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BSR
Vorstandvorsitzender Gamperl entlassen
10.04.2006 (GE 07/06, Seite 400) Mit einem Paukenschlag war der Mann per Ferndiagnose in Berlin auf- noch bevor er angetreten war. Mit einem Paukenschlag wurde der Wiener Gerhard Gamperl, bis Ende März Vorstandsvorsitzender der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR), auch schon wieder verabschiedet.

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Aus dem fernen Wien hatte sich Gamperl Ende 2003 – drei Monate vor Amtsantritt in Berlin – mit dem fröhlichen Versprechen gemeldet, die Müllgebühren in der Stadt demnächst um 25 % erhöhen zu wollen. Damals stand (GE 2003 [24] 1576) an dieser Stelle – Gamperl hat es nie vergessen und später immer wieder zitiert –: „Verzeihen’s, Herr Hofrat, aber das ist ein grundsätzliches Mißverständnis, dem Sie da unterliegen. Wir haben Sie geholt, um Kosten zu reduzieren, nicht um Gebühren zu erhöhen.„ Dem ersten Tritt in den Fettnapf folgten weitere, und jedenfalls nach Ansicht des gesamten Aufsichtsrats der BSR so viele, daß man dem Müll-Manager nach einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung Ende März den Stuhl vor die Tür setzte (ein wahres Fressen für die Journaille, konnte man doch mit „BSR-Chef entsorgt„, „Weggefegt„ und „Teure Abfuhr für den Chef„ titeln): sofortige Entbindung von seiner Vorstandsfunktion und fristlose Kündigung des Arbeitsvertrages. Das Ganze noch dazu mit einer Begleitmusik, die zwar nicht „beispiellos und ungeheuerlich„ ist, wie der tiefverletzte Gamperl meinte, aber doch ungewöhnlich. Das Arbeitszeugnis nämlich, das ihm der Aufsichtsrat schriftlich – und noch dazu öffentlich qua Unternehmenspressemitteilung – ausstellte, war nicht von der Art, wie man solche Trennungen in diesen Kreisen handhabt. Wörtlich hieß es da: „Gründe sind erhebliche Unzulänglichkeiten in der Amtsführung des bisherigen Vorstandsvorsitzenden und eine zerrüttete Vertrauensbasis zwischen ihm und dem Aufsichtsrat. Herr Gamperl hat Kernaufgaben, für die er eingestellt wurde, nicht gelöst und den Aufsichtsrat mehrfach unzureichend, zu spät, zum Teil gar nicht oder falsch über aufsichtsratsrelevante Vorgänge informiert.„ So ein Arbeitszeugnis wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht. Daß zwischen Gamperls selbstgestecktem Ziel, die BSR „binnen zehn Jahren zum führenden und leistungsstärksten kommunalen Entsorgungsunternehmen Deutschlands„ zu machen, und der Einschätzung seiner Arbeit durch den Aufsichtsrat Welten liegen, liegt auf der Hand. So überrascht, wie er sich nach der fristlosen Kündigung zeigte, kann Gamperl auch nicht gewesen sein. Seit über einem halben Jahr haben sich Gerüchte verdichtet, daß er das Ende seiner regulären Amtszeit von fünf Jahren nicht erreichen würde – sollten ihm die entgangen sein, spräche das auch nicht für ihn. Erste Kritik an der Amtsführung gab es schon kurz nach Amtsantritt, weil das Verständnis fürs Personal und dessen außergewöhnliche tarifliche Privilegierung im Branchenvergleich weiterging, als man das angesichts der BSR-Effizienzprobleme für gut hielt. Auch daß er nicht die weitestgehende Freistellung vom operativen Geschäft (die eigentliche Tagesarbeit hat sowohl bei der Straßenreinigung als auch der Müllabfuhr das Vorstandsmitglied Vera Gäde-Butzlaff gemacht) dazu genutzt hat, die BSR strukturell neu aufzustellen, wurde kritisiert. Ebenso (wie hier bereits vor vielen Monaten berichtet), daß er teure Gutachten zu Fragestellungen eingeholt hat, deren Beantwortung man von