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BGH zur Umlage von Betriebskosten bei Leerstand
Vermieter trägt Kosten allein - Anspruch auf Vertragsänderung nur in Ausnahmefällen
29.08.2006 (GE 16/06, Seite 1006) Der Vermieter muß bei vereinbarter Umlage nach Wohnfläche auch die auf die leerstehenden Wohnungen entfallenden verbrauchsabhängigen Betriebskosten tragen.
Der Fall:
Nach dem Mietvertrag hatte der Mieter Nebenkostenvorauszahlungen zu leisten, über die der Vermieter jährlich abzurechnen hatte. Ein Umlageschlüssel für diese Abrechnung war im Vertrag nicht angegeben. Der Vermieter rechnete jedoch jahrelang nach dem Anteil der Fläche der Mietwohnung an der Gesamtwohnfläche ab. Als einzelne Wohnungen leerstanden, verklagte der Vermieter den Mieter auf Zustimmung zu einer Vertragsänderung, daß für die Zukunft leerstehende Wohnungen bei der Umlage der Betriebskosten, die auf Wasser und Entwässerung (mit Ausnahme des Niederschlagswassers), die Müllabfuhr sowie den Strom für Hausbeleuchtung und Fahrstuhl entfallen, außer Betracht bleiben. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Dagegen richtete sich die Revision des Vermieters.
Die Entscheidung:
Der BGH wies die Revision des Vermieters zurück. Durch die jahrelang einvernehmlich praktizierte Art und Weise der Abrechnung hätten die Parteien stillschweigend vereinbart, daß die Betriebskosten (mit Ausnahme der Heiz- und Warmwasserkosten) nach dem Anteil der Fläche der Mietwohnung an der Gesamtwohnfläche umzulegen sind. Zwar kämen als mögliche Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Abänderung des vereinbarten Verteilungsschlüssels die Bestimmung über eine Störung der Geschäftsgrundlage und der Grundsatz von Treu und Glauben in Betracht. Die Voraussetzungen dafür seien jedoch im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Dahinstehen könne, ob ein derartiger Anspruch nicht schon daran scheitere, daß die Vollvermietung des Gebäudes nicht als gemeinsame Geschäftsgrundlage des Vertrages anzusehen sei. Grundsätzlich habe allerdings der Vermieter das Vermietungsrisiko und damit das Leerstandsrisiko selbst zu tragen. Für eine einschränkende Auslegung des § 556 a Abs. 1 Satz 1 BGB, daß mit dem Begriff Wohnfläche nur die jeweils vermietete Fläche gemeint sei, enthielten die Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte. Von einer krassen Unbilligkeit, die der Gesetzgeber als Voraussetzung für einen Anspruch auf Abweichen von dem Flächenschlüssel im Blick gehabt habe, könne jedenfalls bei geringfügigen oder kurzfristigen Leerständen wie hier nicht gesprochen werden. Im übrigen habe es der Vermieter selbst in der Hand, eine Kostenbeteiligung leerstehender Wohnungen bei den über 50 % der Betriebskosten ausmachenden Wasserversorgungs- und -entsorgungskosten durch den Einbau von Wasseruhren von sich abzuwenden.
Anmerkung:
Der BGH hat schon früher entschieden, daß bei Leerstand grundsätzlich auch die Fläche der leerstehenden Wohnungen für die Umlage der Betriebskosten zugrunde zu legen ist (BGH, Urteil vom 21.1.2004 - VIII ZR 137/03 - GE 2004, 351; Senatsbeschluß vom 2. November 2005 - VIII ZR 52/05 - NJW-RR 2006, 134; ebenso: OLG Hamburg WuM 2001, 343; LG Berlin GE 2002, 736; AG Coesfeld WuM 1996, 155; AG Görlitz WuM 1997, 648; AG Köln WuM 1998, 290; WuM 2000, 37; AG Zwickau GE 2001, 1339 = NZM 2001, 467 = NJW-RR 2001, 1018 = ZMR 2002, 205; AG Braunschweig ZMR 2003, 490; AG Weißenfels, Urteil v. 17.4.2003 - 1 C 127/03 (I) - WuM 2004, 24; AG Leipzig, Urteil v. 14.8.2003 - 11 C 4919/03 - ZMR 2004, 120; AG Trier, Urteil vom 18.1.2006 - 5 C 347/05 - WuM 2006, 168; Schmidt-Futterer/Langenberg § 556 a Rn. 34, 35; Staudinger/Weitemeyer, § 556 a Rn. 24; Blank/Börstinghaus § 556 a Rn. 5; Schmid, Rn. 3010 a ff.; ders., ZMR 1998, 608; Sonnenschein, NJW 1980, 1713 [1718]).
