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Betriebskosten und die Einsicht
Kein genereller Mieteranspruch auf Vorwegabzug für Gewerbe und Kopien der Abrechnungsbelege
26.04.2006 (GE 08/06, Seite 478) Der BGH beendet einen langen Streit: Im preisfreien Wohnraum besteht keine Vermieterpflicht, bei der Betriebskostenabrechnung generell einen Vorwegabzug für Gewerbe vorzunehmen. Zudem genügt es grundsätzlich, wenn der Mieter auf die Einsichtsmöglichkeit in die Abrechnungsbelege verwiesen wird.
Der Fall:
Die Mietvertragsparteien einer preisfreien Wohnung hatten eine Nettomiete zzgl. Vorschüsse für kalte und warme Betriebskosten vereinbart. In dem Mietshaus gab es neben dem Wohnungsbestand fünf Gewerbebetriebe, darunter ein Jobcenter und ein Internetcafé mit 30 Sitzplätzen. Aus den Betriebskostenabrechnungen 1998 bis 2001, in denen der Vermieter einen Vorwegabzug für das Gewerbe nicht vorgenommen hatte, ergaben sich Nachforderungen zu Lasten des Mieters. Dieser zahlte nicht und vertrat die Auffassung, die Nachforderungen seien nicht fällig, weil der Vermieter die im Gebäude befindlichen Gewerbeflächen in den Abrechnungen nicht vorweg abgezogen und ihm darüber hinaus keine Fotokopien zu den Abrechnungsbelegen überlassen habe. Hinsichtlich der vom Vermieter verlangten (rückständigen) Vorauszahlungen für kalte und warme Betriebskosten machte er wegen nicht ordnungsgemäßer vorangegangener Betriebskostenabrechnungen ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Ferner erhob er Widerklage und verlangte die Auszahlung noch offener Heizkostenguthaben. Während des Rechtsstreits übersandte der Vermieter dem Mieter rund 300 Kopien seiner Abrechnungsbelege für die Jahre 1998 bis 2001. Bei AG und LG hatte der Vermieter im wesentlichen Erfolg. In der Revision zum BGH konnte sich der Mieter ebenfalls nicht durchsetzen.

Das Urteil:
Für die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 556 a BGB in der Fassung des Mietrechtsreformgesetzes kommt der BGH zu dem Ergebnis, daß die für den preisgebundenen Wohnraum geltende Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 NMV, wonach Betriebskosten, die nicht für Wohnraum entstanden sind, bei der Umlage der Betriebskosten vorweg abzuziehen seien, nicht analog angewendet werden dürfe. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. § 20 Abs. 2 NMV beinhalte eine spezielle Regelung des sozialen Wohnungsbaurechts, die überdies auslaufendes Recht darstelle. In dem Wohnungsbauförderungsgesetz (WoFG) sei von der Schaffung einer § 20 Abs. 2 Satz 2 NMV entsprechenden Nachfolgeregelung abgesehen worden. Auch aus Gründen der Billigkeit sei der Vermieter nicht verpflichtet, die Betriebskosten, die auf die in seinem Gebäude befindlichen Gewerbeflächen entfielen, vorweg abzuziehen. Auf einen Vorwegabzug der Gewerbeflächen in der Betriebskostenabrechnung könne nicht lediglich dann verzichtet werden, wenn die auf die unterschiedliche Nutzung entfallenden Verursachungsteile ausnahmsweise gleich hoch seien. Eines Vorwegabzuges bedürfe es auch dann nicht, wenn die Geschäftsbetriebe in bezug auf einzelne Kostenarten keine erhebliche Mehrbelastung verursachten. Die einheitliche Abrechnung belaste die Mieter auch unter Zugrundelegung dieses Maßstabes nicht unbillig. Da die Mieter zur Entstehung der Gesamtkosten in unterschiedlichem Maße beitragen würden – etwa durch einen höheren oder sparsameren Wasser- und Energieverbrauch –, seien gewisse Ungenauigkeiten auch bei der Verteilung von Betriebskosten in einem allein zu Wohnzwecken dienenden Gebäude im Regelfall nicht zu vermeiden. Auch bei einer ausschließlich zu Wohnzwecken dienenden Nutzung des Gebäudes müsse der Mieter die Abrechnung nach einem einheitlichen, generalisierenden Maßstab, trotz gegebenenfalls unterschiedlicher Verursachungsanteile der Mietparteien, grundsätzlich hinnehmen. Eine andere Beurteilung sei im Verhältnis der Wohnraummiete zu den gewerblichen Mitmietern nicht angebracht. Die durch die gewerbliche Nutzung verursachten Kostenanteile müßten daher nicht vorweg abgezogen und getrennt abgerechnet werden, wenn sie sich nicht erheblich von den auf die Wohnraummiete anteilig entfallenden Kosten unterscheiden. Die Erheblichkeit einer Mehrbelastung – ein unbestimmter Rechtsbegriff – werde vom Tatrichter festgestellt und sei in der Revision nur beschränkt überprüfbar.
Die Betriebskostenabrechnung sei nicht deswegen unwirksam, weil der Vermieter dem Mieter nicht auf dessen Verlangen hin Kopien der Belege zu den Betriebskostenabrechnungen übersandt habe. Einen derartigen Anspruch habe der Mieter nicht. Gemäß § 259 Abs. 1 BGB habe der zur Rechenschaft Verpflichtete (Vermieter) dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und Belege „vorzulegen„. Einen Anspruch des Mieters auf Überlassung von Fotokopien der Abrechnungsbelege sehe das Gesetz für den Bereich des preisfreien Wohnraumes nicht vor. Die für den preisgebundenen Wohnraum geltende Vorschrift des § 29 Abs. 2 Satz 2 NMV sei nicht, auch nicht analog, heranzuziehen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn dem Mieter die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen in den Räumen des Vermieters nicht zugemutet werden könne, was vorliegend (in Berlin im Hinblick auf die Verkehrsanbindung) nicht der Fall sei.
Für die Abrechnung unter der Geltung des § 556 a BGB gelte für das Problem des Vorwegabzuges für Gewerbe nichts anderes. Der Gesetzgeber habe von der Übernahme einer der NMV entsprechenden Regelung abgesehen; auch aus der Gesetzesbegründung zu § 556 a BGB lasse sich dazu nichts herleiten.

