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BGH zur Mieterhöhung nach Berliner Mietspiegel
Bruttomieten sind mit aktuellen Betriebskosten umzurechnen
06.01.2006 (GE 01/06, Seite 20) Der BGH entscheidet den Streit: Beim Mieterhöhungsverlangen darf der Berliner Vermieter die Umrechnung einer Brutto- in eine Nettomiete nicht mittels der GEWOS-Pauschalen vornehmen, sondern muß diese aufgrund der auf die einzelne Wohnung entfallenden aktuellen Betriebskosten durchführen.
Der Fall:
Die Mietvertragsparteien hatten eine Bruttokaltmiete vereinbart. Der Vermieter wollte diese Miete im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen und bezog sich zur Begründung auf den Berliner Mietspiegel 2000 (Nettomietspiegel). Dabei ging er von einem in der bisher gezahlten Miete enthaltenen Betriebskostenanteil von 1,29 €/m2 aus, den er anhand einer Betriebskostenaufstellung für das Jahr 1997 errechnet hatte. Das KG (vgl. GE 2005, 180) hielt das Mieterhöhungsverlangen für unbegründet, weil die in Ansatz gebrachten Betriebskosten des Jahres 1997 zur Herstellung des Vergleichsmaßstabes zwischen der vertraglich vereinbarten Bruttokaltmiete und der nunmehr im anzuwendenden Berliner Mietspiegel 2003 enthaltenen Nettokaltmiete nicht geeignet seien. Hierzu seien zu der ortsüblichen Nettokaltmiete die Betriebskosten hinzuzurechnen, die der Vermieter zum Zeitpunkt der Abgabe des Mieterhöhungsverlangens zu tragen habe. Es seien die konkreten und nicht pauschale Betriebskostenwerte aus dem Mietspiegel anzusetzen. Das klageabweisende Urteil führte zur Revision beim BGH.

Das Urteil:
Der für die Wohnraummiete zuständige VIII. Senat des BGH kommt zu dem Ergebnis, daß der Anspruch des Vermieters auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Bruttokaltmiete, den er mit einem Mietspiegel begründet, der Nettomieten aufweise, anhand der zuletzt auf die Wohnung entfallenden Betriebskosten zu beurteilen sei. Das vorliegende Mieterhöhungsverlangen sei zwar formell wirksam, allerdings materiell nicht berechtigt. Denn die vorgelegte Betriebskostenaufstellung aus dem Jahre 1997 sei nicht zum Nachweis der Höhe des von dem Mieter bestrittenen Betriebskostenanteils in der vereinbarten Bruttokaltmiete geeignet.
Der Vermieter habe gemäß § 558 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Miete bis zu der im Zeitpunkt des Zugangs des Zustimmungsverlangens ortsüblichen Vergleichsmiete. Daraus folge, daß es der Angabe des zu diesem Zeitpunkt feststellbaren Betriebskostenanteils an der vereinbarten Bruttomiete bedürfe. Zur Herstellung der Vergleichbarkeit zwischen der vertraglichen Bruttokaltmiete und den Nettovergleichsmieten des Mietspiegels sei auch nicht auf die Durchschnittswerte des Berliner Mietspiegels der Betriebskosten abzustellen. Es sei auch nicht gerechtfertigt, die Berechnung der Vergleichsmiete anhand von Durchschnittswerten für Betriebskosten als gleichwertige Berechnungsmethode neben einer Berechnung anhand der konkreten Betriebskosten vorzunehmen. Denn dies würde dem Vermieter die Möglichkeit eröffnen, die ihm günstigere Berechnungsmethode zu Lasten des Mieters zu wählen.
Anmerkung: Nach der BGH-Entscheidung ist jetzt Umdenken angesagt. Das KG hatte im Januar 2005 überraschend und entgegen der bisherigen Berliner Instanzrechtsprechung, vor allem der Berufungskammern des LG, entschieden, daß die Umrechnung von brutto in netto bzw. umgekehrt mit den zum Zeitpunkt der Abgabe der Erhöhungserklärung aktuellen Betriebskostenanteilen vorzunehmen sei. Das LG hatte sich dieser Entscheidung auch nicht angeschlossen. Mit Urteil vom 19. Juli 2005 - 63 S 76/05 -, GE 2005, 1251, hatte sich die ZK 63 noch einmal ausdrücklich auf den Standpunkt gestellt, daß die Umrechnung anhand der pauschalen Betriebskosten laut Mietspiegel zu erfolgen habe. Dem Vernehmen nach wollten das auch andere Kammern so tun. Es gilt folgendes:
1. Mieterhöhungsverlangen, die – wie bisher überwiegend üblich – mit den GEWOS-Pauschalen berechnet und begründet worden sind, verlieren nicht ihre Wirksamkeit und müssen daher nicht „auf den Müll geworfen werden„. Denn derartige Verlangen sind jedenfalls erst einmal formell wirksam. Der BGH hält hier ausdrücklich fest, daß die Frage, ob die Aufstellung der Höhe nach zutreffend war, nicht die formelle Ordnungsmäßigkeit des Erhöhungsverlangens, sondern allein dessen materielle Berechtigung betrifft.
