Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Hatte Lenin doch recht?
29.08.2006 (GE 16/06, Seite 985) Ein Gespenst geht um – nicht nur in Europa, sondern weltweit. Nein, keine vorschnellen Rückschlüsse, es ist nicht der Kommunismus. Eher ist es ein gefährlicheres und leider auch ein höchst greifbares Gespenst: der staatsmonopolistische Kapitalismus, kurz "Stamokap" genannt.

Hatte Lenin doch recht?

Den Belesenen unter uns aus der marxistischen Literatur geläufig, den mit Langzeitgedächtnis Gesegneten/Geschlagenen durch die Namen Klaus Uwe Benneter und Gerhard Schröder. Benneter, früher Anhänger der Stamokap-Theorie und aus diesem Grunde für Bündnisse der SPD mit der KPD, wurde deshalb aus der SPD ausgeschlossen und Gerhard Schröder erbte von ihm so den Juso-Vorsitz.
Die Stamokap-Theorie geht in ihrem Ansatz bereits auf Karl Marx und Friedrich Engels zurück, wurde aber im wesentlichen von Lenin ausformuliert. Für Lenin, der den Monopolkapitalismus als letztes und höchstes Stadium des Kapitalismus schon zu eigener Lebenszeit glaubte beobachten zu können, stand aber bereits fest, daß diesem Superlativ in der wirtschaftlichen Entwicklung noch eine weitere Steigerung bevorstünde, sozusagen – um in der Begrifflichkeit der Grammatik zu bleiben – ein Elativ: der Stamokap eben.
Hauptmerkmal des staatsmonopolitischen Kapitalismus ist nach Lenin, daß die Großkonzerne aufgrund ihrer Allmacht, Bedürfnisse und Zwänge in steigendem Maße den Staatsapparat (heute müßte man auch noch die Gewerkschaften dazu rechnen) durchdringen, durchwachsen und sich ihn und schließlich die ganze Gesellschaft zur Beute nehmen. Es kommt zu einer unmittelbaren Verquickung von staatlichem Handeln und den Interessen der Großkonzerne, zu einer wechselseitigen Einflußnahme von Politik und Wirtschaft.
Wer mit offenen Augen durch unser Land geht, kann nicht anders, als sich erschrocken die Frage zu stellen: Behält Lenin am Ende doch recht?
Anlaß zu solchen Fragen geben nicht nur die jüngsten Affären um die CDU-Abgeordneten Norbert Röttgen oder Reinhard Göhner, die Hauptgeschäftsführer der großen Unternehmerverbände werden wollten/sind und ihre Bundestagsmandate behalten wollten/behielten. Die Liste solcher Diener zweier Herrn – nach der Stamokap-Theorie allerdings nur eines Herrn – ist lang. Die CDU hat weitere zu bieten wie den langjährigen Abgeordneten Klaus Lippold, der gleichzeitig auch noch zwei Industrieverbänden als Geschäftsführer dient, und die anderen Parteien sitzen mit im Boot wie etwa mit Ulrike Merten (SPD), die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses ist und gleichzeitig im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sitzt. Oder der Grüne Hans-Josef Fell, der im Umweltausschuß sitzt und gleichzeitig Chef einer Solarfirma ist. Oder Klaus Ernst von der Linkspartei, gleichzeitig Bevollmächtigter der IG Metall.
Man denke an den VW-Sumpf und die emporgespülten gewerkschaftlichen und politischen Verquickungen. Man erinnert sich an die vielen Abgeordneten bis hin zum ehemaligen Generalsekretär der CDU, Laurenz Meyer, die ohne (?) erkennbare Gegenleistungen auf den Lohnlisten von Konzernen standen.
Man blättere in der gerade wieder er-schie-nenen „Öffentlichen Liste über die Registrierung von Verbänden und de-ren Vertreter„, – „Liste„, welch ein Euphemismus für dieses dickleibige und großformatige Lobbyisten-Adreßbuch.
Man betrachte die Steuer- und Ordnungspolitik der letzten Jahre und frage, wem sie genutzt haben: Den Großkonzernen mit ihrem weltweiten Erpressungspotential ganz sicher. Dem heimischen Mittelstand ganz sicher nicht.
Wir sind schon viel weiter auf dem Holzweg, als der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker es befürchtet hat: Die Phase, wo die Parteien sich den Staat zur Beute gemacht haben, ist vorbei. Einflußreichere sind dabei, sich Piraten nebst Beute einzuverleiben.
Damit wir uns nicht mißverstehen: Dies ist ganz und gar kein Appell gegen die Marktwirtschaft. Im Gegenteil. Körperzellen sind ja auch nicht deshalb schlecht, weil sie sich zu Krebszellen verändern und den sie nährenden Organismus auffressen können.
Es ist Zeit, daß der deutsche Mittelstand sich wieder seiner wirtschaftlichen Bedeutung bewußt wird und sich zur Sicherung seiner Existenzbasis stärker für seine und gegen die Interessen internationaler Großkonzerne artikuliert.
Autor: Dieter Blümmel