofes angeschlossen, daß ein Grundsteuererlaß (§ 33 Abs. 1 Grundsteuergesetz - GrStG -) nicht nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt, sondern auch bei Mieteinbußen durch strukturellen Leerstand. Die Entscheidung hilft vor allem Eigentümern in den neuen Bundesländern und Berlin.
GRUNDEIGENTUM-Leser hatten die Nase vorn: Bereits im vergangenen Jahr (vgl. GE 2006, 1457 ff.) hatten wir ausführlich über ein Verfahren beim Bundesfinanzhof berichtet und darüber, daß der BFH – anders als bisher das Bundesverwaltungsgericht – einen Grundsteuererlaß bei strukturellem Leerstand für möglich hält und deshalb diese Frage wohl dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung vorlegen werde. Wir hatten auch empfohlen, bei nachhaltigem Leerstand bis zum 31. März 2007 entsprechende Anträge (bereits für 2006) zu stellen.
Maßgebend war bis dahin die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein Grundsteuererlaß wegen einer Ertragsminderung für Mietobjekte nicht in Betracht kommt, wenn diese auf die allgemeine Wirtschaftslage, d. h. auf einen sogenannten strukturellen Leerstand zurückzuführen ist (BVerwG, Urteile vom 3. Mai 1991 - 8 C 13.89 - und vom 4. April 2001 - 11 C 12.00). Von einer solchen Situation seien alle Grundstückseigentümer betroffen. Deshalb komme ein auf den Einzelfall bezogener Steuererlaß nicht in Betracht. Der in der Unvermietbarkeit zum Ausdruck kommende geringere Wert des Mietobjekts könne nur bei einer Neufestsetzung des Einheitswertes (eine neue Hauptfeststellung soll eigentlich alle sechs Jahre erfolgen, ist zur Zeit aber gesetzlich ausgesetzt) berücksichtigt werden. Ein Grundsteuererlaß sei deshalb nur in Fällen atypischer und vorübergehender Ertragsminderung zu gewähren.
Von dieser Rechtsprechung wollte der BFH in einem von ihm zu entscheidenden Berliner Fall abweichen und einen Grundsteuererlaß auch bei strukturell bedingtem Leerstand von gewisser Dauer gewähren. Nach Auffassung des BFH stellt die durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfolgte Beschränkung des § 33 Abs. 1 GrStG auf atypische und nur vorübergehende Ertragsminderungen eine nicht gebotene teleologische Reduktion der Vorschrift dar, die gerade diejenigen Steuerpflichtigen um die Steuerentlastung bringe, die besonders darauf angewiesen seien.
Der BFH hat die Frage deshalb durch Beschluß vom 26. Februar 2007 (vgl. GE 2007, 381, 533) dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung vorgelegt. Daß prozessual sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch der Bundesfinanzhof mit derselben Rechtsfrage konfrontiert werden können, hängt damit zusammen, daß in Berlin beispielsweise die Finanzämter für die Grundsteuer, in den Flächenländern dagegen die Gemeinden zuständig sind.
In dem hierfür vorgesehenen Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat das Bundesverwaltungsgericht durch den eingangs erwähnten Beschluß mitgeteilt, daß es an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festhält.
Die Antragsfrist auf Grundsteuererlaß für das Jahr 2006 ist bereits verstrichen, für 2007 sollte der Antrag aber in jedem Fall gestellt werden, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen (vgl. GE 2006 [22] Seite 1457). Gestellt werden muß der Antrag spätestens bis zum 31. März 2008; rechtzeitige Wiedervorlage ist empfehlenswert. Wir werden im Laufe dieses Jahres nocheinmal umfassend auf das Thema eingehen und entsprechende Hilfen und Empfehlungen geben.


Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer

Zur Grundsteuer als Ganzes gibt es weniger erfreuliche Nachrichten. In den letzten Jahren war eine Reihe von Verfahren anhängig gemacht worden, diese Sondersteuer als verfassungswidrig zu "kippen". Tausende von Grundstückseigentümern hatten sich mit Aufträgen, die noch unbearbeitet bei den Finanzämtern liegen, auf diese Verfahren bezogen. Das Bundesverfassungsgericht bzw. der Bundesfinanzhof hatten jedoch in diesen Verfahren weder grundsätzliche Bedenken gegen die Erhebung von Grundsteuer (BVerfG, Beschluß vom 3. März 2006, 1 BvR 311/06) noch gegen die Erhebung von Grundsteuer auf das selbstgenutzte Wohneigentum (BVerfG, Beschluß vom 21. Juni 2006, 1 BvR 1644/05 und Urteil des BFH vom 19. Juli 2006, II R 81/05) oder auf das "persönliche Gebrauchsvermögen" (BVerfG, Beschluß vom 2. Juni 2006, 1 BvR 2351/05).
Aufgrund dieser Entscheidungen haben die obersten Finanzbehörden der Länder durch eine Allgemeinverfügung vom 30. März 2007 (BStBl. I Seite 274) alle Aufhebungs- und Änderungsanträge zurückgewiesen, soweit mit diesen Anträgen geltend gemacht wurde, das Grundsteuergesetz sei verfassungswidrig. Eine solche Allgemeinverfügung ermöglicht es, die bei den Finanzämtern massenhaft eingegangenen Anträge effizient abzuwickeln. Grundeigentümer erhalten damit in den oben genannten Fällen von ihrem Finanzamt keine Zurückweisungsentscheidung. Wer sich gegen die Zurückweisung seines Antrages wehren möchte, kann dies nur mit einer Klage tun. Die Klagefrist beträgt ein Jahr.
Betroffen von der Zurückweisung durch Allgemeinverfügung sind am 30. März 2007 anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte, zulässige Anträge auf
1. Aufhebung oder Änderung der Festsetzung eines
Grundsteuermeßbetrags,
2. Aufhebung oder Änderung der Feststellung eines
Einheitswerts für inländischen Grundbesitz,
3. Fortschreibung des Einheitswerts für inländischen
Grundbesitz,
4. Neuveranlagung des Grundsteuermeßbetrags,
5. Aufhebung oder Änderung der von den Finanzämtern der Länder Berlin, Bremen und Hamburg erlassenen Grundsteuerbescheide.
Einsprüche werden von dieser Allgemeinverfügung nicht erfaßt.
Ob damit allerdings eine "Beruhigung" an der Grundsteuer-Front eintritt, ist fraglich. Die bisherigen Entscheidungen überzeugen nicht und sind eher oberflächlich. In Schrifttum und Fachdiskussionen mehren sich die Stimmen, welche die Grundsteuer für verfassungswidrig halten. Eine gründliche Auseinandersetzung mit dieser Sondersteuer (vgl. die Auswirkungen anhand des Berechnungsbeispiels in GE 2007 [7] 466) hat bisher nicht stattgefunden.