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Gegen alle Vernunft
Berliner Abgeordnetenhaus beschließt trotz aller Kritik Straßenausbaubeitragsgesetz
22.03.2006 (Haus & Grund Intern März 2006, Beilage in GE 6/06) Anwohner von Straßen, die total renoviert, umgebaut oder verbessert werden, müssen sich künftig an den Kosten beteiligen. Mit den Stimmen der SPD und der Linkspartei.PDS hat das Berliner Abgeordnetenhaus das umstrittene Straßenausbaubeitragsgesetz beschlossen. Die Folge ist abzusehen: eine weitere deutliche Schwächung des Wirtschaftsstandortes Berlin und mehr Bürokratie in der Verwaltung.
Nun kommt es also doch, das neue Straßenausbaubeitragsgesetz. Knapp eineinhalb Jahre Diskussion und viele Versuche einer einvernehmlichen Lösung halfen nichts. Gegen den Widerstand der Opposition aus CDU, FDP und Grünen hat das Berliner Abgeordnetenhaus am 9. März 2006 das Straßenausbaubeitragsgesetz in leicht modifizierter Fassung beschlossen. Bereits einen Tag zuvor hatten sich im Haushaltsausschuß des Abgeordnetenhauses vielfach Unstimmigkeiten des neuen Gesetzes gezeigt. Denn es sollen für alle Straßen, die vor dem 3. Oktober 1990 gebaut wurden, keine Erschließungsbeiträge mehr erhoben werden. Dadurch werden den Berliner Bezirken Einnahmen in Millionenhöhe verlorengehen. Diese Verluste werden voraussichtlich durch die neuen, noch zu erhebenden Straßenausbaubeiträge nicht ausgeglichen werden können. Während der Verhandlungen im Hauptausschuß entstand allgemein der Eindruck, daß die neue Rechtslage den Landeshaushalt Berlin eher zusätzlich belasten könne. Der Leiter des Spandauer Tiefbauamts, Michael Spiza, behauptete sogar, daß allein im Bezirk Spandau langfristig ein dreistelliger Millionenbetrag verlorengehen wird. Bis zur Entscheidung des Berliner Abgeordnetenhauses war der Senat zu einer exakten Gesetzesfolgenabschätzung insbesondere in bezug auf die finanziellen Folgen des neuen Gesetzes nicht bereit.
Der Berliner Senat hat sich durch seine eigene jahrelange Untätigkeit bei der Sanierung des Berliner Straßennetzes in eine derart ausweglose Lage manövriert, daß er sich jetzt durch einen tiefen Griff in die Taschen der Grundstückseigentümer befreien will. Bereits in seinem Jahresbericht 1999 hatte der Rechnungshof darauf hingewiesen, daß die Vernachlässigung der Bauunterhaltung von Straßen besorgniserregend und im höchsten Maße unwirtschaftlich sei, weil dadurch die Straßen schnell in ihrer Substanz gefährdet würden.
Per 2004 betrug der Rückstand bei der Straßenunterhaltung fast 465 Millionen Euro.
Im folgenden ein kleiner Überblick über die Regelungen des neuen Straßenausbaubeitragsgesetzes:
n Wofür muß bezahlt werden? Für den Neubau oder die neue Anlage einer Straße, nicht jedoch für Reparaturen oder Sanierung einer Straße.
n Wann sind die Beiträge zu zahlen? Eine der Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Vorhaben des Berliner Senats ist: Wer nicht zahlungsfähig ist, kann sich den Beitrag zinslos stunden lassen anders als bisher geplant auch über drei Jahre hinaus. Alternativ ist es möglich, die Summe bis zu zehn Jahre lang abzustottern verzinst und in Jahresraten.
n Wer muß zahlen? Die betroffenen Grundstückseigentümer. Umstritten ist, ob diese Kosten auf die Mieter umgelegt werden können. Bei Sozialwohnungen kann nach den gesetzlichen Regelungen die Straßenausbaubeitragsumlage in jedem Fall als Mieterhöhung weitergegeben werden. Bei den übrigen Wohnungen im preisfreien Wohnungsbau stützen sich diejenigen, die eine Umlage verneinen, auf einen 30 Jahre alten Rechtsentscheid des OLG Hamm. Es gibt jedoch gute Gründe, warum die Umlage auch bei allen anderen Wohnungen zulässig ist. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bisher nicht entschieden. Es ist aber durchaus vorstellbar, daß der BGH ein Umlagerecht bejaht. Nur: Selbst wenn er dieses nicht tut, werden Vermieter diese immense Belastung durch anderweitige Mieterhöhungen an Mieter weitergeben. Das heißt: Die Mieten in Berlin werden sich verteuern.