2. Hat der Mieter einem Mieterhöhungsverlangen, das unter Berücksichtigung der GEWOS-Pauschalen abgegeben worden ist, zugestimmt, ist die neue Miete wirksam vereinbart. Die Zustimmung des Mieters wird nicht aufgrund der BGH-Entscheidung jetzt unwirksam, sondern die neue Miete ist Vertragsgrundlage geworden.
3. Ist nunmehr ein Klageverfahren auf Zustimmung des Mieters zum Mieterhöhungsverlangen rechtshängig, muß der Vermieter jetzt (noch) einen Betriebskostenstatus erstellen, der sich auf den Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens bezieht. Denn das Gericht muß nun unter Zugrundelegung des für den Zugang des Miet-erhöhungsverlangens maßgeblichen Mietspiegels unter Berücksichtigung der tatsächlich auf die Wohnung entfallenden Betriebskosten eine Miete errechnen – es sei denn, es zieht den Mietspiegel überhaupt nicht heran und bedient sich z. B. eines Sachverständigengutachtens. In dem dem KG bzw. dem BGH zugrundeliegenden Fall hatte der Vermieter eine entsprechende Betriebskostenaufstellung nicht vorsorglich vorgetragen, sondern lediglich behauptet, er hätte entsprechende Nachweise auch für den geforderten Zeitraum erbringen können. Das ersetzt nach BGH nicht die konkrete Darlegung, auf welchen Betrag sich die auf die Wohnung zum Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens entfallenden Betriebskosten beliefen und wie sie sich zusammengesetzt hätten. Damit verblieb es bei der Klageabweisung.
4. Die eigentlichen Schwierigkeiten dürften jetzt allerdings mit der Erstellung eines entsprechenden Betriebskostenstatus auftreten. Das hängt vor allem damit zusammen, daß der Status anhand eines bestimmten Zeitpunktes aufgestellt werden muß, der zudem auch noch nach Abgabe des Mieterhöhungsverlangens liegt. Nun wird zwar üblicherweise ein Mieterhöhungsverlangen kurze Zeit nach Abgabe durch den Vermieter auch dem Mieter zugehen. Trotzdem kann es sich aus vielerlei Gründen auch (erheblich) verzögern. Betriebskosten unterliegen einer Entwicklung, die anhand von Kosten eben nach oben, aber auch nach unten gehen kann. Der Vermieter kann nur die Höhe der Betriebskosten zugrunde legen, die ihm zum Zeitpunkt der Abgabe des Erhöhungsverlangens bekannt sind. Steigen die Betriebskosten bis zum Zugang des Erhöhungsverlangens beim Mieter, ist die Kostensteigerung nicht zu berücksichtigen. Gehen die Kosten herunter (es kommt immer auf den Saldo aus allen Betriebskosten an), müßte das der Mieter im Rechtstreit entsprechend einwenden.
Es verbietet sich, zukünftige Betriebskostenentwicklungen schon bei dem Mieterhöhungsverlangen zu berücksichtigen. Zukünftig im Laufe des Jahres anfallende erhöhte Gartenpflegekosten können jetzt z. B. noch nicht eingestellt werden.
Einem Vermieter ist es kaum möglich, ständig einen Betriebskostenstatus parat zu haben, um ihn je nach Ablauf der Wartefrist einem Mieterhöhungsverlangen zugrunde zu legen. Es ist anzuraten, daß der Vermieter zu den üblichen Terminen zum Ende eines Jahres sich eine Betriebskostenübersicht verschafft und einen Status errechnet. Da Bruttomieten zwar im ehemaligen West-Berlin noch in höherer Zahl vereinbart sind, es sich aber dennoch um ein Auslaufmodell handeln dürfte, können die für die Abrechnung der Betriebskostenvorauszahlungen bei vereinbarter Nettomiete vorhandenen Daten gut herangezogen werden.

BGH, Urteil vom 26. Oktober 2005 - VIII ZR 41/05 - Wortlaut Seite 46
Autor: Klaus Schach