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Umstrittene Novellierung des Berliner Energiespargesetzes
Das will Berlin den Eigentümern vorschreiben: Wie und womit Heizungen künftig betrieben werden
07.08.2006 (GE 15/06, Seite 932) Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode planen die beiden den Berliner Senat tragenden Regierungsparteien durch eine Änderung des Berliner Energiespargesetzes weitreichende Eingriffe in Eigentümerbefugnisse. Wer neu baut oder bestehende Gebäude umbaut, soll ab dem 1. Januar 2007 nicht mehr selbst entscheiden dürfen, wie er heizt oder Warmwasser bereitet. Statt dessen wird ihm vorgeschrieben, sich ans Berliner Fernwärmenetz anzuschließen, Abwärme zu nutzen oder mindestens 15 % der Gebäudeheizwärme und 30 % der Energie für Warmwasser aus erneuerbaren Energien (Solaranlagenpflicht!) zu beziehen. Verbände und Unternehmen laufen Sturm gegen diesen sozialistischen Versuch der Volksbeglückung.
Berlin tanzt auf eigener Hochzeit

Daß die Einsparung von Energie, auch die von Heizenergie, schon aus wirtschaftlichen, aber auch aus umweltpolitischen Gründen ein vorrangiges Ziel der deutschen Volkswirtschaft ist, wird niemand ernsthaft bestreiten. Diesem Ziel dient eine umfangreiche und in den letzten Jahren deutlich erweiterte und veränderte bundespolitische Energiegesetzgebung, die ihren Niederschlag z. B. im Energiewirtschaftsgesetz, der Energieeinsparverordnung, dem Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz und dem Erneuerbare Energiengesetz findet. Sonderwege einzelner Bundesländer sind angesichts dieser umfassenden Regelungs- und Steuerungsinstrumente nicht erforderlich.
Dennoch glaubte Berlin, diesen Regelungen noch ein eigenes Berliner Ener-giespargesetz aufsatteln zu müssen. Bisher hat dieses Gesetz ein Schattendasein geführt. Vor dem Hintergrund der veränderten Rahmenbedingungen im Bund halten nun die Regierungsfraktionen von SPD und Linkspartei.PDS eine grundlegende Änderung des Berliner Energiespargesetzes für erforderlich und haben am 31. Mai 2006 das Zweite Gesetz zur Änderung des Berliner Energiespargesetzes in das Berliner Abgeordnetenhaus eingebracht. Die für die Praxis bedeutsamsten Änderungen finden sich in § 24, der völlig neu gestaltet werden und weitreichende Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit für Gebäudeeigentümer bringen soll (vgl. den Entwurf dieser Vorschrift Seite 933). Erreichen allerdings wird die Vorschrift genau das Gegenteil dessen, was sie will: Gebäudeeigentümer werden künftig Maßnahmen zur Einsparung von Heizenergie (z. B. den Austausch alter Heizungen) soweit hinauszögern wie möglich, um dem staatlich verordneten Zwangsanschluß an das Berliner Fernwärmenetz oder der erzwungen Installation von Solaranlagen zu entgehen.

Keine Entscheidungsfreiheit
– Beheizungsart vorgeschrieben

Kernpunkt der geplanten Novellierung ist ohne Frage der § 24, in dem die Anforderungen zur Nutzung erneuerbarer Energien formuliert werden.
Danach werden Bauherrn, die nach dem 1. Januar 2007 eine bauliche Anlage neu errichten wollen, verpflichtet sicherzustellen, daß
a) das Gebäude durch Fernwärme in Kraft-Wärme-Koppelung oder
b) Wärme aus dezentraler Kraft-Wärme-Koppelung oder
c) Abwärme beheizt wird, oder
d) die benötigte Energie für die Beheizung des Gebäudes zu einem Min-dest-anteil von 15 % aus erneuerbaren Energien bezogen wird oder
e) die Warmwasserversorgung zu einem Anteil von mindestens 30 von Hundert durch erneuerbare Energien erfolgt.
Gleiche Anforderungen gelten für bestimmte bauliche Vorhaben zur Änderung bestehender Gebäude. Dann nämlich, wenn die geplanten baulichen Änderungen eine Pflicht zur Einhaltung von Wärmeschutzanforderungen nach der Energiesparverordnung auslösen, gelten diese Anforderungen auch. Das betrifft beispielsweise
n die Erneuerung oder Ersetzung von Außenwänden,
n die Erneuerung oder Ersetzung des Außenputzes,
n Erneuerung von Fenstern, Fenstertüren und Außentüren,
n Einbau zusätzlicher Vor- oder Innenfenster,
n Dämmung oberster Geschoßdecken unter Steildächern,
n Dämmung von Flachdächern sowie von Wänden und Decken, die an unbeheizte Räume oder Erdreich grenzen,
n Neubau oder Erneuerung von Fußbodenaufbauten auf der beheizten Seite des Gebäudes,
n Austausch bestehender Heizanlagen.
All diese Maßnahmen lösen erhöhte Wärmeschutzanforderungen nach der Energiesparverordnung aus. Bei all diesen Maßnahmen wäre ein Eigentümer gezwungen, den Anforderungen des § 24 Berliner Energiespargesetzes zu genügen – er müßte sein Haus also entweder an das Berliner Fernwärmenetz anschließen, Wärme aus Abwärme beziehen, ein Blockheizkraftwerk oder Solaranlagen einbauen. Und das schon bei der Haustürerneuerung!

