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Vernunft siegt
Eigentümer dürfen beim Energieausweis zwischen verbrauchs- und bedarfsbasierter Variante wählen!
08.05.2006 (GE 09/06, Seite 532) Manche Einsicht kommt spät, aber sie kommt. Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) haben angekündigt, daß Eigentümer bei der Einführung des bundesweiten Energieausweises in Zukunft zwischen dem ingenieurtechnisch berechneten Energieausweis auf der Grundlage des Energiebedarfs und dem Energieausweis auf der Grundlage des tatsächlichen Energieverbrauchs wählen dürfen. Eingeführt wird er voraussichtlich zum 1. Januar 2007.

Vernunft siegt

Die Nachricht schlug ein wie ein Paukenschlag. In der Pressemitteilung vom 7. April 2006 teilten das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gemeinsam mit, daß man einen gemeinsamen Vorschlag zur Novellierung der Energiesparverordnung (EnEV) in die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung gegeben habe. Eigentümern und Vermietern wird bei der Einführung von Energieausweisen ein Optionsrecht eingeräumt. Sie sollen in Zukunft zwischen dem ingenieurtechnisch berechneten Energieausweis auf der Grundlage des Energiebedarfs und dem Energieausweis auf der Grundlage des tatsächlichen Energieverbrauchs wählen können. Damit werde, so die Minister Tiefensee und Glos, ein Rahmen für einen kostengünstigen und aussagekräftigen Energieausweis geschaffen, der auf dem Immobilienmarkt für mehr Transparenz sorgen solle. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos betonte: „Wir haben den marktwirtschaftlichen Ansatz gewählt, in der Überzeugung, daß beide Arten des Energieausweises einen angemessenen Anreiz für energetische Sanierungen setzen werden. Zugleich vermeiden wir mit der Umsetzung der europäischen EU-Energieeffizienzrichtlinie ‚eins zu eins’ unnötige Zusatzbelastungen für Bürger und Wirtschaft. Wir werden künftig auch überprüfen, ob sich beide Ausweisarten in der Praxis bewährt haben.“
Noch vor Ostern haben die beiden federführenden Ministerien den Entwurf der Novellierung der EnEV an die zuständigen Ressorts versandt. Wann eine Anhörung der beteiligten Verbände erfolgen sollte, war noch nicht bekannt. Zudem wurde der Entwurf der EnEV auch noch nicht veröffentlicht.
Neben der Wahlmöglichkeit zwischen dem verbrauchs- und dem bedarfsorientierten Ausweis wurden jedoch bereits einige Eckpunkte der vorgesehenen Regelungen bekannt:
• Die Pflicht zur Vorlage des Energieausweises (nur bei Neuvermietung oder Verkauf einer Immobilie) soll gestaffelt eingeführt werden. Der erste Ausweis könnte zum 1. Januar 2007 Pflicht werden. Näheres ist noch nicht bekannt.
• Der Energieausweis für Gebäude soll nicht verpflichtend Teil des neuen Miet- oder Kaufvertrages über eine Immobilie werden. Vermieter/Eigentümer müssen ihn dem jeweiligen Interessenten wohl lediglich „zugänglich machen“. Das bedeutet, daß der Miet- oder Kaufinteressent einer Immobilie keinerlei Rechtsanspruch auf Kopien des Energieausweises hat. Vergleicht man dies mit der Einführung von Energieausweisen im Kfz-Bereich, so ist die Regelung identisch. Sie ist ferner auch sinnvoll, da damit ein von Haus-zu-Haus-gehen mit einer Mietminderungscheckliste verhindert wird.
• Wie in der EU-Energieeffizienzrichtlinie vorgesehen, sollen bei der Ausstellung der Energieausweise – bei beiden Varianten – jedoch auch Empfehlungen für die Modernisierung von Gebäuden gegeben werden, sofern solche Maßnahmen kostengünstig durchgeführt werden können. Diese werden im Zweifel jedoch nicht den Umfang haben, den die Deutsche Energieagentur (dena) bei ihrem unsäglichen Entwurf des Bedarfsausweises vorgesehen hatte.
• Der Referentenentwurf soll nach gründlicher Erörterung mit den immobilienwirtschaftlichen Spitzenverbänden von der Bundesregierung beschlossen werden. Danach muß der Bundesrat der Novellierung der EnEV noch zustimmen. Dies wird schätzungsweise noch vor der Sommerpause des Bundestages geschehen.
Das endgültige Umdenken der Bundesregierung wurde im Zweifel durch einen eigenen Feldversuch der Immobilienwirtschaft von Mitte Januar 2006 ausgelöst. Auf Veranlassung des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungsunternehmen und der Arbeitsgemeinschaft Heiz- und Wasserkostenverteilung e. V. (AG heiwako) wurden jeweils ein Einfamilienhaus und ein Mehrfamilienhaus von fünf unterschiedlichen Energieausweis-Ausstellern (Architekten, Bauingenieure, Energieberater, Schornsteinfeger) unabhängig voneinander bewertet. Heraus kam ein Ergebnis, was sich nur noch mit Humor auffassen ließ: fünf völlig unterschiedliche und stark voneinander abweichende Ergebnisse. Für einen derartigen Ausweis bis zu 1.500 € zu zahlen, wäre einem Mehrfamilienhauseigentümer oder einer Wohnungseigentumsgemeinschaft mit Sicherheit nicht zu vermitteln gewesen. Insofern bleibt zu hoffen, daß sich in anstehenden Gesetz- und Erörterungsverfahren die Vernunft und die Einsicht durchsetzen wird, daß jeder Cent, der vom Eigentümer in die energetische Gebäudesanierung gesteckt wird, mehr wert ist als überflüssiges Geld für subjektiv gefärbte, fehlerhafte und bürokratische Energieausweise.
Autor: RA Detlef Manger, LL.M.