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Satellitenschüsseln
BGH: Kabelfernsehen reicht aus
27.01.2006 (GE 02/06, Seite 89) Bei im Hause vorhandenem Breitbandkabelanschluß hat der Mieter nur unter eingeschränkten Voraussetzungen einen Anspruch auf Installation einer eigenen Parabolantenne zum Empfang von Satellitenfernsehen.
Der Fall:
Der Mieter (deutscher Staatsangehöriger polnischer Herkunft) installierte an der Balkonbrüstung seiner Wohnung im 11./12. OG des Mietshauses eine Parabolantenne. Dem Beseitigungsverlangen des Vermieters kam er nicht nach. Mit der Klage verlangte der Vermieter von dem Beklagten die Entfernung der Antenne und es ferner zu unterlassen, in Zukunft derartige Antennen ohne Zustimmung des Vermieters zu installieren. Mit der Widerklage wollte der Mieter erreichen, daß der Vermieter die Anbringung einer Satellitenantenne an einem zur Anbringung geeigneten Ort genehmigt. Das AG gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. In der Berufung bestätigte das LG Berlin (ZK 65) im wesentlichen die Klageabweisung, entsprach jedoch erstmals in der Berufung einem Hilfsantrag zur Widerklage und stellte fest, daß der Vermieter zur Genehmigung der Aufstellung einer Parabolantenne verpflichtet sei, wenn der Mieter die Aufstellung nach Maßgabe des von dem Vermieter zu wählenden Aufstellungsortes vornehme, die Installation fachgerecht vorgenommen werde, für eine Versicherung Sorge getragen werde und die Rückbaukosten gegenüber dem Vermieter sichergestellt würden. Das führte zur Revision beider Parteien.
Das Urteil:
Der BGH kassierte das landgerichtliche Urteil und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Die Berufungskammer werde insbesondere eine eingehende Interessenabwägung zwischen möglichem Mieteranspruch auf Anbringung einer derartigen Antenne und einem möglichen Abwehranspruch des Vermieters vorzunehmen haben. Erst wenn das Instanzgericht zu einem Mieteranspruch gelange, könne über die weiteren Modalitäten zur Anbringung der Antenne entschieden werden.
Anmerkung:
Das intensive Studium der Entscheidungsgründe des BGH zu den Rdn. 1 bis 12 kann man etwas vernachlässigen, weil es dabei im wesentlichen um die etwas diffizile prozessuale Situation mit Klage, Widerklage und Hilfsantrag zur Widerklage geht. Ab Rdn. 13 gibt der BGH aber einen guten Überblick zur Behandlung der wechselseitigen Ansprüche der Mietvertragsparteien im Zusammenhang mit dem Aufstellen einer mieterseitigen Parabolantenne zum Fernsehempfang.
Nach § 541 BGB kann der Vermieter auf Unterlassung klagen, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung fortsetzt. Der Anspruch umfaßt auch die Beseitigung eines vom Mieter geschaffenen vertragswidrigen Zustandes. Die Anbringung einer Parabolantenne an der Balkonbrüstung der gemieteten Wohnung ohne Zustimmung des Vermieters ist vertragswidrig, wenn der Vermieter nicht aufgrund einer aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) herzuleitenden Nebenpflicht aus dem Mietvertrag verpflichtet ist, die Anbringung einer Parabolantenne durch den Mieter zu dulden. Aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG (u. a. Beschluß vom 24. Januar 2005 - 1 BvR 1953/00 -, GE 2005, 428) ist dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG (Informationsfreiheit), sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch in zivilgerichtlichen Streitigkeit über die Anbringung von Satellitenempfangsanlagen in allen Mietwohnungen Rechnung zu tragen. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, daß das gleichrangige Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt sei, wenn von ihm verlangt werde, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Das erfordert in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen den beiderseitigen grundgesetzlich geschützten Interessen. An diesen Grundsätzen, die eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfordern, für die sich jede schematische Lösung verbiete, hält der BGH fest. Hierzu gibt er allerdings Klarstellungen. Wenn die Kammer des LG Berlin meine, der Mieter habe in der Regel auch bei vorhandenem Kabelanschluß zur Befriedigung weitergehender Informationsinteressen ohne weiteres einen Anspruch auf Anbringung einer für den Satellitenempfang erforderlichen Parabolantenne, sei dem nicht zu folgen. Dem Informationsbedürfnis des Mieters werde in der Regel hinreichend Rechnung getragen, wenn der Vermieter einen Breitbandkabelanschluß bereitstelle. Das gelte auch gegenüber dem ausländischen Mieter, wenn für ihn über den Kabelanschluß ein ausreichender Zugang zu Programmen in seiner Sprache und aus seinem Heimatland bestehe. Für einen Anspruch des Mieters auf Duldung einer Parabolantenne reiche es nicht aus, daß über eine Satellitenempfangsanlage im Vergleich zum Breitbandkabelanschluß eine größere Anzahl von Programmen empfangen werden könne. Vielmehr komme es darauf an, ob bereits der vorhandene Kabelanschluß geeignet sei, das geltend gemachte Informationsinteresse des Mieters hinreichend zu befriedigen. Der BGH erwähnt in diesem Zusammenhang nicht, daß dem ausländischen Mieter unter Umständen auch die Anschaffung eines Decoders auf eigene Kosten zugemutet werden kann, um entsprechend ausländische Programme empfangen zu können (vgl. dazu die Besprechung der Entscheidung des BVerfG und des BGH in GE 2005, 397, 398).
