Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Bleibt geheim: Kalkulation der Entgelte von BSR und BWB
Informationsrecht durch Behörde vereitelt
03.07.2006 (GE 12/06, Seite 751) Nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz hat jedermann ein umfassendes Informationsrecht hinsichtlich der Akten öffentlicher Stellen. Die Rechtsprechung legt das allerdings einschränkend aus. So besteht kein Einsichtsrecht in den Terminkalender des Regierenden Bürgermeisters (VG Berlin 2 A 178/04, Urt. v. 10.5.2005); auch Akten über eine Dienstaufsichtsbeschwerde können nicht eingesehen werden (VG Berlin NVwZ-RR 2002, 810). Die neuen Urteile des Verwaltungsgerichts Berlin zur Frage der Einsicht in die Tarifkalkulationen von BSR und BWB eröffnen der Behörde weitere Ausweichmöglichkeiten.
Fall 1:
Haus & Grund Berlin, der Dachverband der privaten Berliner Eigentümer, hatte auf Akteneinsicht geklagt über die Vorgänge, die der Tarifgenehmigung des Berliner Senats für die Straßenreinigungs- und Müllabfuhrentgelte 1999/2000 und 2001/2002 zugrunde lagen.
Zunächst durfte ein Teil der Unterlagen von Haus & Grund eingesehen werden. Ein weiterer Teil der Unterlagen, insbesondere Teile eines vom Senat in Auftrag gegebenen Gutachtens zur Überprüfung der Tarifkalkulation, war jedoch geschwärzt worden mit der Begründung, diese Teile enthielten Geschäftsgeheimnisse, die nicht offenbart werden müßten. Mit Hinweis auf die Monopolstellung der BSR verfolgte Haus & Grund sein Ziel, uneingeschränkte Auskunft zu erhalten, gerichtlich weiter. Das VG Berlin beraumte endlich (nach fünfjähriger Prozeßdauer) Termin zur mündlichen Verhandlung an. 14 Tage vor dem Termin schickte die Senatsverwaltung sämtliche Unterlagen einschließlich des von ihr selbst in Auftrag gegebenen (allerdings von den BSR bezahlten!!!!) Prüfungsgutachtens an die BSR zurück.

Fall 2:
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen erstrebte über das Informationsfreiheitsgesetz Einblick in die Tarifgenehmigung für Wasser, Abwasser und Niederschlagswasser für das Jahr 2004. Die Klage wurde in einem Fall gegen die Senatsverwaltung für Wirtschaft als Tarifgenehmigungsbehörde und parallel unmittelbar gegen die Berliner Wasserbetriebe gerichtet.

Das Urteil im Fall 1:
Das Verwaltungsgericht Berlin verkündete noch in der Sitzung sein klagabweisendes Urteil und meinte, es komme nicht darauf an, ob der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen hier ein Versagungsgrund gewesen wäre. Ein Akteneinsichtsrecht bestehe schon deshalb nicht, weil die Senatsverwaltung keine Akten mehr „führe„ im Sinne des § 3 IFG. Es lägen auch keine Anhaltspunkte für ein mißbräuchliches Verhalten des Beklagten vor.

Das Urteil im Fall 2:
Das VG wies die Klage mit der Begründung zurück, sämtliche Daten der Tarifkalkulation und alle Wirtschaftsprüferdaten stellten Geschäftsgeheimnisse dar.

Anmerkung:
Im Prozeßrecht gibt es den Begriff der Beweisvereitelung, wonach derjenige treuwidrig handelt, der der Gegenseite ein Beweismittel entzieht (vgl. § 444 ZPO; BSG NJW 1973, 535). Dabei reicht schon Fahrlässigkeit aus. Um so mehr muß das für Ansprüche gelten, die begründet sind und von der Gegenseite zumindest fahrlässig vereitelt werden. Der Einwand des Rechtsmißbrauchs drängte sich im vorliegenden Fall geradezu auf, wenn Ende April 2006 die Senatsverwaltung die Unterlagen an die BSR schickt, nachdem ein Termin auf den 10. Mai 2006 beim Verwaltungsgericht anberaumt worden war.
Die Auskunftsklage war auch begründet, denn der Versagungsgrund des § 7 IFG lag nicht vor. Das Verwaltungsgericht Berlin zitiert die Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein vom 30. März 2005 zu den Informationen, die einer Behörde vorliegen. Das OVG stellt dort klar, daß es auf eine rechtliche Verfügungsbefugnis der Behörde nicht ankommt. Der Leitsatz 2 der Entscheidung lautet wörtlich: „Eine Behörde kann sich nicht auf die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen; geschützt sind insoweit nur private.„ Das Land Berlin hätte daher Akteneinsicht gewähren müssen.

VG Berlin, Urteil vom 10. Mai 2006 - 2 A 56.04 - Wortlaut Seite 785; VG Berlin, Urteil vom 25. April 2006 - VG 2 A 88.05 - Wortlaut Seite 787
Autor: Rudolf Beuermann