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Schönheitsreparaturen und Entfernen von Tapeten
Summierungseffekt führt zur Klauselunwirksamkeit
15.06.2006 (GE 11/06, Seite 675) Üblicherweise vereinbaren die Mietvertragsparteien mehrere Formularklauseln im Zusammenhang mit der Überbürdung der Schönheitsreparaturpflichten auf den Mieter. Das Zusammenspiel der Klauseln kann aber zu einem sog. Summierungseffekt führen, der die gesamte Schönheitsreparaturpflicht des Mieters aus den Angeln heben kann selbst wenn eine wirksame Individualvereinbarung mit einer Formularklausel zusammentrifft.
Der Fall:
Mietvertraglich war formularmäßig vereinbart, daß der Mieter die Verpflichtung hat, auf seine Kosten alle Schönheitsreparaturen auszuführen. Die Arbeiten sollten ab Mietbeginn in der Regel spätestens innerhalb bestimmter Fristen durchgeführt werden. Ferner enthielt der Mietvertrag neben dem Passus, daß die Mieträume nach Vertragsablauf geräumt, sauber zu verlassen sind, einen handschriftlich angefügten Satz, daß außerdem die Tapeten zu entfernen und die Decken wände zu streichen sind. Nach Ablauf des Mietverhältnisses erstellten die Mietvertragsparteien ein von beiden Parteien unterschriebenes Abnahmeprotokoll, in dem die durchzuführenden Renovierungsarbeiten im einzelnen bezeichnet waren und das mit dem Satz endete, daß der Mieter sich verpflichtet, nach Beendigung des Mietverhältnisses die Wohnung ordnungsgemäß und mangelfrei an den Vermieter zu übergeben. Der Mieter nahm Schönheitsreparaturen nicht vor. Der Vermieter forderte ihn entsprechend unter Fristsetzung auf, die Arbeiten durchzuführen, und bemerkte in dem Schreiben weiterhin, daß der Mieter wahlweise die im Abnahmeprotokoll übernommenen Verpflichtungen erfüllen könne oder aber die Verpflichtung, so wie sie sich aus dem Mietvertrag ergeben würde, vornehmen könne. Wolle er die Schönheitsreparaturen laut Mietvertrag vornehmen, waren sämtliche Tapeten zu entfernen und im übrigen die Schönheitsreparaturen entsprechend den Bestimmungen des Mietvertrags vorzunehmen. Da der Mieter nicht tätig wurde, machte der Vermieter laut Kostenvoranschlag eines Malergeschäftes Schadensersatz geltend. Damit hatte er in der Berufung beim Landgericht keinen Erfolg, was zu seiner Revision zum BGH führte.
Das Urteil:
Zunächst wies der VIII. Senat des BGH darauf hin, daß es sich bei dem Fristenplan laut Mietvertrag nicht um eine starre Regelung handele. Denn durch die vorangestellten Worte in der Regel sei genügend Raum für die Beurteilung im Einzelfall, um eine Anpassung der tatsächlichen Renovierungsintervalle an das objektiv Erforderliche zu ermöglichen. Dennoch ergebe sich die Unwirksamkeit der Formularklausel zur Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter aus dem sog. Summierungseffekt. Dieser liege vor, wenn jeweils für sich unbedenkliche, aber inhaltlich zusammengehörige Klauseln in ihrer Gesamtwirkung zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders führen. Das gelte auch dann, wenn die zu prüfende Formularklausel mit einer Individualvereinbarung zusammentreffe, denn bei der Prüfung einer Formularklausel sei der gesamte Vertragsinhalt einschließlich seiner Individualteile zu würdigen. Vorliegend betreffe die individuell vereinbarte Endrenovierungsbestimmung (außerdem seien die Tapeten zu entfernen und die Decken wände zu streichen) auch die Überwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen nach Fristenplan. Unerheblich sei insoweit der Umstand, daß die Endrenovierungsvereinbarung nicht eine vollständige, sondern wenn auch sprachlich mißglückte lediglich eine teilweise Endrenovierung vorschreibe. Die Verpflichtung sei für sich genommen unbedenklich (weil nicht am Maßstab des § 307 BGB zu messen). Im Summierungseffekt (laufende Schönheitsreparaturen mit Endrenovierungspflicht) entfalle die formularmäßige Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter. Der BGH geht dann noch auf die Endrenovierungspflicht als Individualvereinbarung ein und deutet an, daß die Unwirksamkeit der Formularklausel zu Schönheitsreparaturen nicht zwangsläufig auch die Unwirksamkeit der Individualvereinbarung zur Endrenovierung zur Folge habe. Denkbar sei allerdings, daß die beiden Klauseln wegen ihres sachlichen Zusammenhangs ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 139 BGB darstellten, das bei Nichtigkeit eines Teils im Zweifel insgesamt nichtig sei. Diese Frage entscheidet der BGH jedoch nicht, sondern kommt (wie das Berufungsgericht) zum Ergebnis, daß ein Schadensersatzanspruch deswegen nicht gegeben sei, weil vorliegend die Leistungsaufforderung nicht ausreichend eindeutig gewesen sei. Es sei für den Mieter nicht ausreichend erkennbar gewesen, zu welchen Leistungen er nach Auffassung des Vermieters verpflichtet sein sollte (allgemeine Schönheitsreparaturen nach Mietvertrag oder teilweise Endrenovierung [Tapeten entfernen und Decken und Wände streichen]).