Wichtig ist die Stellungnahme des BGH zu einem möglichen Vorrang des Rechts der Europäischen Gemeinschaften im Hinblick auf den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr (Mitteilung der Kommission vom 27. Januar 2001). Dazu stellt der BGH fest, daß die in Artikel 49 des EG-Vertrages geregelte Dienstleistungsfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet ist. Gleiches gelte für die in Art. 10 EMRK gewährleistete Informationsfreiheit. Da auch das Eigentumsrecht von der Gemeinschaftsordnung geschützt werde, hätten die Gerichte der Mitgliedsstaaten bei der Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts den berechtigten Interessen des Eigentümers Rechnung zu tragen, so daß es ebenso wie im nationalen Recht eine Abwägung der vom Gemeinschaftsrecht geschützten Rechtspositionen und der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bedürfe. Daß hierbei dem Wunsch des Mieters, weitere Hörfunk- oder Fernsehprogramme mittels einer Parabolantenne empfangen zu können, von vornherein der Vorrang vor den Interessen des Eigentümers einzuräumen wäre, lasse sich dem Gemeinschaftsrecht nicht entnehmen.
Erst wenn nach entsprechender grundrechtlicher Abwägung das Gericht zur Bejahung eines Mieteranspruchs auf Anbringung einer Parabolantenne kommt, hat die weitere Prüfung einzusetzen, unter welchen Voraussetzungen das zu geschehen hat. Der BGH läßt es in diesem Zusammenhang (leider) dahinstehen, ob der Mieter oder der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast für eine (un-) fachmännische Anbringung der Antenne hat. Im übrigen verbleibt es zu den Einzelheiten der Anbringung bei der bisherigen Rechtsprechung, die vom BGH in dem vorliegenden Urteil auch nicht in Frage gestellt wird (vgl. Schach in Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozeßrecht, 4. Auflage, § 535 Rdn. 32 d).
BGH, Urteil vom 16. November 2005 - VIII ZR 5/05 - Wortlaut Seite 112
Der Mieter (deutscher Staatsangehöriger polnischer Herkunft) installierte an der Balkonbrüstung seiner Wohnung im 11./12. OG des Mietshauses eine Parabolantenne. Dem Beseitigungsverlangen des Vermieters kam er nicht nach. Mit der Klage verlangte der Vermieter von dem Beklagten die Entfernung der Antenne und es ferner zu unterlassen, in Zukunft derartige Antennen ohne Zustimmung des Vermieters zu installieren. Mit der Widerklage wollte der Mieter erreichen, daß der Vermieter die Anbringung einer Satellitenantenne an einem zur Anbringung geeigneten Ort genehmigt. Das AG gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. In der Berufung bestätigte das LG Berlin (ZK 65) im wesentlichen die Klageabweisung, entsprach jedoch erstmals in der Berufung einem Hilfsantrag zur Widerklage und stellte fest, daß der Vermieter zur Genehmigung der Aufstellung einer Parabolantenne verpflichtet sei, wenn der Mieter die Aufstellung nach Maßgabe des von dem Vermieter zu wählenden Aufstellungsortes vornehme, die Installation fachgerecht vorgenommen werde, für eine Versicherung Sorge getragen werde und die Rückbaukosten gegenüber dem Vermieter sichergestellt würden. Das führte zur Revision beider Parteien.
Das Urteil:
Der BGH kassierte das landgerichtliche Urteil und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Die Berufungskammer werde insbesondere eine eingehende Interessenabwägung zwischen möglichem Mieteranspruch auf Anbringung einer derartigen Antenne und einem möglichen Abwehranspruch des Vermieters vorzunehmen haben. Erst wenn das Instanzgericht zu einem Mieteranspruch gelange, könne über die weiteren Modalitäten zur Anbringung der Antenne entschieden werden.
Anmerkung:
Das intensive Studium der Entscheidungsgründe des BGH zu den Rdn. 1 bis 12 kann man etwas vernachlässigen, weil es dabei im wesentlichen um die etwas diffizile prozessuale Situation mit Klage, Widerklage und Hilfsantrag zur Widerklage geht. Ab Rdn. 13 gibt der BGH aber einen guten Überblick zur Behandlung der wechselseitigen Ansprüche der Mietvertragsparteien im Zusammenhang mit dem Aufstellen einer mieterseitigen Parabolantenne zum Fernsehempfang.
