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Schornsteinfeger
Das staatliche Monopol wackelt
10.03.2006 (GE 05/06, Seite 276) Schornsteinfeger gelten nach wie vor als Glücksbringer. Viele Hauseigentümer sind jedoch eher unglücklich, wenn der Schornsteinfeger ins Haus kommt. Der Grund: Er kostet Geld. Jetzt stehen das Kehrmonopol und die Gebühren auf dem Prüfstand.

Seit langer Zeit gibt es in Deutschland ein öffentlich-rechtliches Schornsteinfegermonopol, das heute im Schornsteinfegergesetz verankert ist. Es gibt 8.072 Kehrbezirke, in denen ca. 8.100 Schornsteinfegerbetriebe mit rund 25.000 Mitarbeitern tätig sind. Pro Bezirk gibt es einen „staatlich beliehenen“ Schornsteinfegermeister, der mit seinen gesetzlich verankerten Aufgaben praktisch keinem Wettbewerb unterliegt, dank einer landesrechtlichen Gebührenordnung auf gesicherte Einnahmen vertrauen kann und dem die „Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister“ einen finanziell einigermaßen abgesicherten Ruhestand gewährleistet. Die ehemalige Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) bezog daher bereits im Dezember letzten Jahres eindeutig Position: „Das Schornsteinfegermonopol paßt nicht mehr in unsere Zeit.“ Dieser Meinung haben sich mehrere Landesministerien angeschlossen.
Insgesamt kostet die Kontrolle der Hausversorgungsanlagen fast 1,3 Milliarden Euro im Jahr, teilte der Gesamtverband der deutschen Wohnungswirtschaft (GdW) mit. Er zählt seit langem zu den erklärten Gegnern des Schornsteinfegerwesens.
Die Schornsteinfegergebühren variieren in der gesamten Republik. Sie sind von den Ländern in ihren jeweiligen „Kehr- und Überprüfungsordnungen“ festgeschrieben. Infolge des technischen Fortschritts gehen allerdings die klassischen Aufgaben des Schornsteinfegers im Rahmen der Feuerstättenschau und der Bauabnahme immer mehr zurück, während die immissionsschutzrechtlichen Meßaufgaben nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zunehmen. Bereits zum 1. November 2004 hatte die Bundesregierung die Grenzwerte der Abgasverluste für Öl- und Gasheizungen erheblich reduziert. Die Einhaltung wird – wie auch vorher – durch die Schornsteinfeger überwacht. Schornsteinfeger dürfen Wohnungen und Häuser ohne richterlichen Beschluß betreten, ein Recht, das nicht einmal der Polizei zusteht. Das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) wird erheblich eingeschränkt.
Mitte 2003 leitete die Europäische Kommission wegen des im Schornsteinfegergesetz verankerten Schornsteinfegermonopols gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Grund hierfür war: Das Schornsteinfegermonopol mit dem System der bezirksabhängigen Schornsteinfegermeister verstoße gegen die in Europa garantierte Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Es könne, so die EU-Kommission, weder ein ausländischer Schornsteinfeger oder gleichfalls Qualifizierter ohne Problem in einem beliebigen deutschen Kehrbezirk tätig werden, noch gebe es für die angestellten Schornsteinfeger selbst eine Wahlfreiheit des Arbeitsstättenbezirks.
Das Bundeswirtschaftsministerium nahm deshalb eine Reform des Schornsteinfegerwesens in Angriff. Erstes Ziel ist es, die Kehr- und Überprüfungsordnungen der Länder zu vereinheitlichen. Zu diesem Ziel wird im Moment eine sogenannte Muster-Kehr- und Überprüfungsgebührenordnung erstellt. Diese Reform ist Teil der von der Bundesregierung angestrebten Entbürokratisierung.
Um den Vorgaben der EU-Kommission gerecht zu werden, bereitet das Bundeswirtschaftsministerium unter wesentlicher Beteiligung des Landes Baden-Württemberg derzeit die Einführung eines sogenannten wettbewerbsorientierten Kehrbezirksmodells vor. Es beinhaltet die Garantie der grundsätzlichen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit im Schornsteinfegerhandwerk, behält allerdings die Kehrbezirke mit jeweils einem Kehrbezirksinhaber bei. Dessen Funktion soll auf hoheitliche Aufgaben in den Bereichen Feuersicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz beschränkt werden. Diese und weitere vorgesehene Liberalisierungen sollen insgesamt eine deutliche Verbesserung im Sinne der Marktöffnung garantieren.