Anmerkung:
Noch einmal zur Verdeutlichung: Wegen des Summierungseffekts stellt sich die formularmäßige Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter als unwirksam dar, weil auf den Mieter aufgrund der individuell vereinbarten Endrenovierungsverpflichtung die Durchführung der laufenden Schönheitsreparaturen und daneben noch die Endrenovierungspflicht unabhängig von zuletzt durchgeführten Schönheitsreparaturen im laufenden Mietverhältnis zukommt. Unabhängig davon, daß damit die Formularklausel zur Durchführung der Schönheitsreparaturen in Wegfall gekommen ist, bleibt (zunächst) die individuell vereinbarte Renovierungsverpflichtung bestehen, denn der Summierungseffekt hat im Prinzip keinen Einfluß auf die Wirksamkeit einer Individualvereinbarung. Die Wirkung des Summierungseffekts bezieht sich nämlich nur auf die (Un-) Wirksamkeit von Fomularklauseln. Dennoch, man sollte sich nichts vormachen: Wie schon der BGH andeutet, aber nicht entscheiden mußte, ist der Zusammenhang der Formularklausel mit der Individualvereinbarung nicht zu übersehen. In Anwendung des § 139 BGB dürfte damit das gesamte Vereinbarungswerk unwirksam sein. Hätte der BGH das entscheiden müssen, wäre er wohl mit ziemlicher Sicherheit zur Gesamtnichtigkeit gekommen, hätte die individuell vereinbarte Endrenovierung auch nicht in einen Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen münden können.
BGH, Urteil vom 5. April 2006 - VIII ZR 163/05 - Wortlaut Seite 706
Mietvertraglich war formularmäßig vereinbart, daß der Mieter die Verpflichtung hat, auf seine Kosten alle Schönheitsreparaturen auszuführen. Die Arbeiten sollten ab Mietbeginn in der Regel spätestens innerhalb bestimmter Fristen durchgeführt werden. Ferner enthielt der Mietvertrag neben dem Passus, daß die Mieträume nach Vertragsablauf geräumt, sauber zu verlassen sind, einen handschriftlich angefügten Satz, daß außerdem die Tapeten zu entfernen und die Decken wände zu streichen sind. Nach Ablauf des Mietverhältnisses erstellten die Mietvertragsparteien ein von beiden Parteien unterschriebenes Abnahmeprotokoll, in dem die durchzuführenden Renovierungsarbeiten im einzelnen bezeichnet waren und das mit dem Satz endete, daß der Mieter sich verpflichtet, nach Beendigung des Mietverhältnisses die Wohnung ordnungsgemäß und mangelfrei an den Vermieter zu übergeben. Der Mieter nahm Schönheitsreparaturen nicht vor. Der Vermieter forderte ihn entsprechend unter Fristsetzung auf, die Arbeiten durchzuführen, und bemerkte in dem Schreiben weiterhin, daß der Mieter wahlweise die im Abnahmeprotokoll übernommenen Verpflichtungen erfüllen könne oder aber die Verpflichtung, so wie sie sich aus dem Mietvertrag ergeben würde, vornehmen könne. Wolle er die Schönheitsreparaturen laut Mietvertrag vornehmen, waren sämtliche Tapeten zu entfernen und im übrigen die Schönheitsreparaturen entsprechend den Bestimmungen des Mietvertrags vorzunehmen. Da der Mieter nicht tätig wurde, machte der Vermieter laut Kostenvoranschlag eines Malergeschäftes Schadensersatz geltend. Damit hatte er in der Berufung beim Landgericht keinen Erfolg, was zu seiner Revision zum BGH führte.