n Wie hoch sind die Kosten? Das hängt vom Einzelfall ab. Zum einen ist entscheidend, ob es sich um eine Anlieger- oder Durchgangsstraße handelt. Nach den Nachbesserungen der rot-roten Koalition fallen nun die jeweiligen Beiträge um fünf Prozentpunkte niedriger aus als ursprünglich vorgesehen. Werden Fahrbahnen oder Gehwege ausgebaut, können 25 bis 65 % der Baukosten auf die Eigentümer umgelegt werden. Entstehen Parkplätze, müssen die Anlieger 25 bis 70 % der Kosten übernehmen. Wer an einer ruhigen Anliegerstraße lebt, zahlt einen höheren Prozentsatz als Anrainer von Hauptverkehrsstraßen. Zudem bemißt sich der Beitrag nach der Zahl der Quadratmeter.
n Gibt es Beispielrechnungen? Die Senatsverwaltung selbst hat welche vorgelegt, die inzwischen in den Schubladen verschwunden sind. Danach ist bei Einfamilienhausgrundstücken zum Teil mit 40.000 und mehr zu rechnen. Nach der heftigen Anfangskritik hat der Senat andere Zahlen in die Welt gesetzt. Bei einem Neubau einer Anliegerstraße müsse nach Angaben des Senats der Eigentümer eines eingeschossigen Hauses mit einem 660 m2 großen Grundstück ca. 5.000 zahlen. Bei einer kompletten Erneuerung einer Hauptverkehrsstraße in der Innenstadt Berlins müsse der Eigentümer eines mehrgeschossigen Gebäudes auf einem 1.000-m2-Grundstück aber schon mit 13.000 rechnen. Das sind eher homöopathische Dosen zur Beruhigung.
n Gab es weitere Änderungen im Vergleich zum Ursprungsentwurf? Ja: Die Definition der Straßenerneuerung wurde exakter gefaßt, es sind nun zwei Kriterien zu berücksichtigen: Es geht nicht allein darum, ob "die übliche Nutzungsdauer" von 20 Jahren erreicht ist, sondern zusätzlich um die tatsächliche Abnutzung der Straße. Maßnahmen der Unterhaltung und Instandsetzung von Straßen sollen nicht beitragspflichtig sein.
Noch immer ist völlig unklar, wie viele Einnahmen das Land durch das neue Gesetz überhaupt erwartet. Absehbar sind nur steigende Bürokratiekosten. Von den Erschließungsbeiträgen für den Neubau von Straßen werden mindestens 30 % der Einnahmen von der Verwaltung aufgefressen werden. Außerdem sind die geplanten Berliner Beiträge im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch. Die Anlieger an Hauptstraßen werden für den Straßenausbau mehr bezahlen müssen als in jeder anderen deutschen Großstadt. Dabei tragen die Berliner schon jetzt die höchsten grundstücksbezogenen Kosten angefangen von der Grundsteuer über Wasser, Abwasser, Energie, Entsorgung und Baugebühren. Hinzu kommen die Kosten für die Berliner Gerichte bei Streitfällen und die heute schon absehbaren Probleme beim Abruf von Fördermitteln. Diese sind meist an Fristen gebunden, die möglicherweise nicht einzuhalten sind.
Der Berliner Senat hat sich durch seine eigene jahrelange Untätigkeit bei der Sanierung des Berliner Straßennetzes in eine derart ausweglose Lage manövriert, daß er sich jetzt durch einen tiefen Griff in die Taschen der Grundstückseigentümer befreien will. Bereits in seinem Jahresbericht 1999 hatte der Rechnungshof darauf hingewiesen, daß die Vernachlässigung der Bauunterhaltung von Straßen besorgniserregend und im höchsten Maße unwirtschaftlich sei, weil dadurch die Straßen schnell in ihrer Substanz gefährdet würden.
Per 2004 betrug der Rückstand bei der Straßenunterhaltung fast 465 Millionen Euro.
