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Die stummen Botschaften des BGH
26.07.2006 (GE 14/06, Seite 857) Der Handel im Laden für Wahrsager-Bedarf wird künftig ein blühendes Geschäft Kristallkugeln, Kaffeesatz (gibt es den im Zeitalter der Kaffeevollautomaten eigentlich noch?), wahrscheinlich auch Tarot-Karten gehen weg wie die sprichwörtlich warmen Semmeln und werden das ist ungewöhnlich vor allem von Juristen nachgefragt werden. Grund hierfür ist die zunehmend ins Unsichtbare gleitende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Wohnraummietsachen.
Nun muß sich niemand ängstigen, daß etwa der zuständige Zivilsenat beim BGH aufgelöst würde oder fünf obere Richter gleichzeitig an Schreibhemmung litten. Gerade die entstandene Flut von Revisionsentscheidungen zwingt indes Teile des obersten Gerichts zu rigorosen Sparmaßnahmen: Da weder eine vermehrte Zurückweisung von zugelassenen Revisionen noch stark verkürzte Urteilsgründe auf Dauer bei den untergeordneten Gerichten, den Anwälten und Parteien einen guten Eindruck hinterlassen, haben sich die Zivilrichter etwas Besseres einfallen lassen: Sie teilen ihre Rechtsauffassungen nicht mehr stets ausdrücklich mit, sondern belassen es mitunter bei nur gedachter Meinung.
In dem für die Mietpraxis bedeutsamen Urteil vom 15. März 2006 (VIII ZR 123/05, GE 2006, 640) vertritt der BGH nicht nur die Ansicht, daß die Verjährung der Ersatzansprüche des Vermieters nach § 548 BGB bereits mit der Rückgabe der Mietsache beginnt; er verweist darüber hinaus leichte Gereiztheit glaubt man als Leser dem Passus entnehmen zu können auf ein vorangegangenes Urteil vom 4. Mai 2005 (VIII ZR 93/04, GE 2005, 728) mit folgenden Worten:
"Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gilt das aber nicht nur dann, wenn der Mietvertrag zum Zeitpunkt der Rückgabe der Wohnung bereits beendet ist, sondern auch dann, wenn er, wie hier, erst später endet (so unausgesprochen bereits Senat, Urteil vom 4. Mai 2005, aaO.; )."
In der genannten Entscheidung vom 4. Mai 2005 war nun zwar dem Sachverhalt zu entnehmen, daß der dortige Mietvertrag am 31. Juli 2002 endete, die Wohnung indes schon am 10. Juli 2002 dem Vermieter übergeben worden war. Der BGH nahm dort eine Hemmung der mit Rückgabe der Wohnung beginnenden Verjährung durch den Abschluß eines Widerrufvergleichs an und hielt den Schadensersatzanspruch des Vermieters für unverjährt eine Silbe zur Konstellation "Rückgabe vor Mietvertragsende" ist nicht zu finden.
Das macht aber nichts, denn das Rätsel der Verjährung im Mietrecht ist nunmehr gelöst:
Sensible Juristen können zwischen den Zeilen lesen und müssen nicht jede Rechtsmeinung des BGH mit dem Holzhammer vermittelt bekommen. Mit anderen Worten: Der schnöde Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit einer Urkunde gilt nicht für die Urteile des Bundesgerichtshofs. An deren Lektüre und Verständnis nämlich zeigt sich der wahre Meister des Rechts der, der sieht, was das oberste Gericht in Zivilsachen zwar dachte, aber weil viel zu banal nicht in schlichte Worte fassen wollte; der, der spürt, daß nicht alles, was Recht ist, ausgesprochen werden muß; der, der ahnt, daß sich die Revisionsinstanz nicht jederzeit verbal in die häßlichen Niederungen von mit Schimmelpilz befallenen Wohnungen und nervraubenden Betriebskostenabrechnungen begeben kann.
Gewisse hellseherische Fähigkeiten dürften also vonnöten sein, um durch Lektüre auch des unausgesprochenen und ungeschriebenen Wortes das oberste Zivilgericht fortan nicht mit überflüssigen Revisionszulassungen und -einlegungen zu belasten.