Unsicher ist, ob die vorgesehene Beibehaltung des Kehrbezirksmonopols, verbunden mit einer monopolartigen Kontroll- und entsprechenden Dienstleistungsbefugnis, wirklich EU-konform ist. Die Bundesrepublik Deutschland setzt sich so zumindest dem Risiko aus, daß sie von der Europäischen Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt wird.
Zudem widersetzen sich einige Bundesländer selbst dieser bescheidenen Reform des Schornsteinfegerwesens, so daß ein entsprechender Gesetzentwurf in diesem Jahr im Bundesrat scheitern könnte. Schwierigkeiten macht insbesondere die Fortführung der Zusatzversorgung der Schornsteinfeger.
Die FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat bereits am 7. Juni 2005 einen Antrag „Mehr Berlin, weniger Staat – Abschaffung des Schornsteinfegermonopols„ eingebracht und den Senat aufgefordert, sich für eine durchgreifende Reform des Schornsteinfegerwesens nach folgenden Grundsätzen einzusetzen:
- Beibehaltung der Kehr- und Überprüfungspflicht der Hauseigentümer zur Sicherstellung der Feuersicherheit nach § 1 Schornsteinfegergesetz (SchfG),
- Abschaffung des Kehrmonopols und der Kehrbezirke mitsamt der Beleihung von Handwerksmeistern (Bezirksschornsteinfegermeister) mit dem Ziel voller Vertrags- und Gewerbefreiheit,
- Festlegung der kehr- und überprüfungspflichtigen Anlagen und der kehr- und überprüfungspflichtigen Anlagen und der Kehr- und Überprüfungsintervalle nach Maßgabe der technischen Entwicklung durch die Länder und bundeseinheitliche Empfehlungen (Muster-Kehr- und Überprüfungsordnung),
- Vornahme von Emissionsmessungen außer durch Schornsteinfegerbetriebe auch durch Fachbetriebe der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik,
- Abschaffung der Gebührenregelungen, d. h. freie Preisbildung am Markt wie bei anderen Handwerks-Dienstleistungen auch,
- bei Nichteinhaltung der Pflichten durch Hauseigentümer Übergang der Überwachungsaufgaben auf die zuständige Behörde, die einen Fachbetrieb beauftragt und die Kosten dem Hauseigentümer per Gebührenbescheid in Rechnung stellt,
- neue Zutrittsregelung bei Feuerstättenüberprüfungen in Übereinstimmung mit Art. 13 GG,
- Abschaffung der standesrechtlichen Bestimmungen zur Berufsausübung; Beschränkungen auf Regelungen über die Anforderungen an Befähigungsnachweise,
- Einführung von Übergangsregelungen auch zur Umstellung des öffentlich-rechtlichen Versorgungssystems im Schornsteinfegerwesen auf private Vorsorge.
Der Berliner Senat unterstützt die Bemühungen um eine Vereinheitlichung der Kehr- und Überprüfungsordnungen. Eine Beseitigung des Bezirksschornsteinfegersystems an sich lehnt er jedoch ab.
Die Schornsteinfegerreform ist also durchaus ein Spagat. Auf der einen Seite versuchen die Schornsteinfeger ihre Kehrbezirke zu sichern, weil sie damit einen kalkulierbaren Umsatz erzielen. Der Schornsteinfeger – so ihr Argument – sei ein Garant für die in der Bundesrepublik herrschenden hohen Standards bei Feuersicherheit und Umweltschutz. Und: Er ist neutral, d. h. ein Verkaufsinteressse besteht über seine normale Tätigkeit hinaus bei ihm nicht. Andererseits ist die klassische Kehrarbeit des Schornsteinfegers nur noch eine von mehreren Aufgaben, und diese wird zunehmend unaufwendiger. Das liegt an der fortgeschrittenen Technik bei Öl- und Gasfeuerungsanlagen. Ein Gutteil der Arbeit des Schornsteinfegers besteht daher lediglich aus Messungen der Abgase hinsichtlich etwaiger Schadstoffe nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Dies – so auch die Kritik vieler Hauseigentümer – könnten aber auch andere Handwerker gleich miterledigen.
An der Pflicht, Heizungsanlagen hinsichtlich Feuersicherheit und Schadstoffimmissionen zu überprüfen, dürfte also auch ein reformiertes Schornsteinfegergesetz festhalten.
l Lesen Sie auch den Sonderteil „Schornsteinfeger„ ab Seite 307.