Kritik von allen Seiten

In einer Anhörung zum Gesetzentwurf Ende Juni kritisierten Experten vor allem diese geplante neue Vorschrift.
Allgemein wurde kritisiert, der Gesetzentwurf wirke insbesondere durch die Vorgabe restriktiver technologischer Maßnahmen dem Zweck, die energie- und umweltpolitischen Ziele zu erreichen, entgegen. Ein Energiespargesetz kann nur dann entsprechend erfolgreich sein, wenn es in die Bundes- und europäische Gesetzgebung integriert ist und diese ergänzt. Sie darf aber nicht im Widerspruch dazu stehen. Die Ener-gieeinspar-Verordnung (EnEV) gibt Ener-gieeinsparziele vor, überläßt es aber den Investoren und Bauherren, welche Maßnahmen zum Erreichen des Ziels eingesetzt werden. Ein solches Gesetz sei wettbewerbskonform.
Die geplanten Änderungen beim Berliner Energiespargesetz stellen im Gegensatz zur Energiesparverordnung eine Berliner Sonderregelung dar, beschränken die Wahlfreiheit und benachteiligen andere kosteneffiziente, konventionelle Technologien, wie z. B. die hochenergieeffiziente, technisch ausgereifte und bewährte Gasbrennwerttechnologie. Deshalb kann man nur mit großer Sorge insbesondere die Passagen des § 24 (Anforderung zur Nutzung von erneuerbaren Energien) zur Kenntnis nehmen, die eine einseitige Bevorzugung von Maßnahmen der Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbaren Energien darstellen. Nur in begründeten Ausnahmefällen darf davon abgewichen werden.
Diese Bevorzugung ist auch nicht nachvollziehbar, da sie die Ausgangssituation am Berliner Wärmemarkt nicht richtig abbildet. Nach den vorliegenden Zahlen werden in Berlin ca. 20.000 Heizungsanlagen pro Jahr modernisiert und in Neubauten errichtet. Der weit überwiegende Teil dieser Anlagen bietet keine bzw. nur eingeschränkte Möglichkeiten, mit einer der in § 24 vorgesehenen Technologien ausgestattet zu werden. Dies aus folgenden Gründen:

Viele Anforderungen sind
faktisch nicht erfüllbar

Der größte Teil der Neubauten und Modernisierungsmaßnahmen findet in den Randbezirken Berlins im Einfamilienhaus-Bereich statt. Damit entfällt für Hauseigentümer generell die Möglichkeit des Anschlusses an das Fernwärme-Netz. Dezentrale Kraft-Wärme-Koppelungs-Anlagen sind noch in der Entwicklungsphase und aus wirtschaftlichen und technologischen Gründen unzumutbar.
Der sinnvolle Einsatz von regenerativen Technologien ist sehr stark von den örtlichen Gegebenheiten abhängig. Bei Solaranlagen beispielsweise ist zu beachten, daß Aufstellmöglichkeiten für die Speicher und die Solarmodule vorhanden sein müssen, die Dachfläche eine überwiegende Südausrichtung aufweisen muß und nicht verschattet sein darf. Auch der Einsatz von Wärmepumpen, Holzpellet- und Hackschnitzel-Heizungen ist an spezielle infrastrukturelle Voraussetzungen gebunden – der Senat selbst möchte die Holzheizungen im Innenstadtbereich wegen der hohen Feinstaubemissionen gar nicht zulassen.
Dem Berliner Senat scheint im übrigen die Initiative der beiden Regierungsfraktionen selbst auch nicht besonders zu schmecken. In seiner Stellungnahme zum Fraktionsentwurf weist der Senat im Hinblick auf die gewünschten Änderungen in § 24 darauf hin, daß
1. vermutlich mit den Regelungen in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingegriffen würde,
2. ein großer Teil der Regelungen durch die Energiesparverordnung des Bundes abgedeckt ist,
3. der Fraktionsentwurf im Widerspruch zu der vom Bundesgesetzgeber gewollten Stärkung der Eigenverantwortung der Baubeteiligten steht,
4. bei bestehenden Gebäuden wohl derartige Auflagen nur gemacht werden könnten, wenn die Heizungsanlage selbst ersetzt, aber nicht wenn Wärmedämmungsmaßnahmen an Gebäuden durchgeführt werden.
Zwar sieht § 24 Abs. 2 der geplanten Novelle vor, daß Bauherren von den genannten Anforderungen freigestellt werden, „wenn die Einhaltung … wirtschaftlich oder technisch unzumutbar oder unverhältnismäßig ist„. Dies bedeutet aber für Bauherrn und Planer, einen außerordentlichen Aufwand für Nachweise und Dokumentationen zu betreiben, um im Ergebnis dennoch konventionelle, schnell verfügbare und preiswerte Technologien wie die Gas-Brennwerttechnik einzusetzen. Dieser bürokratische Aufwand wird auch zur Verschiebung von Investitionen führen und damit dem Ziel des Gesetzes – möglichst schnell Energie zu sparen – entgegenwirken.

