Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Armes Spandau
Ist der Krieg noch zu gewinnen?
11.05.2007 (GE 9/2007, Seite 608) Gott, ist das eine Aufregung in unserer Nachbarstadt Spandau. "Spandau wird zum Problembezirk" prophezeit der Tagesspiegel in einer dicken Überschrift.

Armes Spandau

Beim ortsnäheren Spandauer Volksblatt ist dieser Zustand schon erreicht: "Spandau ist Problembezirk" titelt das Heimatblatt. Und die BZ ist noch einen Schritt weiter: "Berliner, rettet unser armes Spandau". Au. Was ist bloß los vor unseren Toren? Die Erklärung ist einfach. Der Trojanische Krieg spielt sich umgekehrt ab: Während bei Homer die Griechen das trojanische Pferd in die Stadt schmuggelten und so deren Niedergang herbeiführten, haben die Berliner offenbar ein trojanisches Pferd aus der Stadt geschmuggelt und nach Spandau gebracht. Das Pferd hat auch einen Namen: Es heißt Martin Matz. Der Mann war mal Landesvorsitzender der Berliner FDP und wurde, ohne Fortune und mangels liberaler Grundüberzeugungen, zum Renegaten und Mitglied der SPD. Die schickte ihn schließlich als Sozial- und Gesundheitsstadtrat nach Spandau. Da zog er nun nach 150 Tagen und umfangreichem Aktenstudium erstmals Bilanz – eine verheerende. Verheerend aber vermutlich weniger für Spandau als für ihn selbst. Anhand von Arbeitslosenquote, Verschuldungsrate, der Zahl der Privatinsolvenzen, der Kaufkraft, Erkrankungen und Lebenserwartung machte Matz den Spandauern klar, daß ihr Selbstbewußtsein auf morastigem Grund steht. Führend ist Spandau, wenn man dem Stadtrat glauben darf, nur bei der Selbstmordrate – ein Drittel mehr Frauen und 14 % mehr Männer scheiden in Spandau freiwillig aus dem Leben als sonstwo in Berlin. Wenn künftig jemand nach Spandau ziehen will, scheint die Frage berechtigt: "Bist Du etwa lebensmüde?" Politisch lebensmüde jedenfalls scheint Martin Matz zu sein. Denn seine "Analysen" basieren auf der Methode "rechts an der Sau vorbeigeschossen, links an der Sau vorbeigeschossen, Sau im Schnitt getroffen". Die Spandauer Probleme sind, wenn man genau hinschaut, das Ergebnis der Stadtentwicklungspolitik jener Partei, in die Matz vor zwei Jahren eingetreten ist. Denn für die schlechte Aktenlage dürften wohl in erster Linie Problemkieze wie das Falkenhagener Feld oder Heerstraße-Nord verantwortlich sein, Nachkriegsbetonburgen im sozialen Wohnungsbau, die die Struktur der alteingesessenen Spandauer im statistischen Mittel ganz schön zerknautscht haben. Der Vertreter des bürgerlichen Spandau, Bürgermeister Konrad Birkholz (CDU) vermutet hinter dem Rundumschlag seines Sozialstadtrats Kalkül: In Spandau stehen die Haushaltsberatungen vor der Tür, und Matz will mehr Geld. Matz seinerseits hat sich zum Vorbild seinen Neuköllner Parteifreund und dortigen Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky genommen, der überregionale Aufmerksamkeit für ungelöste Probleme erreicht habe, ohne seinen Bezirk schlecht zu machen. Buschkowsky freilich ist Neuköllner Urgestein, ihm nimmt man es ab, ihn hält man für glaubwürdig, wenn er Kritik am eigenen Nest übt. Martin Matz dagegen ist in Spandau ein Reingeschneiter, der von den alteingesessenen Spandauern jetzt als Besserwisserberliner und Nestbeschmutzer betrachtet wird. Die Zahl seiner Freunde, das wird man auch ohne statistische Analyse feststellen dürfen, ist bestimmt nicht gewachsen.
Autor: Dieter Blümmel