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Kalte Zeitungsbeiträge
20.11.2000 (GE 15/2000, 980) Daß Zeitungsbeiträge „kalt” geschrieben werden, ist nichts Ungewöhnliches und der Hektik und dem Zeitdruck des Geschäfts geschuldet.
„Kalt” geschrieben bedeutet, daß ein Beitrag über ein Ereignis geschrieben wird, das noch gar nicht geschehen ist, von dem der Schreiber aber annimmt, daß es mit Sicherheit geschehen wird. Oft werden auch mehrere Varianten geschrieben, um möglichst schnell reagieren zu können. Beispiel: Ein Fußballspiel findet spät am Abend statt und man möchte auf jeden Fall noch einen Bericht in der Morgenausgabe haben. Also werden zwei, drei Varianten geschrieben (mal verliert Deutschland, mal gewinnt Deutschland, mal wird unentschieden gespielt), hält alles ein wenig wolkig und hat schließlich nur noch vier Zeilen zu schreiben, die dann heißen: „Gestern gewann Deutschland endlich wieder einmal durch ein Tor von Scholl in der 89. Minute gegen einen in allen Belangen ebenbürtigen Gegner aus Andorra”. Der Leser merkt meistens nicht, ob Geschichten „kalt” geschrieben worden sind, der Fachmann sehr wohl. Manchmal merkt‘s aber auch der Leser. Dann nämlich, wenn die falsche Variante ins Blatt gehoben wurde. So jüngst geschehen in der „Berliner Rundschau”, dem Parteiorgan der Berliner CDU, wo zu lesen war, die von der rot-grünen Mehrheit im Bundestag beschlossene Steuerreform sei im Bundesrat, wo die CDU-geführten Länder über eine Mehrheit verfügten, verworfen worden, und die CDU müsse sich jetzt im Vermittlungsausschuß bewegen. Pustekuchen. Redaktionsschluß für das Blatt war zwölf Stunden vor der Bundesratssitzung, wo Eberhard Diepgen dann ganz anders stimmte. Auch seinen Generalsekretär Ingo Schmitt hatte Diepgen nicht in seine geheimsten Gedankengänge eingeweiht. Denn Schmitt fiel in besagter Ausgabe der Berliner Rundschau über Gerhard Schröder her, weil der „Stimmen-Shopping” zu betreiben versucht habe. Das alles liegt natürlich auf Diepgens Linie, der sich mit dem Satz gegen Kritiker aus der eigenen Reihe verteidigt, erst komme das Land, dann die Partei.