Das Urteil:
Zunächst wies der VIII. Senat des BGH darauf hin, daß es sich bei dem Fristenplan laut Mietvertrag nicht um eine starre Regelung handele. Denn durch die vorangestellten Worte in der Regel sei genügend Raum für die Beurteilung im Einzelfall, um eine Anpassung der tatsächlichen Renovierungsintervalle an das objektiv Erforderliche zu ermöglichen. Dennoch ergebe sich die Unwirksamkeit der Formularklausel zur Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter aus dem sog. Summierungseffekt. Dieser liege vor, wenn jeweils für sich unbedenkliche, aber inhaltlich zusammengehörige Klauseln in ihrer Gesamtwirkung zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders führen. Das gelte auch dann, wenn die zu prüfende Formularklausel mit einer Individualvereinbarung zusammentreffe, denn bei der Prüfung einer Formularklausel sei der gesamte Vertragsinhalt einschließlich seiner Individualteile zu würdigen. Vorliegend betreffe die individuell vereinbarte Endrenovierungsbestimmung (außerdem seien die Tapeten zu entfernen und die Decken wände zu streichen) auch die Überwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen nach Fristenplan. Unerheblich sei insoweit der Umstand, daß die Endrenovierungsvereinbarung nicht eine vollständige, sondern wenn auch sprachlich mißglückte lediglich eine teilweise Endrenovierung vorschreibe. Die Verpflichtung sei für sich genommen unbedenklich (weil nicht am Maßstab des § 307 BGB zu messen). Im Summierungseffekt (laufende Schönheitsreparaturen mit Endrenovierungspflicht) entfalle die formularmäßige Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter. Der BGH geht dann noch auf die Endrenovierungspflicht als Individualvereinbarung ein und deutet an, daß die Unwirksamkeit der Formularklausel zu Schönheitsreparaturen nicht zwangsläufig auch die Unwirksamkeit der Individualvereinbarung zur Endrenovierung zur Folge habe. Denkbar sei allerdings, daß die beiden Klauseln wegen ihres sachlichen Zusammenhangs ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 139 BGB darstellten, das bei Nichtigkeit eines Teils im Zweifel insgesamt nichtig sei. Diese Frage entscheidet der BGH jedoch nicht, sondern kommt (wie das Berufungsgericht) zum Ergebnis, daß ein Schadensersatzanspruch deswegen nicht gegeben sei, weil vorliegend die Leistungsaufforderung nicht ausreichend eindeutig gewesen sei. Es sei für den Mieter nicht ausreichend erkennbar gewesen, zu welchen Leistungen er nach Auffassung des Vermieters verpflichtet sein sollte (allgemeine Schönheitsreparaturen nach Mietvertrag oder teilweise Endrenovierung [Tapeten entfernen und Decken und Wände streichen]).
Anmerkung:
Noch einmal zur Verdeutlichung: Wegen des Summierungseffekts stellt sich die formularmäßige Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter als unwirksam dar, weil auf den Mieter aufgrund der individuell vereinbarten Endrenovierungsverpflichtung die Durchführung der laufenden Schönheitsreparaturen und daneben noch die Endrenovierungspflicht unabhängig von zuletzt durchgeführten Schönheitsreparaturen im laufenden Mietverhältnis zukommt. Unabhängig davon, daß damit die Formularklausel zur Durchführung der Schönheitsreparaturen in Wegfall gekommen ist, bleibt (zunächst) die individuell vereinbarte Renovierungsverpflichtung bestehen, denn der Summierungseffekt hat im Prinzip keinen Einfluß auf die Wirksamkeit einer Individualvereinbarung. Die Wirkung des Summierungseffekts bezieht sich nämlich nur auf die (Un-) Wirksamkeit von Fomularklauseln. Dennoch, man sollte sich nichts vormachen: Wie schon der BGH andeutet, aber nicht entscheiden mußte, ist der Zusammenhang der Formularklausel mit der Individualvereinbarung nicht zu übersehen. In Anwendung des § 139 BGB dürfte damit das gesamte Vereinbarungswerk unwirksam sein. Hätte der BGH das entscheiden müssen, wäre er wohl mit ziemlicher Sicherheit zur Gesamtnichtigkeit gekommen, hätte die individuell vereinbarte Endrenovierung auch nicht in einen Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen münden können.
BGH, Urteil vom 5. April 2006 - VIII ZR 163/05 - Wortlaut Seite 706
Autor: Klaus Schach