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Tempodrom-Untersuchungsausschuß
08.05.2006 (GE 09/06, Seite 528) Wer sich durch den rund 1.000 DIN A4-Seiten starken Bericht des Tempodrom-Untersuchungsausschusses gequält hat, wird nichts wirklich Neues über die Wirkungsweise des politischen Berliner Provinztheaters erfahren haben.
Jedenfalls liefert der Bericht keine Antwort darauf, wieso das Tempodrom 33 Millionen Euro, die größtenteils aus Steuermitteln kamen, verschlungen hat, ohne daß ein Verantwortlicher zwischendurch einmal „Halt“ rief. Das Ergebnis stand sowieso von Anfang an fest: Für die Regierungsfraktionen, deren Aushängeschild Peter Strieder nach intensiver Presseberichterstattung schon am Beginn der Skandal-Aufarbeitung seinen Hut nehmen mußte, war niemand schuld, jedenfalls niemand aus den Kreisen der Regierungsfraktionen. Und für die Opposition, deren Vertreter im Ausschuß eine gleichlange andere Bewertung vornahmen, waren natürlich die anderen, also die Regierungsfraktionen schuld. Ausgang also wie das Hornberger Schießen, und wir trauern um jeden Baum, der wegen dieses Berichtes gefällt werden mußte, und haben Mitgefühl mit all den armen Schreibkräften, die seinetwegen vermutlich Überstunden machen mußten. Wer es bis jetzt noch nicht wußte, aber wissen will, wie die Berliner Spielart des Klüngels, der Gschaftlhuberei, der Amigos und Seilschaften funktioniert, dem sei der Bericht ans Herz gelegt. Kein Baum muß dafür sterben, denn er ist im Internet abrufbar (siehe untenstehenden Link). Hin und wieder – das ist dann die Belohnung für die schwere Lesekost – gibt es auch herzlich was zu lachen. Beispielsweise bei der Schilderung der Umstände eines sogenannten Fund-Raising-Dinners, zu dem der frühere Bauunternehmer Roland Specker und der frühere Vorstandsvorsitzende der Berliner Volksbank, Dr. Karl Kauermann, eingeladen hatten. Das Spendenessen, das offenbar dazu diente, Geld für den bevorstehenden Wahlkampf von SPD und Klaus Wowereit zu sammeln, war der Opposition im Untersuchungsausschuß verdächtig vorgekommen, weil an dem Essen auch Sponsoren und potentielle Sponsoren des Tempodrom teilgenommen hatten. Unter den Gästen des Spendenessens waren u. a. Thies-Martin Brandt (damals Vorstandsvorsitzender der städtischen DEGEWO), Dr. Reiner Geulen (Rechtsanwalt der Stiftung Neues Tempodrom), Matthias Klussmann (Vorstandsvorsitzender der Specker-Gruppe), Dr. Christoph Landerer (damals Vorstandsmitglied der BSR), Dr. Thomas Mecke (damals Vorstandsvorsitzender der BerlinWasser Holding AG), Hartmut Mehdorn (Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG), Roland Specker und Klaus Wowereit. Als Referent und Gesprächspartner für das Essen waren der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel eingeladen. Richtig komisch wird es, wenn man liest, woran die Genannten, als Zeugen vom Untersuchungsausschuß befragt, sich noch erinnerten. Hartmut Mehdorn beispielsweise gab an, Bundesfinanzminister Eichel habe bei dem Essen über die Verwendung der UMTS-Einnahmen gesprochen – deshalb habe er überhaupt daran teilgenommen, weil der Bahn Investitionsmittel aus diesen Einnahmen in Aussicht gestellt worden seien. Wasserchef Mecke erinnerte sich an einen „einstündigen Parforceritt durch die Finanzpolitik der Bundesregierung“, den Eichel hingelegt habe. Daß dabei die UMTS-Einnahmen eine Rolle gespielt hätten, könnte er nur mutmaßen. Der Ex-BSR-Vorstand Dr. Christoph Landerer war sich jedoch völlig sicher, daß Bundesfinanzminister Hans Eichel überhaupt nicht anwesend gewesen sei. Auch an ein zweites Fund-Raising-Dinner am 8. Oktober 2001 mit weitgehend identischem Teilnehmerkreis hatte sich Landerer ganz genau erinnert: Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sei Hauptredner gewesen und habe über allgemeine politische Einschätzungen gesprochen. Das Dumme nur: Aus einem Vermerk der Staatsanwaltschaft ging dagegen hervor, daß Schröder seine Teilnahme abgesagt habe und gar nicht zu dem Spendenessen erschienen sei. Matthias Klussmann schließlich konnte sich im Hinblick auf das erste Spendenessen weder an Inhalte noch an irgendwelche Referenten erinnern. Wir dürfen jetzt rätseln, ob es sich dabei um politische, partielle, demenzielle oder sonstige Amnesie handelt. Richtig komisch ist auch eine Äußerung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit zur Spendenbereitschaft seines Finanzsenators Dr. Thilo Sarrazin. Sarrazin war Teilnehmer des zweiten Spendenessens im Oktober 2001 und hatte angegeben, 1.000 DM locker gemacht zu haben (die Einladung zum Essen war mit der Erwartung einer Spende an die Berliner SPD in Höhe von 5.000 DM verbunden gewesen). Sarrazin war damals noch Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn. Wowereits Einschätzung der Sarrazinschen Spendenbereitschaft: „Ich war ganz entsetzt, als ich erfahren habe, daß mein jetziger Finanzsenator nur 1.000 DM bezahlt hat.“ Und wir hatten schon gedacht, es sei gerade diese Zurückhaltung beim Geldausgeben gewesen, die Wowereits Wahl auf Sarrazin als Finanzsenator hatte fallen lassen.
Autor: Dieter Blümmel


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