Die Betriebskosten für die leerstehenden Räume trägt dann im Ergebnis der Vermieter, da er über die Räume verfügen kann. Lediglich individualvertraglich kann die Umlage der Betriebskosten nach dem Verhältnis der vermieteten Flächen vereinbart werden. In Formularverträgen wäre eine solche Umlage nach vermieteten Flächen als überraschende (§ 305 c Abs. 1) und unangemessene (§ 307) Klausel unwirksam (AG Görlitz WuM 1997, 648; Schmid, ZMR 1998, 609). Zumindest kann eine derartige Formularklausel nicht dahingehend ausgelegt werden, daß der oder die Mieter auch die Betriebskosten der leerstehenden Objekte zu tragen haben (OLG Hamburg, aaO.; LG Bautzen WuM 2001, 288). Auch der Lösungsversuch (AG Köln WuM 1998, 291), unvermietete Wohnungen so zu behandeln, als ob sie jeweils an eine Person vermietet worden seien und dafür jeweils den Mindestverbrauch vergleichbarer Räume anzusetzen, ist nicht überzeugend (so auch Schmid, ZMR 1998, 609). Daher bleibt es bei dem Grundsatz, daß die Betriebskosten der leerstehenden Wohnungen bei der Umlage nach der Wohnfläche der Vermieter zu tragen hat (Geldmacher, Mietrecht kompakt 5/2000, 82; Maciejewski MM 2002, 157; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, Rn. 4012 a; differenzierend: Wall in Eisenschmid/Rips/Wall, Betriebskostenkommentar, Teil 3 § 2 Nr. 2 BetrKV Rn. 35; AG Zwickau NJW-RR 2001, 1018 = ZMR 2002, 205; Maaß ZMR 2002, 157; Schach GE 2002, 375). Der Vermieter ist nicht berechtigt, bei Leerstand im Hinblick auf eine Umlagengerechtigkeit eine Änderung des Verteilungsschlüssels dahin zu verlangen, daß die Kosten nur noch von den verbliebenen Mietern zu zahlen sind (LG Berlin, Hinweisbeschluß zu AG Charlottenburg v. 23.2.2005, 209 C 541/04, GE 2005, 1069 - vom 13.5.2005, 65 S 64/05, GE 2005, 1067, 1069; AG Wedding, Urteil vom 11.11.2004, 9 C 339/04, MM 2005, 191 [Ls.]; bei einem Leerstand unter 20 %: AG Charlottenburg, Urteil vom 26.4.2005 - 240 C 22/05 - GE 2005, 1065).
Umstritten war, ob das auch für die verbrauchabhängigen Kosten gilt. Insoweit war die Auffassung vertreten worden (KG, Urteil vom 15.9.2005 - 8 U 6/05 - GE 2005, 1424), daß verbrauchsabhängige Kosten (hier: Stromkosten) nur auf die tatsächlich genutzten Flächen zu verteilen und leerstehende Räume nicht zu berücksichtigen sind. Das AG Charlottenburg (Urteil v. 8.4.2005 - 208 C 541/04 - GE 2005, 623) hat den Vermieter für berechtigt gehalten, vom Mieter die Änderung des bestehenden Mietvertrages dahingehend zu verlangen, daß bei der Umlage der Kosten der Be- und Entwässerung mit Ausnahme des Niederschlagswassers, der Müllabfuhr hinsichtlich des Haushaltsmülls, der Hausbeleuchtung mit Ausnahme der Außenbeleuchtung und des Fahrstuhlstroms die nicht mitvermieteten Wohnungen außer Betracht bleiben.
Der BGH sieht ebenfalls bei den Kosten der Be- und Entwässerung mit Ausnahme des Niederschlagswassers, der Müllabfuhr hinsichtlich des Haushaltsmülls, der Hausbeleuchtung mit Ausnahme der Außenbeleuchtung und des Fahrstuhlstroms die Möglichkeit einer Abänderung des auch konkludent durch Abrechnung vereinbarten Umlageschlüssels nach der Wohnfläche, allerdings nur bei krasser Unbilligkeit der Beibehaltung des vereinbarten Umlageschlüssels. Er findet jedoch deutliche Worte gegen diese Abänderung bereits bei geringerem Leerstand, so daß allenfalls bei längerfristigem Leerstand von weit über 20 % überhaupt an einen Abänderungsanspruch zu denken ist.
Die Lösung des Problems liegt in dem Einbau von Verbrauchserfassungsgeräten (Wasserzähler, Zwischenzähler für Strom etc.), deren Kosten als Kosten der Energieeinsparung mit 11 % jährlich dauerhaft auf den Mieter umgelegt werden können (§ 559 Abs. 1 BGB).
