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Walter Momper als Nachtigall
10.02.2006 (GE 03/06, Seite 136) Eingeweihte lesen Stellenanzeigen im Berliner Amtsblatt unter einem ganz anderen Gesichtspunkt als solche Mitmenschen, die einen passenden Arbeitsplatz suchen. Eingeweihte fragen sich nämlich nicht: Wäre diese Stelle etwas für mich, sondern "wer ist damit gemeint"?
In Berlin steht jedenfalls bei begehrten Arbeitsplätzen oft schon fest, wer die Stelle erhält. Der Trick ist einfach: Die veröffentlichten Anforderungen an die Bewerber sind dem schon feststehenden Wunschkandidaten auf den Leib geschrieben. Als deshalb die Verwaltung des Berliner Abgeordnetenhauses Ende Oktober 2005 die Stelle der Leitung des Pressereferats Vergütungsgruppe I b BAT/BAT-O (noch mit dem Zusatzvermerk "eine Höherbewertung wird angestrebt") ausschrieb (der bisherige langjährige und bei Journalisten allseits beliebte und geschätzte Rainer Düsing ging Ende 2005 in den Ruhestand), hob sich so manche Nase, um zu schnuppern, woher der Geruch kam. Denn die Stellenbeschreibung war keineswegs so, wie man sie für die Leitung des Pressereferats erwarten durfte. Also etwa: abgeschlossenes Hochschulstudium, gründliche journalistische Erfahrung, mannigfache Kontakte zu Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen etc. also alle jene Voraussetzungen, die jedes große Unternehmen wie selbstverständlich an den Leiter seiner Pressestelle stellt. Statt dessen wurden "praktische Erfahrungen im politisch-parlamentarischen Raum", "stark ausgeprägtes Sensorium für Politik" usw. gefordert. Na ja, die Nachtigall, die da trapste, hieß Walter Momper, seines Zeichens Parlamentspräsident und einer, der für die Seinen sorgt. In diesem Falle für Beate Radschikowsky, Mompers derzeitige persönliche Referentin, wie Momper im SPD-Kreisverband Reinickendorf organisiert, Vorsitzende des SPD-Ortsverbandes Borsigwalde/Tegel-Süd und mit dem Reinickendorfer SPD-Stadtrat Thomas Gaudzun verbandelt. Ursprünglich war wohl geplant, daß bei der kommenden Abgeordnetenhauswahl Momper und Radschikowsky in Reinickendorf antreten sollten, was am Reinickendorfer Kreischef Peter Senftleben gescheitert sein soll. Das Ende vom geplanten Durchmarsch des Duos war kläglich. Radschikowsky verzichtet auf eine Kandidatur, Momper erhielt keinen sicheren Listenplatz und darf nicht wie bisher in Tegel, sondern muß im Wahlkreis Schönholz antreten, wo er auf den CDU-Baustadtrat Dr. Michael Wegner trifft .Ein kleines Himmelfahrtskommando für Momper, denn in diesem Wahlkreis lagen bei der vorigen Wahl zwischen dem Ersten und dem Zweiten keine 200 Stimmen. Ob Momper also im nächsten Abgeordnetenhaus sitzt, ist zweifelhaft. Da muß man halt das Feld für seine Lieben rechtzeitig bestellen.