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BGH KIPPT LANGJÄHRIGE EIGENE RECHTSPRECHUNG
Unwirksamkeit von Quotenklauseln mit „starren„ Fristenplänen
27.11.2006 (GE 21/06, Seite 1332) Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat – entgegen der eigenen langjährigen Rechtsprechung – durch Urteil vom 18. Oktober - VIII ZR 52/06 - entschieden, daß formularvertragliche Abgeltungsklauseln (Quotenklauseln) in Wohnraummietverträgen, die sich an „starren„ Fristen und Prozentsätzen ausrichten, unwirksam sind.
Der Fall:
Ein Mieter hatte am Ende der rund zweijährigen Mietzeit Rückzahlung der Kaution verlangt. Die Vermieterin hat die Kaution mit zeitanteiligen Renovierungskosten verrechnet. Nach der im Mietvertrag der Parteien enthaltenen Abgeltungsklausel mußte der Mieter, wenn er vor Ablauf der für die Schönheitsreparaturen vorgesehenen Fristen auszog, nach einer Nutzungsdauer von mehr als zwei, aber nicht mehr als drei Jahren für Küche und Bad 66 % der Kosten der Schönheitsreparaturen entrichten, für Wohn- und Schlafzimmer 40 % und für Nebenräume 42,85 %. Die Vorinstanzen hatten der Klage des Mieters auf Rückzahlung der Kaution im wesentlichen stattgegeben, weil die Quotenklausel eine Kostenbeteiligung des Mieters auf der Grundlage „starrer„ Fristen und Prozentsätze vorsehe und deshalb unwirksam sei.

Das Urteil:
Der Bundesgerichtshof hat die vom Landgericht zugelassene Revision der Vermieterin zurückgewiesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seien Formularbestimmungen unwirksam, wenn sie dem Mieter die Ausführung von Schönheitsreparaturen während des laufenden Mietverhältnisses nach einem „starren„ Fristenplan auferlegten (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 - VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586). Denn dadurch könne der Mieter mit Renovierungsverpflichtungen belastet werden, obwohl unter Umständen tatsächlich noch kein Renovierungsbedarf bestehe, weil der Mieter die Wohnung beispielsweise nur unterdurchschnittlich genutzt habe. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr – entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung - entschieden, daß diese Erwägungen auf Abgeltungsklauseln zu übertragen seien. Soweit der Bundesgerichtshof Abgeltungsklauseln mit „starren„ Fristen und Prozentsätzen in früheren Entscheidungen als wirksam angesehen habe (z. B. Urteil vom 6. Oktober 2004 - VIII ZR 215/03 - GE 2004, 1452), gebe er diese Rechtsprechung jetzt ausdrücklich auf.

Anmerkung:
Bisher liegt die Entscheidung des BGH noch nicht im Wortlaut vor, sondern es gibt nur eine Presseerklärung. Eine genauere Analyse – vor allem auch der Folgen für Altverträge – ist deshalb noch nicht möglich.
Auch die vom Grundeigentum-Verlag in Zusammenarbeit mit Haus & Grund Berlin herausgegebenen Mietverträge für Wohn- und Gewerberaum enthalten, wie fast alle in der Bundesrepublik verwendeten Formularmietverträge, eine solche Quoten-/Abgeltungsklausel mit starren Fristen.
Deshalb die dringende Empfehlung, die Abgeltungsklausel in den Vertragsmustern zunächst ersatzlos zu streichen. Ansonsten können die Vertragsmuster unverändert beibehalten werden. In unseren elektronischen Mietverträgen wurde die Klausel bereits unmittelbar nach Veröffentlichung der BGH-Presseerklärung entfernt.
Diese Empfehlung gilt ungeachtet dessen, daß der BGH die kompletten Schönheitsreparaturenregelungen unseres Formulars einschließlich Quotenklausel noch mit Urteil vom 6. Oktober 2004 (GE 2004, 1452) einschränkungslos für wirksam gehalten hat.
Aus der Pressemitteilung des BGH geht nicht hervor, ob eine – nun plötzlich entgegen früherer ständiger Rechtsprechung – unwirksame Quotenklausel auf eine – wirksame – Hauptvereinbarung „abfärbt„ mit der Folge, daß die gesamte Abwälzung der Schönheitsreparaturen unwirksam ist. Das letztere Problem hatte der VIII. Senat schon einmal intern diskutiert und war – aber noch in der alten Richterbesetzung (seit einigen Monaten ist dieser BGH-Senat umfassend umbesetzt) – zur einhelligen Auffassung gelangt, eine unwirksame Quotenklausel färbe nicht auf eine wirksame Hauptklausel ab. Ob der VIII. Senat das in neuer Besetzung auch so sieht, ist offen.
Völlig offen ist, wie die neue BGH-Entscheidung auf Bestandsmietverträge wirkt, insbesondere unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten und hinsichtlich des Vertrauensschutzes. Andere Senate des Bundesgerichtshofes hatten in vergleichbaren Fällen der Änderung einer ständigen Rechtsprechung (z.B. bei Vertragsstrafeklauseln in Bauverträgen), auf die sich die beteiligten Verkehrskreise eingerichtet hatten, diesen Gesichtspunkten dadurch Rechnung getragen, daß sie die neue Rechtsprechung nicht auf Altfälle anwandten. Ob der VIII. Senat sich zu einer solchen fairen Linie entschließt oder nach dem Prinzip „verbrannte Erde„ verfährt, ist derzeit offen. Ein denkbarer Weg wäre, jedenfalls in den Altfällen keine Abfärbung einer – nun – unwirksamen Quotenklausel auf die Hauptklausel anzunehmen. Der Flurschaden, den der BGH mit seiner neuen Entscheidung wirtschaftlich – aber auch im Hinblick auf das Vertrauen in die Rechtsprechung – angerichtet hat, könnte auf diese Weise wenigstens ein bißchen beschränkt werden.
Schließlich: Die Chancen, eine wirksame und handhabbare Abgeltungsklausel durch Formularvertrag zu vereinbaren, sind nach dieser Entscheidung gering.