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BSR setzt auf Maßstäbe im Umweltschutz
Wie Strom aus Müll entstehen kann
27.02.2006 (GE 04/06, Seite 238) Die Deponien der BSR sind seit 1. Juni 2005 geschlossen. Aber damit fängt für die Deponieexperten in Orange die Arbeit erst an, denn die Deponien müssen stillgelegt und saniert werden. In den Deponien schlummert ein ebenso wertvoller wie auch gefährlicher Rohstoff: das Deponiegas.
Im Hausmüll gibt es organische Anteile, und aus diesen wird nach und nach durch bakterielle Umsetzung das Deponiegas erzeugt. Aus einer Tonne Hausmüll entstehen so im Laufe eines halben Menschenlebens bis zu 250 m3 Deponiegas. Dieses Gas besteht zu mehr als der Hälfte aus Methan (CH4). Methan ist ein extrem klimaschädigendes Treibhausgas. Es belastet die Erdatmosphäre 21mal stärker als das bekannte CO2. Richtig gefährlich wird es dadurch, daß sich aus Methan zusammen mit Sauerstoff ein zündfähiges Gemisch bildet. Aber gerade weil es zündfähig ist, ist es eben nicht nur eine Gefahrenquelle auf den stillgelegten Deponien, sondern es kann als Motorenkraftstoff genutzt werden. Dem Müllkörper das Deponiegas zu entziehen ist also Umweltschutz im doppelten Sinn: Klima schützen und dabei gleichzeitig Ressourcen nützen. Verbrennt man das Methangas, kann man die treibhausrelevante Emission vermeiden, die durch dieses Gas ansonsten entstünde. Und genau das machen die Männer in Orange.
Das Deponiegas wird über sogenannte Gasbrunnen, die tief in den Deponiekörper hineinragen, abgesaugt und über ein Rohrleitungssystem zu einer Motorenanlage gefördert. Und da passiert es: Aus dem Müll-Gas wird Strom. Die Motoren, die mit dem Deponiegas laufen, treiben Generatoren an, welche die Energie, die im Deponiegas steckt, in Strom und (Ab-) Wärme verwandeln. Die Politik fördert mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz die Verwertung des regenerativen Energieträgers Deponiegas mit einem Mindestpreis oberhalb des Strompreises und macht sie dadurch wirtschaftlich. Die Wärme kann man nur dann wirtschaftlich nutzen, wenn es in der unmittelbaren Nähe einen Abnehmer gibt, der sie ganzjährlich und rund um die Uhr verwertet, wie zum Beispiel ein Heizkraftwerk.
In Schwanebeck betreiben die Berliner Stadtreinigungsbetriebe schon seit fünf-einhalb Jahren eine Deponiegasanlage, und seit 2004 gibt es solche Anlagen auch auf den beiden anderen Deponie-Standorten der BSR, Schöneicher Plan und Wernsdorf. Schwanebeck ist die größte mit 117 Gasbrunnen, in Schöneicher Plan wird aus 40 Brunnen Gas gefördert, und in Wernsdorf sind es 17. Allein durch das Auffangen des Deponiegases verhindert die Berliner Stadtreinigung, daß Methangas in die Atmosphäre entweicht, was der Menge von 360.000 Tonnen CO2 entspricht. Die Umweltbilanz ist in der Praxis aber noch besser, denn der Strom und die Wärme, die hier gewonnen werden, ersetzen Primärenergieträger wie Kohle und Gas.
Allein auf der Deponie Schwanebeck werden jede Stunde auf der 72 Fußballfelder großen Grundfläche durchschnittlich 2.500 m3 Deponiegas erfaßt. Das Gas wird in sechs Motoren mit insgesamt 5 MW Leistung verbrannt. Die Deponie hat eine eigene Trafostation, um den Strom, den die Generatoren erzeugen, in das Netz des örtlichen Energieversorgers einzuspeisen. Aus dem Kühlwasser und aus dem Abgas der Verbrennungsmotoren wird zusätzlich zu dem Strom eine thermische Leistung von 6.500 kW gewonnen. Der überwiegende Teil dieser Wärme wird in einer Fernwärmeleitung zum Heizkraftwerk Berlin-Buch transportiert und dort ins Fernwärmenetz eingespeist.
Aus dem Müll auf der Deponie Schwanebeck werden jedes Jahr rund 36.000.000 kWh Strom erzeugt. Dafür würde man ansonsten 40.000 t Braunkohle benötigen. Zudem wird jedes Jahr thermische Energie in der Größenordnung von rund 45.000.000 kWh genutzt, was die Verbrennung von 5.000.000 m3 Erdgas ersetzt. Damit vermeidet die Anlage 40.000 t CO2, die bei der Verbrennung von Braunkohle und Erdgas in der entsprechenden Menge entstehen würden. Für diese nahezu vollständige Verwertung der Energie aus Deponiegas wurde der Berliner Stadtreinigung 2001 der Berliner Umweltpreis verliehen. Und die Erlöse aus den Energieverkäufen helfen mit, die Gebühren in der Abfallwirtschaft zu entlasten.

Neue Lösungen für alte Probleme
Seit Sommer 2004 sorgt die Berliner Stadtreinigung überall dort für Bodenschutz, wo in Berlin Altablagerungen mit maßgeblichem Anteil an Siedungsabfällen lagern. Auch wenn es ähnlich klingt, juristisch sind die vor 1993 geschlossenen Altablagerungen nicht das gleiche wie Deponien, aber die Männer in Orange können dort ihr Know-how aus der Deponiesanierung nutzen. In diesen Fällen geht es darum, optimale Lösungen zu finden, denn Maßnahmen zur Sicherung und Sanierung von Grundwasser- und Bodenverunreinigungen unter Altablagerungen müssen maßgeschneidert werden. Hier gibt es – im Gegensatz zu Deponien – bewußt kein Regelverfahren, sondern es werden für jeden einzelnen Standort in ökologischer und in wirtschaftlicher Hinsicht optimale Maßnahmen angewendet. Dafür ist die Erkundung der örtlichen Verhältnisse in jedem einzelnen Fall besonders wichtig. In Berlin sind 38 solcher Standorte mit Altablagerungen von Hausmüll bekannt. Hier ist ein schrittweises Vorgehen – in enger Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nötig:
• bereits vorhandene Erkenntnisse müssen gesammelt und beurteilt werden
• zusätzliche Erkundungen zur Boden- oder Grundwasserbeeinflussung sowie zur Entwicklung von Deponiegas
• Auswertung der Ergebnisse und Entwickeln von Maßnahmen für die Sicherung und Sanierung oder die Überwachung einzelner Standorte
• Abstimmung der Maßnahmen mit den Behörden und Einholen erforderlicher Genehmigungen
• Durchführung aller Maßnahmen.