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Voller Wärmepreis zu Lasten des Mieters?
Contracting: Übersicht zur Rechtsprechung des BGH
04.05.2007 (GE 8/07, Seite 575) Auf den Punkt gebracht geht es im wesentlichen um die Frage, ob der Vermieter, der im laufenden Mietverhältnis die Beheizung der Wohnung einem Dritten überträgt, also auf Wärmecontracting umstellt, den vollen Wärmepreis entsprechend § 2 Nr. 4 c BetrKV einschließlich der darin enthaltenen Investitions- und Verwaltungskosten und Gewinn des Contractors auf den Mieter umlegen darf.
1. BGH, Urteil vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 286/02
= GE 2003, 1152
Leitsatz: Zum Entgelt für die Wärmelieferung bei der eigenständigen gewerblichen Lieferung von Wärme i. S. v. Nr. 4 c der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 der Zweiten Berechnungsverordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 12. Oktober 1990 zählen die kompletten vom Versorgungsunternehmen berechneten Kosten, einschließlich der darin enthaltenen Investitions- und Verwaltungskosten und auch der Unternehmergewinn des Lieferanten.
Die vor dem 11. Juni 1995 gemietete Wohnung war mit einer Ofenheizung ausgestattet. Der Vermieter baute eine Zentralheizung ein, stellte auf Wärmecontracting um und verlangte den vollen Wärmepreis. Der Mieter zahlte nicht. Der BGH verwies auf § 14 Abs. 1 Satz 1 MHG, wonach der Vermieter in den neuen Bundesländern bei Mietverträgen, die vor dem 11. Juni 1995 abgeschlossen worden waren, bis zum 31. Dezember 1997 Betriebskosten i. S. d. § 27 der II. BV durch schriftliche Erklärung auf den Mieter umlegen durfte. Zweck dieser Vorschrift sei es gewesen, den Vermietern im Interesse einer raschen Verbesserung der Wohnverhältnisse in den neuen Ländern die durch die Umlageverordnung eröffnete Möglichkeit, Betriebskosten einseitig auf die Mieter umzulegen, zu erhalten. Zu den Kosten der Wärmelieferung gehörten die kompletten vom Versorgungsunternehmen berechneten Kosten einschließlich der darin enthaltenen Investitions- und Verwaltungskosten und auch der Unternehmergewinn des Lieferanten.
2. BGH, Urteil vom 20. September 2006 - VIII ZR 270/05
= GE 2006, 1474
Leitsatz: Die Umlage von Betriebskosten durch schriftliche Erklärung des Vermieters gem. § 14 Abs. 1 MHG setzt voraus, daß aus dem Schriftstück für den Mieter klar erkennbar ist, welche Art von Betriebskosten der Vermieter im einzelnen umlegen will.
Das Urteil bestätigt die Rechtsprechung des BGH mit Urteil vom 16. Juli 2003 (GE 2003, 1152). Ausdrücklich offengelassen wird die Frage, ob ein Vermieter, der künftig entstehende Wärmelieferungskosten aufgrund Wärmecontractings durch einseitige Erklärung nach § 14 MHG auf den Mieter umlegen wolle, zusätzlich die voraussichtliche Höhe dieser Kosten und die generelle Umstellung auf das Wärmecontracting in einer Modernisierungsankündigung nach § 554 Abs. 3 BGB mitteilen müsse.
Die beiden vorgenannten Entscheidungen betreffen nur Altfälle, in denen § 14 MHG in den neuen Bundesländern noch zur Anwendung kam. Diese Rechtsprechung ist nicht auf die allgemeine Problemstellung zur Umlegung des vollen Wärmepreises übertragbar!
3. BGH, Urteil vom 6. April 2005 - VIII ZR 54/04
= GE 2005, 664
Leitsatz: Will der Vermieter von Wohnraum während eines laufenden Mietverhältnisses den Betrieb einer vorhandenen Heizungsanlage auf einen Dritten übertragen (Wärmecontracting), bedarf es einer Zustimmung des Mieters, wenn eine ausdrückliche Regelung hierfür im Mietvertrag fehlt und dem Mieter dadurch zusätzliche Kosten auferlegt werden sollen.