Im folgenden ein kleiner Überblick über die Regelungen des neuen Straßenausbaubeitragsgesetzes:
n Wofür muß bezahlt werden? Für den Neubau oder die neue Anlage einer Straße, nicht jedoch für Reparaturen oder Sanierung einer Straße.
n Wann sind die Beiträge zu zahlen? Eine der Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Vorhaben des Berliner Senats ist: Wer nicht zahlungsfähig ist, kann sich den Beitrag zinslos stunden lassen anders als bisher geplant auch über drei Jahre hinaus. Alternativ ist es möglich, die Summe bis zu zehn Jahre lang abzustottern verzinst und in Jahresraten.
n Wer muß zahlen? Die betroffenen Grundstückseigentümer. Umstritten ist, ob diese Kosten auf die Mieter umgelegt werden können. Bei Sozialwohnungen kann nach den gesetzlichen Regelungen die Straßenausbaubeitragsumlage in jedem Fall als Mieterhöhung weitergegeben werden. Bei den übrigen Wohnungen im preisfreien Wohnungsbau stützen sich diejenigen, die eine Umlage verneinen, auf einen 30 Jahre alten Rechtsentscheid des OLG Hamm. Es gibt jedoch gute Gründe, warum die Umlage auch bei allen anderen Wohnungen zulässig ist. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bisher nicht entschieden. Es ist aber durchaus vorstellbar, daß der BGH ein Umlagerecht bejaht. Nur: Selbst wenn er dieses nicht tut, werden Vermieter diese immense Belastung durch anderweitige Mieterhöhungen an Mieter weitergeben. Das heißt: Die Mieten in Berlin werden sich verteuern.
n Wie hoch sind die Kosten? Das hängt vom Einzelfall ab. Zum einen ist entscheidend, ob es sich um eine Anlieger- oder Durchgangsstraße handelt. Nach den Nachbesserungen der rot-roten Koalition fallen nun die jeweiligen Beiträge um fünf Prozentpunkte niedriger aus als ursprünglich vorgesehen. Werden Fahrbahnen oder Gehwege ausgebaut, können 25 bis 65 % der Baukosten auf die Eigentümer umgelegt werden. Entstehen Parkplätze, müssen die Anlieger 25 bis 70 % der Kosten übernehmen. Wer an einer ruhigen Anliegerstraße lebt, zahlt einen höheren Prozentsatz als Anrainer von Hauptverkehrsstraßen. Zudem bemißt sich der Beitrag nach der Zahl der Quadratmeter.
n Gibt es Beispielrechnungen? Die Senatsverwaltung selbst hat welche vorgelegt, die inzwischen in den Schubladen verschwunden sind. Danach ist bei Einfamilienhausgrundstücken zum Teil mit 40.000 und mehr zu rechnen. Nach der heftigen Anfangskritik hat der Senat andere Zahlen in die Welt gesetzt. Bei einem Neubau einer Anliegerstraße müsse nach Angaben des Senats der Eigentümer eines eingeschossigen Hauses mit einem 660 m2 großen Grundstück ca. 5.000 zahlen. Bei einer kompletten Erneuerung einer Hauptverkehrsstraße in der Innenstadt Berlins müsse der Eigentümer eines mehrgeschossigen Gebäudes auf einem 1.000-m2-Grundstück aber schon mit 13.000 rechnen. Das sind eher homöopathische Dosen zur Beruhigung.
n Gab es weitere Änderungen im Vergleich zum Ursprungsentwurf? Ja: Die Definition der Straßenerneuerung wurde exakter gefaßt, es sind nun zwei Kriterien zu berücksichtigen: Es geht nicht allein darum, ob "die übliche Nutzungsdauer" von 20 Jahren erreicht ist, sondern zusätzlich um die tatsächliche Abnutzung der Straße. Maßnahmen der Unterhaltung und Instandsetzung von Straßen sollen nicht beitragspflichtig sein.
Noch immer ist völlig unklar, wie viele Einnahmen das Land durch das neue Gesetz überhaupt erwartet. Absehbar sind nur steigende Bürokratiekosten. Von den Erschließungsbeiträgen für den Neubau von Straßen werden mindestens 30 % der Einnahmen von der Verwaltung aufgefressen werden. Außerdem sind die geplanten Berliner Beiträge im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch. Die Anlieger an Hauptstraßen werden für den Straßenausbau mehr bezahlen müssen als in jeder anderen deutschen Großstadt. Dabei tragen die Berliner schon jetzt die höchsten grundstücksbezogenen Kosten angefangen von der Grundsteuer über Wasser, Abwasser, Energie, Entsorgung und Baugebühren. Hinzu kommen die Kosten für die Berliner Gerichte bei Streitfällen und die heute schon absehbaren Probleme beim Abruf von Fördermitteln. Diese sind meist an Fristen gebunden, die möglicherweise nicht einzuhalten sind.