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BGH differenziert erneut
Individualvertraglicher Kündigungsverzicht von mehr als vier Jahren nur teilunwirksam
29.08.2006 (GE 16/06, Seite 1008) Der BGH stellt klar: Übersteigt die Dauer des in einem Staffelmietvertrag individualvertraglich vereinbarten Kündigungsverzichts des Mieters den nach § 557 a Abs. 3 BGB zulässigen Zeitraum von vier Jahren, so ist der Kündigungsverzicht gemäß § 557 a Abs. 4 BGB nicht insgesamt, sondern nur insoweit unwirksam, als seine Dauer vier Jahre überschreitet.
Der Fall:
Mit Mietvertrag vom März 2002 mieteten die Mieter ein Einfamilienhaus. Der Mietvertrag sollte am 1. Mai 2002 beginnen und bis 30. April 2007 laufen. Vereinbart war darüber hinaus eine Verlängerung um jeweils zwölf Monate, falls keine Kündigung erfolgt. Ab 1. Mai 2003 sollte eine Staffelmiete gelten, und der Mieter verzichtete darüber hinaus bis 30.4.2007 auf sein Kündigungsrecht. Bereits im Dezember 2002 kündigten die Mieter den Mietvertrag.
Mit der Klage verlangen die Mieter die Feststellung, daß das Mietverhältnis durch ihre Kündigung mit Ablauf des 31. März 2003 geendet habe. Im Laufe des Verfahrens haben sie ihre auf Abschluß des Mietvertrages gerichteten Willenserklärungen wegen einer vermeintlich arglistigen Täuschung über Güllegerüche auch angefochten. Das AG hatte der Klage stattgegeben, das LG hatte die Klage abgewiesen.

Das Urteil:
Auf die zugelassene Revision hat der BGH das Urteil bezüglich des Hilfsantrags aufgehoben, im übrigen die Revision aber zurückgewiesen. Der BGH hat zunächst die rechtliche Bewertung des Landgerichts, daß es sich bei der auf Wunsch der Mieter in den Mietvertrag aufgenommenen Vereinbarung über die Laufzeit des Vertrages um eine Individualvereinbarung handelt, die als beidseitiger Kündigungsverzicht auszulegen sei, bestätigt. Es handele sich auch nicht um einen unzulässigen Zeitmietvertrag gem. § 575 BGB, da eine Verlängerungsoption vereinbart worden sei. Der BGH hat dann seine Rechtsprechung zum individualvertraglichen Kündigungsverzicht noch einmal dargestellt und bestätigt. Danach ist auch ein Kündigungsverzicht von 60 Monaten wirksam.
Der Fall unterschied sich aber von allen bisherigen Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen dadurch, daß hier noch eine Staffelmiete vereinbart war. Hier gilt die starre Grenze von 48 Monaten für Kündigungsausschlußvereinbarungen. Diese Grenze beginnt auch mit Abschluß der Vereinbarung – hier dem 28. März 2002 – und nicht dem Beginn der Staffelmietvereinbarung – hier der 1. Mai 2003 – zu laufen. Damit überschritt der Kündigungsverzicht die Grenze des § 557 a Abs. 3 Satz 1 BGB.
Entscheidend war nunmehr, ob dieser Verstoß die Unwirksamkeit des Kündigungsverzichts insgesamt oder nur hinsichtlich des die Vierjahresfrist überschreitenden Teils zur Folge hat. Für einen formularvertraglichen Kündigungsverzicht von mehr als vier Jahren hatte der BGH in seiner bisherigen Rechtsprechung unterschieden zwischen Verträgen, die noch unter Geltung des § 10 Abs. 2 MHG (also bis 31. August 2001) geschlossen worden waren, und solchen, die nach Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes (ab 1. September 2001) vereinbart wurden. Bei ersteren ging der BGH aufgrund der damaligen Gesetzesformulierung davon aus, daß nur der überschießende Verzicht unwirksam ist (BGH, VIII ZR 218/04 = GE 2006, 121). Für die seit 1. September 2001 abgeschlossenen Vereinbarungen hatte der BGH aber wegen des etwas abweichenden Wortlauts des § 557 a Abs. 3 BGB entschieden, daß diese Vereinbarungen insgesamt und von Anfang an unwirksam sind (BGH, VIII ZR 3/04 = GE 2006, 247). Die vorliegende Vereinbarung war zwar unter Geltung des § 557 a BGB getroffen worden, aber es handelte sich nicht um eine Formularklausel, sondern um einen Individualvertrag. Maßstab der Prüfung konnte also nicht § 307 BGB sein, sondern nur § 557 a Abs. 4 BGB, wonach eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam ist. Aus dem Wortlaut der Norm war eine eindeutige Rechtsfolge ebensowenig herzuleiten wie aus der Gesetzesbegründung.
Deshalb hat der Senat auf den Zweck des Gesetzes abgestellt. Die zeitliche Beschränkung des Kündigungsverzichts des Mieters in § 557 a Abs. 3 dient dem Schutz des Mieters. Da eine Staffelmietvereinbarung eine Prognoseentscheidung enthält, sollte der Ausschluß des Kündigungsrechts begrenzt werden, damit der Mieter spätestens vier Jahre nach der Vereinbarung bei einer Mietpreis-entwicklung, die seinen Vorstellungen nicht entsprach, kündigen könne. Bis vier Jahre wollte der Gesetzgeber aber eine Bindung des Mieters an den Vertrag zulassen.
Der BGH hat zur weiteren Begründung seines Ergebnisses auch auf seine Rechtsprechung als Kaufrechtssenat zurückgegriffen. Dort hat er Bierlieferungsverträge, die wegen überlanger Laufzeiten gegen die guten Sitten verstießen, mit einer angemessenen Laufzeit aufrechterhalten. Damit war der Mietvertrag erst zum 28. März 2006 kündbar.
Soweit die Mieter in der Revisionsinstanz hilfsweise eine Umdeutung in eine fristlose Kündigung erklärt hatten, hat der Senat dies unter Hinweis auf das Begründungserfordernis des § 569 Abs. 4 BGB für unerheblich erklärt. Der Senat hat die Sache aber insofern aufgehoben, als das Landgericht die Anfechtung nicht als Minus einer außerordentlichen Kündigung gesehen hat.