einem Mann in solcher Position aus eigener Kompetenz erwarten darf – wofür schließlich zahlt man Managern Fabelgehälter, wenn die erst Dritte für viel Geld fragen müssen, wie man die Effizienz eines Unternehmens steigert oder welche Unternehmensstrategie die richtige sei? Zum Überlaufen brachte das Faß offenbar die Klärung/Nichtklärung einer zentralen steuerrechtlichen Frage: Ob nämlich das Engagement der BSR beim hausmüllähnlichen Gewerbemüll dem hoheitlichen (steuerbefreiten) oder wettbewerblichen (steuerbaren) Tätigkeitsbereich unterfalle. Hier, so ist aus dem Aufsichtsrat zu hören, habe Gamperl den Aufsichtsratsvorsitzenden, Wirtschaftsenator Harald Wolf, zunächst in einer dramatischen Wochenendaktion in höchste Alarmstufe versetzt, um kurze Zeit später alles zu bagatellisieren – und beide Einschätzungen sind wohl nicht richtig gewesen. Einfache kaufmännische Fragen seien nicht beantwortet worden, der Unterschied zwischen der handelsrechtlichen Ebene des Unternehmens und der gebührenrechtlichen Ebene (Tarifkalkulation) – so etwa die handelsrechtlichen Rückstellungen für geplanten Personalabbau einerseits und die nur sukzessiv (anhand der tatsächlich angefallenen Kosten) in die Tarifkalkulation einarbeitbaren Beträge – seien dem Vorstandsvorsitzenden nicht richtig begreiflich zu machen gewesen. Gerhard Gamperl weist das natürlich alles und entschieden zurück. Einwandfrei habe er sein Amt geführt, nichts habe er sich vorzuwerfen. Beneidenswert, denn wer von uns ist schon in der glücklichen Lage, das von sich behaupten zu dürfen. Das alles – und wohl einiges mehr, das zur Sprache kommen wird – darf nun ein ordentliches Gericht klären. Und da gehts um Geld vor allem, aber auch um die Berufsehre. Auch das ist ungewöhnlich, daß der Aufsichtsratsvorsitzende eines Unternehmens den Katalog der Abfindungsforderungen eines Vorstandes öffentlich macht: Gehalt bis September 2006, Abfindung 630.000 Euro, 70.000 Euro für „Outplacement-Beratung (so heißt die Arbeitslosenberatung für Besserverdienende), Garantie für Rentenansprüche, 70.000 Euro Anwaltskosten – so eine Forderungsliste aufzustellen war offenbar nicht ganz einfach. Jedenfalls war sie mehr an der Sphäre eines Dax 30-Unternehmens orientiert als an der eines kommunalen Entsorgers. Für Wolf war das – zu Recht, wie ich meine, zuviel des Guten. Silberne Brücken hatte man Gamperl bauen wollen, goldene – eingedenk der Gebührenzahler und der Berliner Haushaltssituation – nicht. Gehalt bis Jahresende, ja. Gamperl setzte auf alles oder nichts. Und am Ende könnte auch letzteres stehen. So einmalig, wie Gerhard Gamperl meint, ist sein Fall nämlich gar nicht. Vor ein paar Jahren hat das Land Berlin nämlich den Geschäftsführer eines anderen städtischen Unternehmens ebenfalls fristlos gekündigt: Dr. Eckart Baum, noch dazu ein ungewöhnlich fähiger Mann, verlor seinen Posten an der Spitze der HOWOGE, weil er nach Ansicht des Aufsichtsrats Vorgaben des Gremiums aufgrund von Meinungsunterschieden nicht komplett umgesetzt hatte. Baum klagte und verlor rechtskräftig vor dem Kammergericht. Wenn der Berliner Senat vor Gericht seine öffentlichen Behauptungen auch belegen und möglicherweise sogar noch anreichern kann, sind die Prozeßchancen des Landes keineswegs schlecht. Und ein Unternehmen muß die Möglichkeit haben, sich von einem Mitarbeiter auch frist- und kostenlos zu trennen, wenn er die mit ihm vereinbarte Leistung nicht erbringt. Die für Vorstände zuständigen Zivilgerichte sehen das durch andere Brillen als die Arbeitsgerichte.
Autor: Dieter Blümmel