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Wohnungspolitik
Stadt Dresden verkauft ihren gesamten Wohnungsbesitz
26.04.2006 (GE 08/06, Seite 468) Anfang März hatte der Dresdner Stadtrat beschlossen, seine einzige Wohnungsbaugesellschaft (WOBA) an den Finanzinvestor Fortress zu verkaufen. Für die 48.000 Wohnungen und 1.300 Gewerbeeinheiten zahlt der amerikanische Investor rund 1,7 Milliarden Euro. Abzüglich der aufgelaufenen WOBA-Schulden fließen dem Dresdner Haushalt damit rund 980 Millionen Euro zu. Als erste deutsche Großstadt ist Dresden durch den Milliardendeal seine gesamten Schulden in Höhe von 741 Millionen Euro los. Die Ersparnis an Zinsen und Tilgung beläuft sich auf jährlich ca. 70 Millionen Euro. Allerdings muß die Stadt jetzt auch auf die Mieteinnahmen von rund 10 Millionen Euro pro Jahr verzichten.
Bei den Grünen, der SPD und Teilen der PDS stieß der Verkauf auf Ablehnung. Die Finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Dresdner Stadtrat, Sabine Friedel, sagte: "Nach dem Verkauf der WOBA ist die Stadt schuldenfrei. Wir werden sehen wie lange. Nach dem Verkauf der WOBA ist die Stadt außerdem wohnungsfrei. Das für immer." Dresdens Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) konterte jedoch: "Ich bin sehr dafür, daß ein Neuverschuldungsverbot in die Satzung der Stadt Dresden aufgenommen wird." Der Oberbürgermeister bewertete den Verkauf als "einmalige Chance" und betonte vor allem den Wegfall der Raten für Zinsen und Tilgungen: "Das schafft uns neuen Spielraum", sagte er weiter.
Den Verlust "des Einflusses auf die kommunale Wohnungspolitik und den Stadtumbau" beklagte unterdessen der Direktor des Deutschen Mieterbundes Dr. Franz-Georg Rips. Er bezeichnete die Entscheidung für den Verkauf als "falsch und kurzsichtig" und befürchtet Mieterhöhungen. "Der hohe Kaufpreis muß von Fortress wieder eingespielt werden, die Mieten in Dresden werden steigen. Der Verwertungsdruck wird hoch sein", kritisierte Rips. OB Roßberg zeigte zwar Verständnis für die Sorge des Mietervertreters, verwies jedoch auf die im Kaufvertrag verankerte Sozialcharta. Diese beinhalte ein lebenslanges Wohnrecht für Mieter über 60 Jahre und für Schwerbehinderte. Luxussanierungen seien tabu und Mieterhöhungen auf maximal 3 % pro Jahr plus Inflationsausgleich festgelegt. Außerdem verpflichte sich Fortress zu einem zehnjährigen Bestandsschutz für 41.000 WOBA-Wohnungen. Die Stadt Dresden erhält ein Belegungsrecht für 8.000 Wohnungen bis zum Jahr 2026. Die 492 WOBA-Mitarbeiter werden übernommen und erhalten einen Kündigungsschutz für fünf Jahre.
Dr. Franz-Georg Rips bezeichnete die Sozialcharta hingegen als "weitgehend wertlos" und "reine Mogelpackung". Der Direktor des Deutschen Mieterbundes verweist auf das Beispiel Stuttgart. Dort hatte Fortress bereits 2004 Wohnungen der Gagfah übernommen und in einigen Fällen die gesetzliche Mieterhöhungsgrenze von 20 % für drei Jahre voll ausgeschöpft – trotz einer Vereinbarung über eine maximale Erhöhung von 1,5 % plus Inflation. Zustande kam diese Differenz durch eine Klausel in der Vereinbarung: Die 1,5 % bezogen sich auf den Gesamtbestand an Wohnungen, einzelne Einheiten hingegen konnten deutlich stärker erhöht werden. Eine ähnliche Klausel ist auch im aktuellen Vertrag über den WOBA-Verkauf enthalten.
In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stieß der Verkauf auf volle Zustimmung. Ihr kommunalpolitischer Sprecher Peter Götz lobte den Beschluß als "gutes Beispiel für Nachhaltigkeit" und erhofft sich eine "Signalwirkung". "Weitere Kommunen werden den Gedanken der Veräußerung überproportional hoher Wohnungsbestände zugunsten eines fundamentalen Schuldenabbaus aufgreifen", prognostizierte Götz.