Anmerkung:
Wie schon aus dem Leitsatz des BGH ersichtlich, kommt ein Vorwegabzug der auf Gewerbeflächen entfallenden Kosten nicht generell nicht in Betracht, sondern nur dann nicht, wenn eine nicht ins Gewicht fallende Mehrbelastung der Wohnraummieter vorliegt. Die Beurteilung dieser Frage obliegt dem Instanzrichter. Seine Einschätzung ist in der Revision nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich dahin, ob der Tatrichter wesentliche Umstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat, Erfahrungssätze verletzt oder Verfahrensfehler begangen hat. Dies führt zu der Frage, wer im Rechtsstreit Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Ausgehend von der Regeleinschätzung, daß zumeist eine Mehrbelastung der Wohnraummieter durch gewerblich verursachte Betriebskosten nicht vorliegt, obliegt nach hier vertretener Auffassung die Darlegung dem Mieter, von dem ein substantiierter Vortrag dazu gefordert werden kann, ob und inwiefern durch das Gewerbe im Haus Betriebskosten verursacht werden, die zu einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung der Wohnungsmieter führen. Eine solche Fallgestaltung kann z. B. dann vorliegen, wenn eine Wäscherei betrieben wird, bei der die Wasserkosten nicht verbrauchsabhängig, sondern nach Fläche abgerechnet werden. Das dürfte allerdings der Ausnahmefall sein. Dasselbe kann in Betracht kommen, wenn das Gewerbe höhere Reinigungs- oder Müllentsorgungskosten verursacht. Liegt insofern ein schlüssiger Vortrag des Mieters vor, muß der Vermieter substantiiert entgegnen.
Zu den in der Vergangenheit von Mieterseite immer wieder angeforderten Fotokopien der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung ist bisher teilweise eine vermittelnde Ansicht vertreten worden, mit dem Ergebnis, daß grundsätzlich der Mieter die Belege beim Vermieter einsehen muß, daß er aber in Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) für bestimmte Belege auch Kopien beanspruchen kann, um dann – zu Hause in Ruhe und unter Einholung von Rechtsrat – die Kosten einer näheren Überprüfung zuführen kann. Aufgrund der vorliegenden BGH-Entscheidung steht dem Mieter aber auch insofern ein Rechtsanspruch nicht zu. Allerdings wird in der Entscheidung ausgeführt, daß dem Interesse des Mieters an einer Überprüfung der Abrechnung im Regelfall bereits Rechnung getragen wird, daß er vom Vermieter Einsicht in die der Abrechnung zugrundeliegenden Belege verlangen und sich hierbei, soweit erforderlich, fachkundiger Hilfe bedienen kann. Das schließt demnach für Sonderfälle nicht aus, daß in Anwendung des § 242 BGB der Mieter gezielt einzelne Kopien beanspruchen darf.
In der Entscheidung (Rdn. 20) führt der BGH noch aus, daß entgegen einer in der Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Auffassung der Eintritt der Fälligkeit einer Betriebskostennachforderung aufgrund einer Abrechnung nicht voraussetzt, daß nach Erteilung der Abrechnung zunächst eine angemessene Frist zu ihrer Überprüfung durch den Mieter verstrichen ist. Denn gemäß § 271 Abs. 1 BGB könne der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Der Anspruch des Vermieters auf Bezahlung wird grundsätzlich mit der Erteilung der – formell ordnungsgemäßen – Abrechnung fällig.
Fälligkeit bedeutet aber nicht, daß der Mieter sogleich in Verzug gerät, wenn er nicht sofort zahlt. Dazu mußte der BGH nichts ausführen. Hier setzt nun die Überlegung ein, daß dem Mieter ein Prüfungs- und Überlegungsrecht zuzubilligen ist, so daß Verzug nicht unmittelbar mit Erteilung der Abrechnung eintritt (vgl. Schach in GE 2005, 906; Langenberg, Betriebskosten der Wohn- und Gewerberaummiete, 4. Auflage, H Rdn. 9 ff.). Im allgemeinen wird die Überlegungsfrist auf zwei Wochen eingeschränkt (vgl. auch Langenberg, aaO., Rdn 13). Herangezogen werden kann auch § 286 Abs. 3 BGB, wonach der Schuldner einer Entgeltforderung spätestens in Verzug kommt, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer (Betriebskosten-) Abrechnung leistet. In diesem Zusammenhang ist auch auf § 286 Abs. 3 Satz 1 2. Hs. BGB hinzuweisen. Die Fälligkeit nach 30 Tagen tritt nicht bei einem Schuldner ein, der Verbraucher ist, wenn nicht auf die Folge in der Rechnung besonders hingewiesen worden ist. Dementsprechend sollte man in der Betriebskostenabrechnung (vgl. Formular des Grundeigentum-Verlages, BGB 556-1/2006) folgenden Hinweis aufnehmen: Nach § 286 Abs. 3 BGB kommen Sie auch ohne besondere Mahnung in Verzug, wenn Sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang der Abrechnung den Nachzahlungsbetrag leisten; die Verzugszinsen betragen mindestens 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz.

Klaus Schach

BGH, Urteil vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05 - Wortlaut Seite 502