Nach § 541 BGB kann der Vermieter auf Unterlassung klagen, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung fortsetzt. Der Anspruch umfaßt auch die Beseitigung eines vom Mieter geschaffenen vertragswidrigen Zustandes. Die Anbringung einer Parabolantenne an der Balkonbrüstung der gemieteten Wohnung ohne Zustimmung des Vermieters ist vertragswidrig, wenn der Vermieter nicht aufgrund einer aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) herzuleitenden Nebenpflicht aus dem Mietvertrag verpflichtet ist, die Anbringung einer Parabolantenne durch den Mieter zu dulden. Aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG (u. a. Beschluß vom 24. Januar 2005 - 1 BvR 1953/00 -, GE 2005, 428) ist dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG (Informationsfreiheit), sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch in zivilgerichtlichen Streitigkeit über die Anbringung von Satellitenempfangsanlagen in allen Mietwohnungen Rechnung zu tragen. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, daß das gleichrangige Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt sei, wenn von ihm verlangt werde, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Das erfordert in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen den beiderseitigen grundgesetzlich geschützten Interessen. An diesen Grundsätzen, die eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfordern, für die sich jede schematische Lösung verbiete, hält der BGH fest. Hierzu gibt er allerdings Klarstellungen. Wenn die Kammer des LG Berlin meine, der Mieter habe in der Regel auch bei vorhandenem Kabelanschluß zur Befriedigung weitergehender Informationsinteressen ohne weiteres einen Anspruch auf Anbringung einer für den Satellitenempfang erforderlichen Parabolantenne, sei dem nicht zu folgen. Dem Informationsbedürfnis des Mieters werde in der Regel hinreichend Rechnung getragen, wenn der Vermieter einen Breitbandkabelanschluß bereitstelle. Das gelte auch gegenüber dem ausländischen Mieter, wenn für ihn über den Kabelanschluß ein ausreichender Zugang zu Programmen in seiner Sprache und aus seinem Heimatland bestehe. Für einen Anspruch des Mieters auf Duldung einer Parabolantenne reiche es nicht aus, daß über eine Satellitenempfangsanlage im Vergleich zum Breitbandkabelanschluß eine größere Anzahl von Programmen empfangen werden könne. Vielmehr komme es darauf an, ob bereits der vorhandene Kabelanschluß geeignet sei, das geltend gemachte Informationsinteresse des Mieters hinreichend zu befriedigen. Der BGH erwähnt in diesem Zusammenhang nicht, daß dem ausländischen Mieter unter Umständen auch die Anschaffung eines Decoders auf eigene Kosten zugemutet werden kann, um entsprechend ausländische Programme empfangen zu können (vgl. dazu die Besprechung der Entscheidung des BVerfG und des BGH in GE 2005, 397, 398).
Wichtig ist die Stellungnahme des BGH zu einem möglichen Vorrang des Rechts der Europäischen Gemeinschaften im Hinblick auf den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr (Mitteilung der Kommission vom 27. Januar 2001). Dazu stellt der BGH fest, daß die in Artikel 49 des EG-Vertrages geregelte Dienstleistungsfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet ist. Gleiches gelte für die in Art. 10 EMRK gewährleistete Informationsfreiheit. Da auch das Eigentumsrecht von der Gemeinschaftsordnung geschützt werde, hätten die Gerichte der Mitgliedsstaaten bei der Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts den berechtigten Interessen des Eigentümers Rechnung zu tragen, so daß es ebenso wie im nationalen Recht eine Abwägung der vom Gemeinschaftsrecht geschützten Rechtspositionen und der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bedürfe. Daß hierbei dem Wunsch des Mieters, weitere Hörfunk- oder Fernsehprogramme mittels einer Parabolantenne empfangen zu können, von vornherein der Vorrang vor den Interessen des Eigentümers einzuräumen wäre, lasse sich dem Gemeinschaftsrecht nicht entnehmen.
Erst wenn nach entsprechender grundrechtlicher Abwägung das Gericht zur Bejahung eines Mieteranspruchs auf Anbringung einer Parabolantenne kommt, hat die weitere Prüfung einzusetzen, unter welchen Voraussetzungen das zu geschehen hat. Der BGH läßt es in diesem Zusammenhang (leider) dahinstehen, ob der Mieter oder der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast für eine (un-) fachmännische Anbringung der Antenne hat. Im übrigen verbleibt es zu den Einzelheiten der Anbringung bei der bisherigen Rechtsprechung, die vom BGH in dem vorliegenden Urteil auch nicht in Frage gestellt wird (vgl. Schach in Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozeßrecht, 4. Auflage, § 535 Rdn. 32 d).
BGH, Urteil vom 16. November 2005 - VIII ZR 5/05 - Wortlaut Seite 112
Autor: Klaus Schach