Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Waffe gegen Werbemarathon
Was ist verboten, wie kann man sich gegen Telefonterror und volle Briefkästen wehren?
11.05.2007 (GE 9/2007, Seite 633) Kennen Sie das auch? Sie sitzen abends allein oder in gemütlicher Runde und möchten von außen ungestört ihren Feierabend genießen. Das Telefon klingelt.
"Möchten Sie nicht auch billiger telefonieren?" Wer jetzt am Telefon "ja" sagt, der hat in der Regel schon verloren – es sei denn, er hat gute Nerven oder einen mindestens genauso großen Dickschädel wie die freundliche Callcenteragentin am anderen Ende der Leitung. Genauso verhält es sich bei Lockanrufen mit in Aussicht gestellten Gewinnerwartungen. Welches Unternehmen auch immer anruft – die Masche ist häufig gleich. Der potentielle Kunde wird am Telefon so lange bearbeitet, bis er einknickt und der "unverbindlichen" Zusendung von Informationsmaterial zustimmt oder eine teure Nummer selbst zurückruft. Statt eines Prospekts kommt dann häufig schon eine Auftragsbestätigung. Oder man hat – ohne dies zu wollen – plötzlich mit einem neuen Telefonvertrag ein Los gekauft oder eine überflüssige Versicherungspolice abgeschlossen.
Auch wer es nicht soweit kommen läßt, sieht sich zunehmend unbestellter Telefonwerbung ausgesetzt. Besonders nervend sind sogenannte "Ping-Anrufe". Dabei wird ein Anruf zu einem Telefonanschluß maschinell geführt und die Verbindung nach einmaligem Klingeln wieder unterbrochen. Bei dem Angerufenen verbleiben im Display die Meldung "Anruf in Abwesenheit" und die Anzeige einer hochpreisigen Mehrwertdienstrufnummer. Daneben gibt es die bereits beschriebenen direkten Anrufe, auch "Telefon-Spamming" oder "Cold-Call" genannt.
Die Bundesnetzagentur hat alleine seit Mai 2006 237 Rufnummern aufgrund von Bewerbung durch Ping-Anrufe oder sogenannte Cold-Calls abgeschaltet. Zu 78 Rufnummern wurde zusätzlich ein Rechnungslegungs- und Inkassoverbot ausgesprochen. Diese Verbote sollen den Verbraucher davor bewahren, Entgelte für Rückrufe entrichten zu müssen, zu denen er durch eine Telefonwerbung veranlaßt wurde.
Dieses unzulässige und als wettbewerbswidrig verbotene Vorgehen beschäftigt mittlerweile den Gesetzgeber. So hat der Verbraucherausschuß des Deutschen Bundestages bereits über Bestimmungen beraten, die solche am Telefon geschlossenen Verträge null und nichtig machen und die Werber im übrigen aufgrund des unlauteren Vorgehens mit Bußgeld belegen. Der Bundestag hat am 18. Januar 2007 diesen Entwurf eines Telemediengesetzes beschlossen. Bis das Gesetz in Kraft tritt, müssen sich die Verbraucher mit den herkömmlichen Möglichkeiten wehren.


Telefonwerbung

UnbestelIte Telefonwerbung ist unzulässig, unlauter und wettbewerbswidrig, soweit der Angerufene nicht zuvor ausdrücklich seine Zustimmung erteilt hat (KG, Beschluß vom 12.9.2006 - 9 U 167/06; AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 27.10.2005 - 918 C 413/05, AfP 2006, 281 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 15.8.2006 - 4 U 78/06, OLGR Hamm 2006, 800 f.). Sie als Verbraucher haben das Recht, die Löschung ihrer beim Callcenter vorhandenen persönlichen Daten umgehend zu verlangen. Ferner können Sie die Einleitung eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens gegen die Firma veranlassen, für die geworben wird. Schließlich können Sie Firma und Callcenter auf Unterlassung weiterer unerbetener Werbeanrufe verklagen. All diese Schritte sind mit Zeitaufwand und Kostenvorschüssen verbunden. Deshalb sollte zumindest am Telefon wortlos aufgelegt werden. Bei mehrfachen Anrufen sollten die gezeigten rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten angedroht werden. Keinesfalls sollte man sich von dem Anrufer in ein Gespräch verwickeln und zu Zugeständnissen bewegen lassen. Selbstverständlich sollten erbetene Rückrufe unterbleiben.