Eigenverantwortung
funktioniert besser

Wünschenswert ist das nicht. In Berlin gibt es nach wie vor ein sehr großes Potential an modernisierungsbedürftigen Anlagen. Nach Schätzungen handelt es sich dabei um über 10.000 Ölanlagen mit einem Baujahr vor 1982. Ähnlich große Potentiale verbergen sich auch noch im Bereich der Kohleeinzelöfen, die durch moderne Gasetagenheizungen in Brennwerttechnik ersetzt werden könnten. Laut Berliner Heizspiegel (Seite 20) benötigen Gebäude, die mit Etagenheizungen ausgestattet sind, gegenüber Gebäuden mit Zentralheizungsanlagen ca. 20 % weniger Energie für Heizung und Warmwasserbereitung, weil Mieter oder Eigentümer, wenn sie direkt die Kostenkontrolle haben, sich wesentlich energiesparender verhalten.
Im übrigen haben sich seit Jahren die wohnungswirtschaftlichen Verbände und andere Institutionen durch freiwillige Vereinbarungen dazu verpflichtet, den Anteil regenerativer Energien bei der Gebäudeheizung auszuweiten und/oder Energiespartechnologien zu fördern. Zu denken ist beispielsweise an die Solarpartner Berlin (bei denen auch Haus & Grund Berlin mitarbeitet).
Beispielsweise haben die Mitgliedsunternehmen des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) zwischen 1991 und 2005 fast 19 Milliarden Euro in die Verbesserung des Gebäudebestandes investiert, vor allem in Energiesparmaßnahmen. Rund 360.000 Wohnungen wurden allein von den Verbandsmitgliedern des BBU vorrangig unter dem Gesichtspunkt von Ener-giesparmaßnahmen modernisiert. Im Rahmen der Solarpartnerschaft wurden in den letzten fünfeinhalb Jahren durch derartige Maßnahmen der CO2-Ausstoß um 25 % mehr als vereinbart reduziert, 24.000 m2 Solaranlagen entstanden auf Berlins Dächern, 38.000 m2 Solarzellenflächen durch photovoltaische Anlagen.
Auch Unternehmen wie etwa die GASAG haben dazu beigetragen, daß erhebliche Fortschritte in der Klima- und Umweltbilanz des Landes erzielt werden konnten. Der Marktanteil von Erdgas ist in den letzten acht Jahren von etwa 35 % auf mittlerweile über 45 % gesteigert worden. In den Jahren 2002 bis 2005 sind knapp 32.000 veraltete Heizungsanlagen auf moderne Erdgasheizungen umgestellt worden. In diesem Zeitraum konnten allein 42.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Auch der gerade zwischen dem Berliner Senat und der GASAG geschlossene Kooperationsvertrag „Klimaschutz und Luftreinhaltung„ für den Zeitraum 2006 bis 2010 sorgt dafür, daß die GASAG ihr Erdgasnetz ausbaut und mit 5 Millionen Euro den Einsatz bewährter und neuer Technologien fördert und durch Information, Beratung, Kommunikation und Forschung das Ziel der Primärener-gieeinsparung unterstützt. Das Land Berlin verpflichtet sich umgekehrt, Erdgasanwendungen zu fördern und unter anderem gleichberechtigt neben der Fernwärme im Innenstadtbereich einzusetzen.
Wettbewerbs- und marktorientierte Ansätze sind generell besser geeignet, die umwelt- und energiepolitischen Ziele zu unterstützen. Die planwirtschaftlichen Vorstellungen, die in der Novelle zum Berliner Energiespargesetz zum Ausdruck kommen, leisten diesen Zielen einen Bärendienst.