BGH, Urteil vom 31. Mai 2006 - VIII ZR 159/05 - Wortlaut Seite 1030
Nach dem Mietvertrag hatte der Mieter Nebenkostenvorauszahlungen zu leisten, über die der Vermieter jährlich abzurechnen hatte. Ein Umlageschlüssel für diese Abrechnung war im Vertrag nicht angegeben. Der Vermieter rechnete jedoch jahrelang nach dem Anteil der Fläche der Mietwohnung an der Gesamtwohnfläche ab. Als einzelne Wohnungen leerstanden, verklagte der Vermieter den Mieter auf Zustimmung zu einer Vertragsänderung, daß für die Zukunft leerstehende Wohnungen bei der Umlage der Betriebskosten, die auf Wasser und Entwässerung (mit Ausnahme des Niederschlagswassers), die Müllabfuhr sowie den Strom für Hausbeleuchtung und Fahrstuhl entfallen, außer Betracht bleiben. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Dagegen richtete sich die Revision des Vermieters.
Die Entscheidung:
Der BGH wies die Revision des Vermieters zurück. Durch die jahrelang einvernehmlich praktizierte Art und Weise der Abrechnung hätten die Parteien stillschweigend vereinbart, daß die Betriebskosten (mit Ausnahme der Heiz- und Warmwasserkosten) nach dem Anteil der Fläche der Mietwohnung an der Gesamtwohnfläche umzulegen sind. Zwar kämen als mögliche Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Abänderung des vereinbarten Verteilungsschlüssels die Bestimmung über eine Störung der Geschäftsgrundlage und der Grundsatz von Treu und Glauben in Betracht. Die Voraussetzungen dafür seien jedoch im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Dahinstehen könne, ob ein derartiger Anspruch nicht schon daran scheitere, daß die Vollvermietung des Gebäudes nicht als gemeinsame Geschäftsgrundlage des Vertrages anzusehen sei. Grundsätzlich habe allerdings der Vermieter das Vermietungsrisiko und damit das Leerstandsrisiko selbst zu tragen. Für eine einschränkende Auslegung des § 556 a Abs. 1 Satz 1 BGB, daß mit dem Begriff Wohnfläche nur die jeweils vermietete Fläche gemeint sei, enthielten die Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte. Von einer krassen Unbilligkeit, die der Gesetzgeber als Voraussetzung für einen Anspruch auf Abweichen von dem Flächenschlüssel im Blick gehabt habe, könne jedenfalls bei geringfügigen oder kurzfristigen Leerständen wie hier nicht gesprochen werden. Im übrigen habe es der Vermieter selbst in der Hand, eine Kostenbeteiligung leerstehender Wohnungen bei den über 50 % der Betriebskosten ausmachenden Wasserversorgungs- und -entsorgungskosten durch den Einbau von Wasseruhren von sich abzuwenden.
Anmerkung:
Der BGH hat schon früher entschieden, daß bei Leerstand grundsätzlich auch die Fläche der leerstehenden Wohnungen für die Umlage der Betriebskosten zugrunde zu legen ist (BGH, Urteil vom 21.1.2004 - VIII ZR 137/03 - GE 2004, 351; Senatsbeschluß vom 2. November 2005 - VIII ZR 52/05 - NJW-RR 2006, 134; ebenso: OLG Hamburg WuM 2001, 343; LG Berlin GE 2002, 736; AG Coesfeld WuM 1996, 155; AG Görlitz WuM 1997, 648; AG Köln WuM 1998, 290; WuM 2000, 37; AG Zwickau GE 2001, 1339 = NZM 2001, 467 = NJW-RR 2001, 1018 = ZMR 2002, 205; AG Braunschweig ZMR 2003, 490; AG Weißenfels, Urteil v. 17.4.2003 - 1 C 127/03 (I) - WuM 2004, 24; AG Leipzig, Urteil v. 14.8.2003 - 11 C 4919/03 - ZMR 2004, 120; AG Trier, Urteil vom 18.1.2006 - 5 C 347/05 - WuM 2006, 168; Schmidt-Futterer/Langenberg § 556 a Rn. 34, 35; Staudinger/Weitemeyer, § 556 a Rn. 24; Blank/Börstinghaus § 556 a Rn. 5; Schmid, Rn. 3010 a ff.; ders., ZMR 1998, 608; Sonnenschein, NJW 1980, 1713 [1718]).