Werbung durch Telefax

Unaufgefordert übermittelte Werbung per Telefax ist nicht nur gegenüber privaten Verbrauchern, sondern auch gegenüber Gewerbetreibenden als wettbewerbswidrig anzusehen. Dabei ist es ohne Belang, ob die Faxe auf einem herkömmlichen Faxgerät eingehen und ausgedruckt oder auf einem Computerfax per Bildschirm angezeigt werden (BGH, Urteil vom 1.6.2006 - I ZR 167/03, BB 2006, 2604 f.; Urteil vom 25.10.1995 - I ZR 255/93, GRUR 1996, 298), denn auch das Sichten und Herausfiltern unaufgeforderter Werbesendungen am PC kann aufgrund seiner Fülle zu einer erheblichen Belastung des Arbeitsablaufes führen. Auch Werbefaxe sind selbst gegenüber Gewerbetreibenden daher nur mit deren ausdrücklicher vorheriger Zustimmung erlaubt, ansonsten rechtswidrig. Sie können unter Einsatz sogenannter Spam-Filter abgewehrt, zumindest aber eingedämmt werden. Daneben stehen die bereits beschriebenen Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung.


Werbung per eMail und per SMS

Einerseits ist die ständig zunehmende Vielfalt von Kommunikationsmitteln ein Segen, andererseits führt sie als Fluch auch zu ständiger Ablenkung im Beruf. Die Informationsdichte hat dadurch so stark zugenommen, daß sie belastend wirkt, denn sie muß zeitaufwendig gesichtet, gefiltert, sortiert und verarbeitet werden. Egal, ob es sich um private Verbraucher oder um Gewerbetreibende handelt, unverlangt zugehende Werbe-eMails sind deshalb unlauter, wettbewerbswidrig und damit verboten (OLG Bamberg, Urteil vom 27.9.2006 - 3 U 363/05; AG Hamburg, Beschluß vom 24.5.2006, 6 C 606/05). Zu ihrer Abwehr gilt das über Werbefaxe Gesagte entsprechend.
Denselben Grundsätzen unterliegt unverlangt zugesendete SMS-Werbung auf das Handy. Auch hier ist es ohne Belang, ob der Empfänger solcher Werbe-SMS ein privater Verbraucher oder ein Gewerbetreibender ist (LG Berlin, Urteil vom 14.1.2003 - 15 O 420/02, AfP 2003, 477 f.; LG Hannover, Urteil vom 21.6.2005 - 14 O 158/04, MMR 2005, 714 f.; KG, Beschluß vom 27.7.2006 - 9 W 50/06, KGR Berlin 2006, 964). Über die bereits genannten Abwehrmöglichkeiten hinaus hat der von eMail- und SMS-Werbung Genervte auch einen zusätzlichen Auskunftsanspruch gegen den Telekommunikationsdienstanbieter über den Versender der Werbung nach dem Unterlassungsklagegesetz (LG Bonn, Urteil vom 19.7.2004 - 6 S 77/04, MMR 2004, 767 f.).