Bei Abschluß des Mietvertrages wurde die Heizung durch den Vermieter betrieben. Mietvertraglich war vereinbart, daß der Vermieter die Wärmeversorgung des gesamten Hauses auf einen Dritten zu dessen Bedingungen übertragen dürfe und der Mieter in diesem Fall zum Abschluß eines entsprechenden Wärmelieferungsvertrages mit dem Betreiber verpflichtet sei. Der Vermieter schloß sodann einen Wärmelieferungsvertrag mit einem Contractor, rechnete jedoch die Heizkosten selbst mit dem Mieter ab und stellte dazu den gesamten Wärmepreis dem Mieter in Rechnung, den der Wärmecontractor ihm berechnete. Der Mieter weigerte sich, den vollen Wärmepreis (also einschließlich Abschreibung und Gewinn etc.) zu bezahlen.
Der BGH kam zu dem Ergebnis, daß der Mieter den vollen Wärmepreis nicht zahlen müsse, weil er der Überwälzung der Kosten nicht zugestimmt habe. Der Mietvertrag sehe lediglich vor, daß der Mieter zum Abschluß eines entsprechenden Wärmelieferungsvertrages mit dem Fremdlieferer verpflichtet sei (sog. Full-Contracting). Mietvertraglich nicht geregelt sei der Fall, daß es bei der bisherigen Heizkostenabrechnung durch den Vermieter verbleibe, dieser dann aber den vollen Wärmepreis auf den Mieter umlege.
Mißverständlich drückt sich der BGH in dieser Entscheidung insofern aus, als er von einer notwendigen Zustimmung des Mieters zum Wärmecontracting spricht, denn es geht nicht um die Umstellung auf Contracting als solche, sondern nur um die Frage, ob der Mieter bei Umstellung auf Wärmecontracting den vollen Wärmepreis zahlen muß oder es bei Umlage der Kosten verbleibt, die der Vermieter dem Mieter bisher bei Eigenbetrieb der Heizung berechnet hat.
4. BGH, Urteil vom 1. Juni 2005 - VIII ZR 84/04
= GE 2005, 916
Leitsatz (der Redaktion): Die Vereinbarung einer Mieterhöhung nach Einbau einer Zentralheizung bleibt auch dann in voller Höhe wirksam, wenn der Vermieter ohne Zustimmung des Mieters die Heizungsanlage auf einen Dritten überträgt. Die (vollen) Kosten der Wärmelieferung darf der Vermieter jedoch nicht mit der Heizkostenabrechnung geltend machen.
Die Mieter hatten eine Ofenheizungswohnung gemietet. Nach Einbau einer Zentralheizung vereinbarten sie mit dem Vermieter eine Mieterhöhung; dazu kam ein Heizkostenvorschuß. Zunächst wurde die Zentralheizungsanlage von dem Vermieter betrieben. Danach beauftragte der Vermieter einen Dritten mit der Wärmeversorgung und verpachtete die Heizungsanlage an diesen. Der Mieter kürzte daraufhin die vereinbarte Modernisierungsumlage und wollte auch den vollen Wärmepreis nicht bezahlen.
Der BGH stellte zwar fest, daß die nachfolgende Übertragung der Heizungsanlage an einen Dritten keine Auswirkung auf die Mieterhöhungsvereinbarung gehabt habe. Der Vermieter sei jedoch nicht berechtigt, die vollen Kosten der Wärmelieferung geltend zu machen, da zur Änderung des Vertrags eine Zustimmung des Mieters erforderlich sei.