Nachgefragt werden im Wohnraummietrecht zukünftig mithin präkognitiv begabte Hellseher, die ferner das Futur II spielend beherrschen. Denn die bange Frage bei der Lektüre höchstrichterlicher Urteile lautet demnächst: Was wird uns der BGH damit gesagt haben wollen????
Wer Zaubertinte nicht lesen kann, muß den Intensivkurs für Hellseher buchen (1. bis 6. Oktober 2006, 720 ).
"Man soll schweigen oder Dinge sagen, die besser sind als das Schweigen."
(Pythagoras, griechischer Mathematiker und Philosoph)
In dem für die Mietpraxis bedeutsamen Urteil vom 15. März 2006 (VIII ZR 123/05, GE 2006, 640) vertritt der BGH nicht nur die Ansicht, daß die Verjährung der Ersatzansprüche des Vermieters nach § 548 BGB bereits mit der Rückgabe der Mietsache beginnt; er verweist darüber hinaus leichte Gereiztheit glaubt man als Leser dem Passus entnehmen zu können auf ein vorangegangenes Urteil vom 4. Mai 2005 (VIII ZR 93/04, GE 2005, 728) mit folgenden Worten:
"Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gilt das aber nicht nur dann, wenn der Mietvertrag zum Zeitpunkt der Rückgabe der Wohnung bereits beendet ist, sondern auch dann, wenn er, wie hier, erst später endet (so unausgesprochen bereits Senat, Urteil vom 4. Mai 2005, aaO.; )."
In der genannten Entscheidung vom 4. Mai 2005 war nun zwar dem Sachverhalt zu entnehmen, daß der dortige Mietvertrag am 31. Juli 2002 endete, die Wohnung indes schon am 10. Juli 2002 dem Vermieter übergeben worden war. Der BGH nahm dort eine Hemmung der mit Rückgabe der Wohnung beginnenden Verjährung durch den Abschluß eines Widerrufvergleichs an und hielt den Schadensersatzanspruch des Vermieters für unverjährt eine Silbe zur Konstellation "Rückgabe vor Mietvertragsende" ist nicht zu finden.
Das macht aber nichts, denn das Rätsel der Verjährung im Mietrecht ist nunmehr gelöst:
Sensible Juristen können zwischen den Zeilen lesen und müssen nicht jede Rechtsmeinung des BGH mit dem Holzhammer vermittelt bekommen. Mit anderen Worten: Der schnöde Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit einer Urkunde gilt nicht für die Urteile des Bundesgerichtshofs. An deren Lektüre und Verständnis nämlich zeigt sich der wahre Meister des Rechts der, der sieht, was das oberste Gericht in Zivilsachen zwar dachte, aber weil viel zu banal nicht in schlichte Worte fassen wollte; der, der spürt, daß nicht alles, was Recht ist, ausgesprochen werden muß; der, der ahnt, daß sich die Revisionsinstanz nicht jederzeit verbal in die häßlichen Niederungen von mit Schimmelpilz befallenen Wohnungen und nervraubenden Betriebskostenabrechnungen begeben kann.
Gewisse hellseherische Fähigkeiten dürften also vonnöten sein, um durch Lektüre auch des unausgesprochenen und ungeschriebenen Wortes das oberste Zivilgericht fortan nicht mit überflüssigen Revisionszulassungen und -einlegungen zu belasten.
Nachgefragt werden im Wohnraummietrecht zukünftig mithin präkognitiv begabte Hellseher, die ferner das Futur II spielend beherrschen. Denn die bange Frage bei der Lektüre höchstrichterlicher Urteile lautet demnächst: Was wird uns der BGH damit gesagt haben wollen????
Wer Zaubertinte nicht lesen kann, muß den Intensivkurs für Hellseher buchen (1. bis 6. Oktober 2006, 720 ).
"Man soll schweigen oder Dinge sagen, die besser sind als das Schweigen."
(Pythagoras, griechischer Mathematiker und Philosoph)
Autor: VRi'inLG Regine Paschke