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Elektrosmog
Kein Anspruch des Mieters auf Unterlassung des Betriebs einer Mobilfunkanlage
03.07.2006 (GE 12/06, Seite 752) Der VIII. Senat des BGH bestätigt die Entscheidung aus 2004: Hinsichtlich Ansprüchen wegen des Betriebs von Mobilfunksendeanlagen kommt es allein auf die Einhaltung der Grenzwerte der 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung an. Sind diese Grenzwerte eingehalten, sind subjektive Befürchtungen oder Ängste von Mietern oder Nachbarn unerheblich.
Der Fall:
Die Kläger, die Mieter einer Wohnung im Haus des Beklagten sind, verlangten von diesem, die Einrichtung und den Betrieb einer Mobilfunksendeanlage zu unterlassen. Der Vermieter hatte mit Nutzungsvertrag vom September 1999 einer Mobilfunkgesellschaft sowohl im Speicher als auch auf dem Dach seines Hauses gestattet, eine Mobilfunksendeanlage zu errichten. Für dieses Vorhaben hatte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zwei Standortbescheinigungen ausgestellt. Der Kläger machte insbesondere geltend, daß er aufgrund einer Erkrankung bettlägerig und auf einen Herzschrittmacher angewiesen sei.

Das Urteil:
Der BGH wies die Revision zurück. Ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen von dem Betrieb der Mobilfunksendeanlage ausgehende Emissionen stehe den Klägern nicht zu. Gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB müsse der betroffene Mieter die von der Mobilfunksendeanlage ausgehenden Beeinträchtigungen durch elektromagnetische Felder als unwesentlich dulden. Das Berufungsgericht habe richtig festgestellt, daß die Mobilfunksendeanlage die maßgeblichen Grenzwerte der 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) sowie des Entwurfs DIN VDE 0848-3-1 einhalte. Zudem liege die Wohnung der Kläger außerhalb des notwendigen Sicherheitsabstands. Dies sei auch durch die Standortbescheinigungen der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post ausgewiesen. Zudem sei die Störfestigkeit des Herzschrittmachers entsprechend der technischen Grenzwerte belegt und die Lage der Wohnung der Kläger außerhalb des Einwirkungsbereichs für aktive Körperhilfen gem. § 10 Abs. 1 der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder nachgewiesen.
Der BGH verneinte aber ebenso einen mietvertraglichen Unterlassungsanspruch der Kläger, weil der Vermieter mit der Errichtung der Mobilfunksendeanlage den zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand nicht beeinträchtigt habe.
Obwohl eine Vereinbarung über den Zustand und den vertragsgemäßen Gebrauch bezüglich der Mobilfunksendeanlage fehle, liege mit der Errichtung der Antenne kein Mangel vor. Der Vermieter schulde nämlich nur die Einhaltung der einschlägigen technischen Normen. Da die Mobilfunksendeanlage aber die in der 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung festgelegten Grenzwerte für elektromagnetische Felder nicht überschritten habe, sei ein Mangel abzulehnen. Der Kläger habe nicht beweisen können, daß die in der 26. BImschV festgelegten Grenzwerte unzureichend seien, weil sie nicht mehr dem heutigen Erkenntnisstand entsprechen würden.

Anmerkung:
Der VIII. Zivilsenat des BGH schließt sich mit dieser Entscheidung dem wegweisenden Urteil des V. Zivilsenats des BGH vom 13. Februar 2004 (Az. V ZR 217/03, GE 2004, 683) an. Dort hatte sich der BGH erstmals mit einem privatrechtlichen Abwehranspruch von Nachbarn auseinandergesetzt, die sich gegen den Betrieb einer Mobilfunksendeanlage auf einem Kirchturm wendeten. Der BGH wies die Ansprüche der Kläger mit der Begründung ab, daß es sich bei den elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks in den von der 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung festgelegten Grenzen nur um unwesentliche Beeinträchtigungen i. S. d. § 906 Abs. 1 BGB handele und diese von den Klägern zu dulden seien.
Für die Vermietungspraxis ergibt sich daher folgendes Fazit:
1. Nachbarrechtliche Unterlassungsansprüche nach § 1004 BGB wie auch mietrechtliche Ansprüche bestehen nicht, wenn die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte für elektrische Felder eingehalten werden. Dafür stellt die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation eine Standortbescheinigung aus. Diese ist maßgeblich.
2. Für eine Mietminderung oder einen Anspruch auf einen nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruch ist es nicht ausreichend, daß mögliche Gesundheitsgefährdungen durch Mobilfunk nicht völlig auszuschließen sind. Entsprechende Fachkommissionen überarbeiten die Grenzwerte ständig. Diese gelten, bis andere in Kraft getreten sind.
3. Somit kommt es auf das subjektive Empfinden oder die bloßen Befürchtungen von Mietern oder Nachbarn vor den gesundheitlichen Auswirkungen des Betriebs von Mobilfunksendeanlagen nicht an. Auch bei Vorliegen einer Ausnahmesituation – Mieter mit Herzschrittmacher – kommt es allein auf die Einhaltung der objektiven Grenzwerte der 26. BImSchV sowie der zusätzlich heranzuziehenden DIN-Normen an.
4. In dem theoretischen Fall, daß es zu einer gesetzlichen Verschärfung der Grenzwerte kommt, hat jedoch der Vermieter gegenüber seinem Mieter dafür einzustehen, daß eine bestehende Mobilfunksendeanlage auch die neuen, verminderten Grenzwerte einhält bzw. der notwendige Sicherheitsabstand der Mobilfunksendeanlage zur Mietsache eingehalten wird.
5. Für den Vermieter ist es daher von besonderer Wichtigkeit, daß er sich gegenüber dem Mobilfunkbetreiber bei der Vertragsgestaltung des Mietvertrages für die Zurverfügungstellung der Fläche für die Sendeanlage absichert. Es sollte im Vertrag immer klargestellt werden, daß der Mobilfunkbetreiber die Pflicht zur Anpassung der Sendeanlage hat sowie sich auf gesicherter wissenschaftlicher Basis herausstellt, daß der bestehende Betrieb der Mobilfunksendeanlage gesundheitsgefährdend ist. Wenn eine Anpassung der Anlage nicht möglich ist, muß dem Vermieter ein sofortiges Sonderkündigungsrecht aus wichtigem Grund zustehen.

BGH, Urteil vom 15. März 2006 - VIII ZR 74/05 - Wortlaut Seite 777
Autor: RA Detlef Manger LL.M.