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Beraten und verkauft
15.06.2006 (GE 11/06, Seite 657) Vorstände und Minister glauben nicht an Berater – sie verlassen sich auf sie. Aufsichtsräte, Ministerrunden und Kreditausschüsse treffen keine Entscheidungen – sie geben Gutachten in Auftrag. Kants Kategorischer Imperativ gilt nur noch in pervertierter Form: „Handle so, wie Deine Berater es empfehlen und mache deren Meinung zum Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung.“

Beraten und verkauft

Thomas Leif, ein SWR-Journalist, beschreibt in seinem Buch „Beraten und verkauft: McKinsey & Co., der große Bluff der Unternehmensberater“ die Hybris dieser Branche – die allerdings in gleichem Umfang wächst wie der Entscheidungsunwille (die Entscheidungsunfähigkeit) der Auftraggeber. Die Folgen sind fatal.
Nach Pannen, Pech und Pleiten haben etwa Banken die eigene Bewertung von Grundstücken und Immobilien längst den Wertgutachtern überlassen. Da diese auf keinen Fall durch fallende Preise und Mieten in die Gefahr kommen wollen, einer zu hohen, zu freundlichen Bewertung geziehen zu werden, schlagen sie von den eigentlich ermittelten Verkehrswerten mal eben 40 % ab. Und da die internen Bewertungsrichtlinien bei der Ermittlung von Beleihungswerten generelle abermalige Abschläge von (z. B.) 20 % vorschreiben, werden aus 60 % nunmehr 48 %, aus 100 Millionen Wert-ansatz werden 48. Der Kunde erhält einen Brief mit der Aufforderung, Sicherheiten nachzulegen. Kann er oder will er das nicht, wird gekündigt.
Es gibt auch eine ganz andere Variante der Gutachterei. Wir leben im Zeitalter der privaten Beteiligungs- („private equity“-) Firmen, gelegentlich auch als Heuschrecken bezeichnet. Die haben den Markt der Wohnungsimmobilien in Deutschland entdeckt. Und obwohl die Zeit der früheren Schnäppchenpreise für diese Objekte längst vorbei ist, wird munter weitergekauft und weiterbeliehen, zu immer höheren Preisen, zu immer steigenden Beleihungswerten bei durchaus gleichbleibenden Mieten. Die Befürchtung, da bilde sich die nächste „Blase“, wächst.
Wie das? Haben Unternehmen und Banken die letzten Blasen, die letzten Krisen schon vergessen und verdrängt? Ganz falsch! Die fleißigen Kerlchen, die heute als junge Manager die internationalen Beteiligungsfirmen immer stärker aufblasen, haben richtige Krisen noch gar nicht erlebt, und natürlich dünken sie sich viel, viel schlauer als die Altvorderen, deren Nerven zu schnell flatterten und die man daher in die vorzeitige Rente befördert hat. Und die Banken, die das Ganze mitfinanzieren, haben ja ihre Gutachter, die bei allgemein steigenden Marktpreisen keinen Anlaß sehen, ihren Auftraggebern dadurch zu mißfallen, daß sie beim Vervielfältiger eine 10 statt einer 15 zugrunde legen und zu allem Überfluß noch Sicherheitsabschläge machen. Und spätere Falschbewertungen brauchen sie nicht zu fürchten, solange der Erwerber die Immobilien ohnehin nur erwirbt, um sie schnell und gewinnträchtig weiterzuverkaufen.
Mal sehen, was die Berater und Gutachter nun sagen werden, wenn einige hundert Wohnungsgesellschaften in Berlin wegen mangelnder Anschlußförderung im sozialen Wohnungsbau in die Insolvenz zu schicken sind. Doch egal, was die Berater und Gutachter sagen werden: Die Verlierer der Operation stehen allemal fest: die Anleger, die Projektentwickler, die Mieter. Und die Gewinner stehen auch fest: die Banken, Herr Sarrazin – und vor allem die Gutachter und Berater, die um ihre Einkommen nicht zu fürchten brauchen.
Ob Berlin als Ganzes zu den Gewinnern zählt, darf bezweifelt werden. Aber da gilt wohl die alte Chuzpe des Regierenden und der Regierenden: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.“
Autor: Dietmar Otremba