Anmerkung:
Der VIII. Senat hat mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Kündigungsausschlußvereinbarungen fortgesetzt und weiter differenziert (dazu Börstinghaus GE 2006, 898 ff.). Begonnen hatte es mit der Entscheidung vom 22. Dezember 2003 zum individualvertraglichen einseitigen Kündigungsverzicht. Es folgten die verschiedenen Entscheidungen zu den verschiedenen Voraussetzungen, die an einen formularvertraglichen Kündigungsverzicht zu stellen sind (wechselseitig, nur ordentliche Kündigung und nicht mehr als vier Jahre). Zuletzt ging es um die Verbindung von Kündigungsausschlußvereinbarungen und Staffelmietvereinbarungen. Auch hier gilt es also hinsichtlich der Rechtsfolgen zu differenzieren zwischen dem formularvertraglichen und dem individualvertraglichen Kündigungsverzicht. Dies liegt an dem unterschiedlichen Maßstab, der anzulegen ist. Nur für die Formularverträge gilt der strengere § 307 BGB. Verstöße haben hier auch wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion die Unwirksam der gesamten Ausschlußvereinbarung zur Folge, während Individualverträge regelmäßig nur insoweit unwirksam sind, als sie gegen das Verbot verstoßen. Die weiteren Entscheidungen betrafen dann die Frage des Fristbeginns und des Fristendes.
Aufgrund der neuen Entscheidung des BGH ist die Übersichtstabelle von RiAG Ulf Börstinghaus in GE 2006, 899 zu aktualisieren. Zur neuen Übersicht gelangen Sie über untenstehenden Link.

BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 - VIII ZR 257/04 - Wortlaut Seite 1032
Autor: RiAG Ulf Börstinghaus


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