Die Dresdner WOBA ist nicht die erste große Transaktion der Fortress Investment Group LLC. 2004 erwarb das amerikanische Unternehmen mit Sitz in New York, das nach eigenen Angaben über 15 Milliarden US-Dollar Beteiligungskapital verfügt, von der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Gagfah für 3,5 Milliarden Euro und somit Herrschaft über rund 81.000 Wohnungen. Im letzten Jahr kaufte Fortress dann 30.000 Wohnungen von der Nileg, einer Immobilientochter der Norddeutschen Landesbank. Insgesamt verfügt das Unternehmen nach eigenen Angaben über einen Bestand von 160.000 Wohnungen in Deutschland, für deren Erwerb in den letzten zwei Jahren rund 10 Milliarden Euro aufgebracht wurden. Für die Einkaufstour hat der Investor eigens eine Holding gegründet, die Anfang 2007 an die Börse gehen soll.
Für das Dresdner Geschäft strebt die Wohnungs-Holding eine Bruttorendite von 5 % auf den Kaufpreis an. Nach Unternehmensangaben werde der Kauf der WOBA zu 35 % aus Eigenkapitel bestritten. Bei ihrem Engagement in Deutschland setzt Fortress auf eine langfristige Strategie: "Erst wenn die Holding an der Börse ist, machen wir Gewinn", sagte der für Europa zuständige Fortress-Präsident Robert I. Kauffman. Dresden sei als attraktive Stadt mit Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft für die Investition bewußt ausgewählt worden.
In Berlin scheint das Beispiel Dresden zumindest in naher Zukunft keine Schule zu machen. Der Senat hatte vor kurzem einen umfassenden Verkauf landeseigener Wohnungen untersagt. Die von der Insolvenz bedrohte Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) darf demnach nur 3.000 statt der für das Sanierungskonzept benötigten 15.000 Wohneinheiten veräußern. Eine Chance auf Sanierung des maroden Haushalts hätte ein Verkauf der stadteigenen Wohnungen in Berlin ohnehin nicht. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) stellte dieser Tage fest, daß bei einem Verkauf der sechs großen Wohnungsbaugesellschaften mit seinen mehr als 280.000 Wohnungen nach Abzug der durch sie angehäuften Schulden nur ca. 5 Milliarden Euro übrigblieben. Berlins Schuldenberg beträgt zur Zeit rund 60 Milliarden Euro.
Dabei steht die Hauptstadt bei ausländischen Immobilieninvestoren offenbar hoch im Kurs. Das neu gegründete Investment-Unternehmen "Puma Brandenburg Limited" hat angekündigt, in den nächsten Jahren 100 bis 150 Millionen britische Pfund zu investieren. Der Fokus des amerikanisch-britischen Fonds liegt dabei auf den Innenstadtlagen Berlins, teilte Puma-Chairman Peter Freeman mit. Der Immobilienexperte sagt eine "Renaissance des urbanen Lebens" voraus und prophezeit der deutschen Hauptstadt dabei gute Aussichten: "Wir erwarten keinen Umschwung in ein, zwei Jahren. Aber in zehn bis 15 Jahren wird Berlin total revitalisiert sein." Bedeutend für das Berlin-Engagement seien die im Vergleich zu anderen Metropolen wie London und Paris weitaus günstigeren Einkaufspreise für Immobilien sowie die niedrige Wohneigentumsquote (z. Zt. ca. 13 %), die in den nächsten Jahren sprunghaft ansteigen würde. Auch das Mietniveau würde langfristig stark anziehen, ist sich Freeman sicher. Fondsexperten sind von diesem Konzept genauso überzeugt wie der Puma-Chef selbst. Sie glauben, das Unternehmen werde eine Rendite von mehr als 8 % p. a. ab dem zweiten Geschäftsjahr erzielen.
Peter Freeman möchte dabei jedoch das Image von der "Heuschrecke", die von Land zu Land zieht, vermeiden. Man wolle die Häuser langfristig halten und hoffe auf zufriedene Mieter – schnelle Mieterhöhungen werde es nicht geben. Pumas Ziel sei ein langfristiges Engagement.
Berlins Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) überrascht das große Interesse der internationalen Investoren nicht. Am Rande der Immobilienmesse MIPIM 2006 Mitte März in Cannes sagte sie: "Internationale Investoren sehen uns auf einer sogenannten 6-Uhr-Position, d. h. im Beginn eines Aufschwungs." Neben amerikanischen und britischen Fonds zeigen zunehmend auch Spanier Interesse, sagte die Senatorin.