Untergeschobene Verträge

Nach derzeitigem Recht kommt ein Vertrag ungeachtet seiner Anfechtbarkeit (§§ 119, 123 BGB) z. B. am Telefon auch dann zustande, wenn er mit unlauteren Methoden beworben wurde. Wie gesagt, der Gesetzgeber will daran in naher Zukunft etwas ändern. Gleichwohl stehen Sie als Verbraucher einem solchen "untergeschobenen" Vertrag nicht schutzlos gegenüber, denn bei Fernkommunikationsverträgen – dazu zählen Verträge, die per Telefon, SMS oder eMail abgeschlossen werden – gibt es ein Widerrufsrecht (§§ 312 d, 355 Abs. 1 und 3 BGB). Die Widerrufsfrist beträgt grundsätzlich 14 Tage seit dem Abschluß des Vertrages, beginnt aber erst dann zu laufen, wenn der Vertragspartner – also z. B. der Telefonwerber – korrekt über das bestehende Widerrufsrecht belehrt hat. Ansonsten erlischt das Widerrufsrecht in diesen Fällen nicht (§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB). Daraus folgt:
Wird Ihnen ein Vertrag am Telefon untergeschoben, so sollten Sie zunächst den Vertragsabschluß bestreiten, in jedem Fall aber hilfsweise Ihr beschriebenes Widerrufsrecht umgehend ausüben. Um Sammelklagen vorbereiten zu können, rät die Verbraucherzentrale dazu, "zum Schein auf das Angebot" einzugehen, damit Beweismittel für Musterfälle beschafft werden können. Davon ist in Ihrem eigenen Interesse dringend abzuraten.
Können Sie Ihren Anfechtungsgrund – z. B. Inhalts- oder Erklärungsirrtum, arglistige Täuschung – beweisen, dann können Sie zusätzlich ebenso hilfsweise den Vertrag anfechten.


Zusendung unbestellter Ware

Mittlerweile ist gesetzlich geklärt (§ 241 a BGB), daß die Zusendung unbestellter Ware, insbesondere Werbesendungen, Sie in der Regel zu nichts verpflichtet. Auch das Zusenden unbestellter Waren ohne Einverständnis des Kunden ist wettbewerbswidrig und damit unzulässig (BGH, Urteil vom 24.6.1976 - I ZR 25/75, NJW 1976, 1977; OLG Köln, Urteil vom 26.1.2001 - 6 U 160/00, EWIR 2001, 1163; OLG Köln, Urteil vom 19.10.2001 - 6 U 11/01, NJW-RR 2002, 472 ff.).
Ebenso stellt das Aufdrängen nicht verlangter Dienstleistungen einen Wettbewerbsverstoß mit den schon gezeigten Rechtsfolgen dar (OLG Nürnberg, Urteil vom 5.8.2003 - 3 U 1661/03, Magazindienst 2003, 1175 ff.). Das OLG Nürnberg kam zu dieser Wertung in einem Fall, in dem ein Heizungsableseunternehmen nach der Kündigung des Ablesevertrags durch den Kunden gegen dessen erklärten Willen weitere Ablesungen immer wieder ankündigte und vornehmen wollte.


Werbeprospekte und Broschüren

Eigentümer und Mieter können durch einen entsprechenden Hinweis oder Aufkleber verbieten, daß Werbematerial in Form von Prospekten, Flugblättern und Broschüren in die einzelnen Briefkästen eingelegt wird. Das gilt auch für umfangreichere Werbung, wie z. B. kostenlose Branchenverzeichnisse, Wochenzeitungen oder Kataloge. Passen sie aufgrund ihres Umfangs nicht in einen Briefkasten hinein, so dürfen sie nur dann in den Eingangsbereich oder in das Treppenhaus von Wohn- und Geschäftshäusern für die Bewohner und Nutzer ausgelegt werden, wenn kein allgemeines Verbot der Hausgemeinschaft dies verbietet. Der Vermieter allein kann ein solches Verbot nicht aussprechen. Allerdings muß das für den Briefkasten unpassende Werbematerial so im Treppenhaus oder Eingangsbereich abgelegt werden, daß es weder zu einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten im Hause noch gar zu einer Gefährdung oder Vermüllung kommt.
Werbematerial, das nicht abgegriffen und genutzt wird, muß dann nach wenigen Tagen vom Zusteller eingesammelt werden (so BGH, Urteil vom 10.11.2006 - V ZR 46/06, GE 2006, 1611). Mit diesen Vorgaben ist die Ablage sperrigen Werbematerials im Hausflur und Eingangsbereich zu gestatten, soweit sich die Hausbewohner nicht auf ein allgemeines Verbot einigen können. Anderenfalls kann die Ablage durch Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegen den Werber abgewehrt werden.
Autor: RA Dr. Hans Reinhold Horst