Die Betriebskosten für die leerstehenden Räume trägt dann im Ergebnis der Vermieter, da er über die Räume verfügen kann. Lediglich individualvertraglich kann die Umlage der Betriebskosten nach dem Verhältnis der vermieteten Flächen vereinbart werden. In Formularverträgen wäre eine solche Umlage nach vermieteten Flächen als überraschende (§ 305 c Abs. 1) und unangemessene (§ 307) Klausel unwirksam (AG Görlitz WuM 1997, 648; Schmid, ZMR 1998, 609). Zumindest kann eine derartige Formularklausel nicht dahingehend ausgelegt werden, daß der oder die Mieter auch die Betriebskosten der leerstehenden Objekte zu tragen haben (OLG Hamburg, aaO.; LG Bautzen WuM 2001, 288). Auch der Lösungsversuch (AG Köln WuM 1998, 291), unvermietete Wohnungen so zu behandeln, als ob sie jeweils an eine Person vermietet worden seien und dafür jeweils den Mindestverbrauch vergleichbarer Räume anzusetzen, ist nicht überzeugend (so auch Schmid, ZMR 1998, 609). Daher bleibt es bei dem Grundsatz, daß die Betriebskosten der leerstehenden Wohnungen bei der Umlage nach der Wohnfläche der Vermieter zu tragen hat (Geldmacher, Mietrecht kompakt 5/2000, 82; Maciejewski MM 2002, 157; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, Rn. 4012 a; differenzierend: Wall in Eisenschmid/Rips/Wall, Betriebskostenkommentar, Teil 3 § 2 Nr. 2 BetrKV Rn. 35; AG Zwickau NJW-RR 2001, 1018 = ZMR 2002, 205; Maaß ZMR 2002, 157; Schach GE 2002, 375). Der Vermieter ist nicht berechtigt, bei Leerstand im Hinblick auf eine Umlagengerechtigkeit eine Änderung des Verteilungsschlüssels dahin zu verlangen, daß die Kosten nur noch von den verbliebenen Mietern zu zahlen sind (LG Berlin, Hinweisbeschluß zu AG Charlottenburg v. 23.2.2005, 209 C 541/04, GE 2005, 1069 - vom 13.5.2005, 65 S 64/05, GE 2005, 1067, 1069; AG Wedding, Urteil vom 11.11.2004, 9 C 339/04, MM 2005, 191 [Ls.]; bei einem Leerstand unter 20 %: AG Charlottenburg, Urteil vom 26.4.2005 - 240 C 22/05 - GE 2005, 1065).
Umstritten war, ob das auch für die verbrauchabhängigen Kosten gilt. Insoweit war die Auffassung vertreten worden (KG, Urteil vom 15.9.2005 - 8 U 6/05 - GE 2005, 1424), daß verbrauchsabhängige Kosten (hier: Stromkosten) nur auf die tatsächlich genutzten Flächen zu verteilen und leerstehende Räume nicht zu berücksichtigen sind. Das AG Charlottenburg (Urteil v. 8.4.2005 - 208 C 541/04 - GE 2005, 623) hat den Vermieter für berechtigt gehalten, vom Mieter die Änderung des bestehenden Mietvertrages dahingehend zu verlangen, daß bei der Umlage der Kosten der Be- und Entwässerung mit Ausnahme des Niederschlagswassers, der Müllabfuhr hinsichtlich des Haushaltsmülls, der Hausbeleuchtung mit Ausnahme der Außenbeleuchtung und des Fahrstuhlstroms die nicht mitvermieteten Wohnungen außer Betracht bleiben.
Der BGH sieht ebenfalls bei den Kosten der Be- und Entwässerung mit Ausnahme des Niederschlagswassers, der Müllabfuhr hinsichtlich des Haushaltsmülls, der Hausbeleuchtung mit Ausnahme der Außenbeleuchtung und des Fahrstuhlstroms die Möglichkeit einer Abänderung des auch konkludent durch Abrechnung vereinbarten Umlageschlüssels nach der Wohnfläche, allerdings nur bei krasser Unbilligkeit der Beibehaltung des vereinbarten Umlageschlüssels. Er findet jedoch deutliche Worte gegen diese Abänderung bereits bei geringerem Leerstand, so daß allenfalls bei längerfristigem Leerstand von weit über 20 % überhaupt an einen Abänderungsanspruch zu denken ist.
Die Lösung des Problems liegt in dem Einbau von Verbrauchserfassungsgeräten (Wasserzähler, Zwischenzähler für Strom etc.), deren Kosten als Kosten der Energieeinsparung mit 11 % jährlich dauerhaft auf den Mieter umgelegt werden können (§ 559 Abs. 1 BGB).
BGH, Urteil vom 31. Mai 2006 - VIII ZR 159/05 - Wortlaut Seite 1030
Autor: Harald Kinne