Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


FRISTLOSE KÜNDIGUNG WEGEN ZAHLUNGSVERZUGS
Vermieter hat Anspruch auf Miete als Folgeschaden
27.11.2006 (GE 21/06, Seite 1336) Das LG Berlin spricht Vermietern bei fristloser Kündigung die Miete als Kündigungsfolgeschaden bis zum fristgemäßen Kündigungszeitraum zu. Eine besondere Darlegungspflicht besteht für den Vermieter nicht. Für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung reicht jedenfalls die Angabe eines bloßen offenen Saldos aus.
Der Fall:
Einem Mieter, der selber fristgemäß zum 28. Februar 2002 gekündigt hatte, wurde vermieterseits fristlos wegen Zahlungsverzugs gekündigt. Zum 22. Januar 2002 gab der Mieter die Wohnung zurück und war nicht bereit, den Mietausfall bis zum 28. Februar 2002 zu zahlen. Eine u. a. auf Zahlung der Miete aus diesem Zeitraum gerichtete Klage hat das Amtsgericht abgewiesen. Das LG gab der Klage insoweit statt, als der Mietausfall als Schaden zugesprochen wurde, und zwar in Höhe der Gesamtmiete (d. h. inklusive der abrechenbaren Vorschüsse). Die Beklagtenseite hatte sich u. a. darauf berufen, daß die fristlose Kündigungserklärung wegen eines Saldos (ohne Aufschlüsselung der Zusammensetzung) unwirksam und deshalb am 22. Januar 2002 mit Rückgabe der Wohnung ein Mietaufhebungsvertrag zustande gekommen sei.
Dieser Argumentation folgte zwar das Amtsgericht Köpenick, nicht aber die Zivilkammer 67 des LG Berlin.

Das Urteil:
1. Zum einen bestätigt das LG Berlin in seiner Entscheidung, daß – wenn wie hier rund 1,5 Monate vor dem fristgemäßen Kündigungszeitpunkt – nach dem Ausspruch der fristlosen Kündigung eine Rückgabe der Mietsache erfolgt, die Miete als Kündigungsfolgeschaden geschuldet wird. Es wird also ohne weitere Darlegung angenommen, daß es einen Mietausfallschaden gab, jedenfalls bis zum fristgemäßen Kündigungszeitpunkt. Es ist noch nicht einmal erforderlich, Bemühungen des Vermieters zur (fehlgeschlagenen) Neuvermietung vorzutragen, hier erst recht auch deshalb nicht, weil der Beklagte den Einwand des Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 2 BGB nicht erhoben hatte, wozu der Mieter zudem noch darlegungs- und beweisbelastet gewesen wäre.
2. Weiter bemerkenswert ist die Klarstellung des Gerichts, daß auch die Angabe eines bloßen offenen Saldos für die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung dann ausreicht, wenn der offene Saldo – wie hier – zwei Monatsmieten (April und Dezember 2001) entspricht, obwohl die Frage, welche Monate unbezahlt waren, zunächst durchaus umstritten war. Erst im Laufe des Prozesses ist diese Frage unstreitig geworden.
3. Last but not least ist es zu begrüßen, daß der Mietrückstand aus dem Jahr 2002 in Form von Gesamtmieten (d. h. Nettomiete zuzüglich der abrechenbaren Vorschüsse) geltend gemacht werden durfte, weil die Abrechnung der Betriebskosten auf der Basis der Sollvorschüsse vorgenommen wurde. Letzteres hat die Kammer unbeanstandet akzeptiert.

Anmerkung:
1. Mit der vorgenannten Entscheidung wird klargestellt, daß entgegen der Ansicht von vielen Amtsgerichten und Mieteranwälten die Pflicht des Mieters zur Zahlung der Miete nicht in jedem Fall mit Rückgabe der Wohnung erlischt. Der Mieter schuldet die Miete in Form des Mietausfallschadens bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der fristgemäßen Kündigung, und zwar ohne der Darlegung des Vermieters, daß es ihm trotz entsprechender Bemühungen nicht möglich war, einen passenden Mietinteressenten für diesen Zeitraum zu finden. D. h. damit ist dem Mieter der Weg verschlossen, jedenfalls erschwert, sich der Mietzahlung vor dem Wirksamwerden der fristgemäßen Kündigung zu entziehen, indem er sich vertragswidrig verhält und damit eine fristlose Kündigung durch den Vermieter provoziert. Der Mieter müßte, um sich dem Mietausfallschaden zu entziehen, darlegen und beweisen, daß es einen solventen und geeigneten Nachmieter gab, den der Vermieter abgelehnt hatte. Dies entspricht voll und ganz der Systematik des Mitverschuldenseinwandes (§ 254 Abs. 2 BGB), wird aber im Wohnungsmietrecht zugunsten des Mieters oftmals verkannt. Auch die ZK 63 hatte dies schon einmal am 7. Mai 2002 in einer Entscheidung 63 S 342/01 (GE 2002, 1065) ausgeurteilt. Jetzt ist jedenfalls klar, daß sich auch durch die Mietrechtsreform daran nichts geändert hat.
2. Nach Inkrafttreten der Mietrechtsreform sind die Amtsgerichte dazu übergegangen, die Anforderungen an die Wirksamkeitsvoraussetzungen für den Ausspruch einer zahlungsverzugsbedingten, fristlosen Kündigungserklärung unter Nennung eines Saldos zu überspannen. Die ZK 67 setzt in ihrer Entscheidung die Rechtsprechung des BGH zur Begründung der mietrechtlichen Zahlungsverzugskündigung (BGH, Beschluß vom 22.12.2003 - VIII ZB 94/03 - NJW 2004, 850) konsequent fort, indem auch bei Salden ohne Aufschlüsselung der einzelnen Monate die Wirksamkeit der Kündigungserklärung bejaht wird, selbst wenn die Kalendermonate, aus denen der Mietrückstand stammt, und der damit verbundene Verzugseintritt umstritten sind. Im vorliegenden Fall war unstreitig, daß zwei Monate unbezahlt waren (aber zunächst nicht welche).
3. Auch hier hat das Landgericht bestätigt, daß nicht automatisch jede Betriebskostenabrechnung auf der Basis von Sollvorschüssen unwirksam ist. Auch mit der unter den Amtsrichtern weit verbreiteten Auffassung, mit Ende eines Abrechnungszeitraums sei das Einklagen von Vorschüssen nicht mehr möglich, wurde hier aufgeräumt.

LG Berlin, Urteil vom 15. Mai 2006 - 67 S 398/05 - Wortlaut Seite 1409
Autor: RAin Barbara Hoeck-Eisenbach