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Bundesverwaltungsgericht entscheidet
Stopp der Anschlußförderung im sozialen Wohnungsbau Berlins rechtmäßig
30.05.2006 (GE 10/06, Seite 596) Im Streit um Subventionen für den sozialen Wohnungsbau hat das Bundesverwaltungsgericht dem Land Berlin recht gegeben. Der rot-rote Senat hatte weitere Fördergelder wegen der katastrophalen Haushaltslage abgelehnt. Die Klage eines Wohnungsunternehmens blieb damit ohne Erfolg.
Jetzt herrscht – vorläufig – Klarheit: Der Ausstieg Berlins aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus ist rechtmäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 11. Mai 2006 (- BVerwG 5 C 10.05 -) entschieden. Die Klage eines Neuköllner Wohnungsunternehmens blieb damit ohne Erfolg. Es hatte mehr als 2,8 Millionen Euro vom Berliner Senat gefordert. Die Leipziger Richter bestätigten in dem Musterverfahren ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin aus 2004.
Das Land Berlin hatte ab 1972 den sozialen (Miet-) Wohnungsbau durch die Vergabe sog. Aufwendungshilfen an Investoren, die durch Eigenkapital und die Aufnahme von Krediten Sozialwohnungen erstellen, diese aber nur erheblich unter der durch die laufenden Aufwendungen verursachten Kostenmiete vermieten durften, gefördert. Nach dem Auslaufen einer für 15 Jahre bewilligten Förderung gewährte das Land Berlin in der Vergangenheit auf der Grundlage entsprechender Richtlinien regelmäßig eine Anschlußförderung, weil die Finanzierungs- und Wirtschaftlichkeitsberechnungen regelmäßig auf einen 15 Jahre übersteigenden Zeitraum angelegt waren. Aufgrund der angespannten Haushaltslage und unter Hinweis auf die Entspannung auf dem Wohnungsmarkt beschloß der Senat des Landes Berlin zu Beginn des Jahres 2003 jedoch, für Projekte, bei denen die 15jährige Förderung am oder nach dem 31. Dezember 2002 endete, keine Anschlußförderung mehr zu gewähren. Zudem hob er die Richtlinie über die Gewährung von Anschlußförderung für Objekte des Wohnungsbauprogrammjahres 1986 auf.
Auf dieser Grundlage wurde der bereits im Jahre 2002 gestellte Antrag des Neuköllner Wohnungsunternehmens – der Klägerin – auf Gewährung einer Anschlußförderung für weitere 15 Jahre abgelehnt. Sie hatte argumentiert, das Projekt sei vom Land Berlin auf 30 Jahre ausgelegt gewesen. Für eine solide Finanzierung sei die Anschlußfinanzierung unverzichtbar. Dies habe das Land Berlin auch gewußt.
Das Bundesverwaltungsgericht verneinte dagegen –wie schon das Oberverwaltungsgericht Berlin im Hauptsacheverfahren (im vorläufigen Verfahren dagegen noch ganz anderer Auffassung) – einen Anspruch der Klägerin auf Anschlußförderung. Allein aus Absichtserklärungen des Landes Berlin ergebe sich kein Rechtsanspruch auf weitere Zahlungen. Der Förderbescheid des Landes Berlin enthalte keine bindende Zusicherung. Dies sei auch trotz der Tatsache, daß die Finanzierung des Projekts erkennbar auf 30 Jahre mit einer entsprechenden Förderung angelegt gewesen sei, nicht anders zu beurteilen. Auch die Tatsache, daß die im Rahmen der Finanzierung vom Land Berlin übernommenen Bürgschaften auf 30 Jahre abgestellt worden seien und daß dementsprechend diese Laufzeit die allgemeine Überzeugung gewesen und von verantwortlichen Politikern stets bekräftigt worden sei, daß mit einer Anschlußförderung gerechnet werden könne, lasse rechtlich keinen anderen Schluß zu.
Ein Anspruch auf eine Anschlußförderung folge auch nicht aus ausdrücklichen Regelungen des Wohnungsbaurechts oder dem Schutzzweck der gesetzlichen Bestimmungen. Der grundgesetzliche Schutz des Eigentums (Artikel 14 GG) erstrecke sich auch nicht auf die Erwartung oder Chance, in den Genuß einer Anschlußförderung zu gelangen oder auf die wirtschaftlichen Konsequenzen der Einstellung einer Subvention.
Angesichts der mit der gewählten Förderkonstruktion objektiv verbundenen Risikoverteilung überwögen bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen die vom beklagten Land Berlin mit der Einstellung der Anschlußförderung verfolgten öffentlichen Belange.
Verbände von Wohnungsunternehmen reagierten enttäuscht. Der Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (LFW Berlin) erklärte, das Land habe nun höhere Kosten zu tragen als bei einer weiteren Förderung. „Auf Berlin rollt eine Schadenslawine der Anleger zu„, so Geschäftsführerin Hiltrud Sprungala. Es drohe etwa 200 Gesellschaften die Insolvenz. Der Sprecher der Senatsverwaltung, Matthias Kolbeck, wies dies zurück: „Die Angaben beruhen lediglich auf Spekulationen und Schätzungen.„
Der Berliner Mieterverein begrüßte das Urteil. Hauptgeschäftsführer Hartmann Vetter argumentierte, das ganze System der Wohnungsbauförderung sei preistreibend gewesen.
Die Eigentümer der Wohnungen haben nun das Recht, die Mieten heraufzusetzen, um den Wegfall der Subventionen auszugleichen. Dabei ist zu beachten, daß für öffentlich geförderte Sozialwohnungen der Berliner Mietspiegel nicht gilt. Er gilt auch nicht für die 28.000 Sozialwohnungen, für die der Senat nach 15 Jahren die Förderung nun nach und nach auslaufen läßt. Nach Angaben von Thomas Brandt, Referatsleiter für Miet- und Wohnungspolitik in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, gelten diese Wohnungen weiterhin als öffentlich gefördert – obwohl es gar keine Förderung mehr gibt. Grund hierfür: Ein Drittel der Zuschüsse, die in den ersten 15 Jahren bezahlt wurden, sind als Darlehen gewährt worden – und diese wurden noch nicht zurückgezahlt.
Damit gilt für die betrofffenen Wohnungen weiterhin der Anspruch des Vermieters auf die sogenannte Kostenmiete. Das ist die Miete, die sich aus den Kosten (laufende Aufwendungen) des jeweiligen Wohnungsbauprojekts ergibt. Für die meisten der betroffenen Sozialbauten beträgt sie 10 bis 20 €/m2 Wfl./mtl. (kalt).
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird, sobald es vorliegt, unverzüglich im GRUNDEIGENTUM abgedruckt.
In den nächsten Wochen wird es darum gehen, abgestufte Konzepte für die zum Teil rechtlich völlig unterschiedlichen gesellschaftlichen Konzeptionen zu finden. In vielen Fällen wird der Insolvenzantrag unvermeidbar sein, teilweise werden Nachschüsse von Gesellschaftern gefordert werden müssen. Schließlich ist auch daran zu denken, daß der Gläubigerschutz zwingend verlangt, daß die betroffenen Gesellschaften alle Möglichkeiten von Mieterhöhungen ausnutzen. Mehr dazu in den kommenden Ausgaben.