5. BGH, Urteil vom 22. Februar 2006 - VIII ZR 362/04
= GE 2006, 839
Leitsatz (der Redaktion): Èine Vereinbarung im Mietvertrag, wonach der Mieter die Betriebskosten im Sinne der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 der II. BV zu tragen hat, erlaubt dem Vermieter, der während des laufenden Mietverhältnisses den Betrieb einer im Haus vorhandenen Heizungsanlage auf einen Dritten überträgt (Wärmecontracting) dann nicht die Umlegung der Wärmelieferungskosten auf den Mieter, wenn die zum Zeitpunkt des Vertragssschlusses geltende Fassung der II. BV (hier Fassung vom 5. April 1984) eine Umlegung der Kosten der Wärmelieferung im Nahbereich nicht vorsah (Anschluß an Senat, Urteil vom 6. April 2005 - VIII ZR 55/04 = GE 2005, 664).
Von Beginn des Mietverhältnisses an betrieb der Vermieter die Heizungsanlage selbst. Später ersetzte eine Fremdfirma aufgrund eines mit dem Vermieter abgeschlossenen Wärmelieferungsvertrages die bisherige Heizungsanlage durch eine dem neuesten Stand der Technik entsprechende Anlage. Anschließend stellte der Vermieter die vollen Wärmelieferungskosten, also alles das, was die Fremdfirma dem Vermieter in Rechnung stellte, nunmehr dem Mieter in Rechnung und buchte die entsprechenden Beträge ab. Der Mieter verlangte die Rückzahlung. Er bekam auch beim BGH recht. Dieser verwies auf seine bisherige Rechtsprechung, nach der für die Umlegung der Kosten der Wärmelieferung eine entsprechende Vereinbarung mit dem Mieter erforderlich sei.
6. BGH, Urteil vom 15. März 2006 - VIII ZR 153/05
= GE 2006, 838
Leitsatz (der Redaktion): Will der Vermieter von Wohnraum während eines laufenden Mietverhältnisses den Betrieb einer vorhandenen Heizungsanlage auf einen Dritten übertragen (Wärmecontracting), bedarf es hierfür einer Zustimmung des Mieters, wenn eine ausdrückliche Regelung darüber im Mietvertrag fehlt und dem Mieter dadurch zusätzliche Kosten auferlegt werden sollen.
Der Vermieter verlangte nach Umstellung auf Wärmecontracting nunmehr den vollen Wärmepreis vom Mieter und bekam damit nicht recht. Der BGH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung, daß der Vermieter ohne Zustimmung des Mieters zum sogenannten Wärmecontracting nicht berechtigt sei, der Abrechnung die Wärmelieferungskosten zugrunde zu legen, die ihm selbst vom Wärmelieferanten in Rechnung gestellt worden seien. Wolle der Vermieter von Wohnraum während eines laufenden Mietverhältnisses den Betrieb einer vorhandenen Heizungsanlage auf einen Dritten übertragen, bedürfe es der Zustimmung des Mieters, wenn eine ausdrückliche Regelung darüber im Mietvertrag fehle.
Trotz der aufgezeigten offenbar gefestigten Rechtsprechung des BGH bleiben etliche Fragen offen, z. B.:
a) Der BGH verweist immer wieder darauf, daß eine mietvertragliche Vereinbarung vorliegen müsse, wolle der Vermieter im laufenden Mietverhältnis nach Umstellung auf Wärmecontrcting den vollen Wärmepreis auf den Mieter umlegen. Wie eine derartige Vereinbarung aussehen könnte, hat der BGH bisher nicht angesprochen. Insoweit wird wiederum auf die Formulierung im Vertragsformular des GE-Verlages unter § 6 Nr. 6 Bezug genommen (vgl. auch Schach in GE 2006, 832).
b) Offen und klärungsbedürftig ist die Frage, wie der Vermieter den (vollen) Wärmepreis, der ihm vom Contractor in Rechnung gestellt wird, bereinigen kann. Dazu müßte er den Gewinn des Contractors, etwaige Investitionskosten und auch Verwaltungskosten herausrechnen. Das würde voraussetzen, daß der Contractor die Berechnung des Wärmepreises offenlegt. Jedenfalls muß der Vermieter dem Mieter eine nachvollziehbare Heizkostenabrechnung liefern, die Auskunft darüber gibt, daß keine Fremdkosten enthalten sind, die der Mieter nicht tragen müßte.
Autor: RA Klaus Schach, VRiLG a. D