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Joa san ma denn scho a Bananenrepublik?
03.01.2006 (GE 24/05, Seite 1501) Der Vertrag der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD ist unterschrieben und die Kabinetts-Frau-/Mannschaft mit einer Kanzlerin an der Spitze auf die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland vereidigt. "Aufbruchstimmung", "Chance geben", "Reformprozeß fortsetzen", "Haushaltssanierung und Arbeitsplatzschaffung vorrangig", so einige Schlagworte danach. Doch Halt!, auch "Große Koalition verstößt gegen Verfassung"!
Sie werden fragen, warum wiederholt der, was wir doch längst wissen? Aber merke: "... auf die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland vereidigt"! und doch zeitgleich der Verstoß gegen eben diese! Dies alles lautstark, ohne jegliche Hemmung vorher öffentlich angekündigt. Wo blieb der Aufschrei? Die Oppositionsparteien spitzten gewaltig den Mund, drohten mit dem Bundesverfassungsgericht, um dann schnell den "Schwanz einzuziehen".
Der Sachverhalt: Artikel 115 Grundgesetz, der Verfassung, schreibt vor: "... Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts." So formuliert es zwingendes Recht: Norm mit klar definierter Ausnahme. Und die Wirklichkeit? Die für 2006 geplante Kreditaufnahme soll um das Doppelte die Summe der Ausgaben für lnvesitionen übersteigen. Von der Ausnahme wird kein Gebrauch gemacht/kann kein Gebrauch gemacht werden, weil dies eine nachträgliche Watsche für die Rot-Grüne Koalition auch durch die "Roten" selbst bedeutet hätte. Daher beschönigt die Schwarz-Rote Koalition: Bewußter Verfassungsverstoß ja , aber doch nur, um im nächsten Haushaltsjahr wieder gesetzestreu zu sein. Unabhängig davon, ob dies realistisch ist Verfassungsverstoß bleibt Verfassungsverstoß. Man kann es auch banaler sagen: Rechtsbruch bleibt Rechtsbruch. Und wo blieben eigentlich die von Artikel 5 Grundgesetz ganz besonders geschützten Journalisten?
Kaum empörende Kommentare. "Joa, san ma denn scho a Bananenrepublik?", in Anleihe bei einem bekannten Bayern.
Und nun ist der Bürger im Dilemma. Was sagt er zukünftig der Jugend? Erzieht sie/er doch mit dem Ziel gesetzes-treuen Lebens. Was sagt sie/er ihnen, wenn sie bei Anlernen/Belehren oder gar Vergehen "auf die da oben" verweisen? Was macht man mit Dieben, die nun explizit mit der Begründung stehlen (sie sind schließlich nicht alle Pisa-geschädigt), sie wollten nur ihr aktuelles individuelles Haushaltsloch stopfen, um in der nächsten "Budgetperiode" clean zu sein. Müssen sie diese Taten zukünftig "nur" vorher öffentlich ankündigen, um straffrei zu bleiben?
Genug des Ernstes oder der Humoreske?
Nein. Eines muß noch: Die Kanzlerin verlangt "Ehrfurcht". "Ehrfurcht" vor dem und nicht Mäkelei am Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Aber recht hat sie. Wer ständig die klassischen Werte "aus der Kiepe verliert", muß eben vor einem Koalitionsvertrag (ehr-) fürchten. Und daher: Deutschland hat eine tolle Zukunft, die "Große Koalition" hat ihre Chance verdient (trotz Verf...), der Koalitionsvertrag "beschert uns" (es ist Weihnachtszeit!) Hoffnung. Ehrfürchtig also begeben wir uns auf den uns dekretierten gemeinsamen Weg. Aber mußte es nun gleich ein Verfassungsverstoß sein? (Der Irrweg der Wortwahl ist schon eher nachzusehen.) Auf, auf also in eine "Große-Koalitions-Zukunft" in unserem wunderschönen Land der ehemaligen Dichter und Denker. Denn merke mit dem englischen Ökonomen John Maynard Keynes: Erst "in the long run we are all dead".
Der Sachverhalt: Artikel 115 Grundgesetz, der Verfassung, schreibt vor: "... Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts." So formuliert es zwingendes Recht: Norm mit klar definierter Ausnahme. Und die Wirklichkeit? Die für 2006 geplante Kreditaufnahme soll um das Doppelte die Summe der Ausgaben für lnvesitionen übersteigen. Von der Ausnahme wird kein Gebrauch gemacht/kann kein Gebrauch gemacht werden, weil dies eine nachträgliche Watsche für die Rot-Grüne Koalition auch durch die "Roten" selbst bedeutet hätte. Daher beschönigt die Schwarz-Rote Koalition: Bewußter Verfassungsverstoß ja , aber doch nur, um im nächsten Haushaltsjahr wieder gesetzestreu zu sein. Unabhängig davon, ob dies realistisch ist Verfassungsverstoß bleibt Verfassungsverstoß. Man kann es auch banaler sagen: Rechtsbruch bleibt Rechtsbruch. Und wo blieben eigentlich die von Artikel 5 Grundgesetz ganz besonders geschützten Journalisten?
Kaum empörende Kommentare. "Joa, san ma denn scho a Bananenrepublik?", in Anleihe bei einem bekannten Bayern.
Und nun ist der Bürger im Dilemma. Was sagt er zukünftig der Jugend? Erzieht sie/er doch mit dem Ziel gesetzes-treuen Lebens. Was sagt sie/er ihnen, wenn sie bei Anlernen/Belehren oder gar Vergehen "auf die da oben" verweisen? Was macht man mit Dieben, die nun explizit mit der Begründung stehlen (sie sind schließlich nicht alle Pisa-geschädigt), sie wollten nur ihr aktuelles individuelles Haushaltsloch stopfen, um in der nächsten "Budgetperiode" clean zu sein. Müssen sie diese Taten zukünftig "nur" vorher öffentlich ankündigen, um straffrei zu bleiben?
Genug des Ernstes oder der Humoreske?
Nein. Eines muß noch: Die Kanzlerin verlangt "Ehrfurcht". "Ehrfurcht" vor dem und nicht Mäkelei am Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Aber recht hat sie. Wer ständig die klassischen Werte "aus der Kiepe verliert", muß eben vor einem Koalitionsvertrag (ehr-) fürchten. Und daher: Deutschland hat eine tolle Zukunft, die "Große Koalition" hat ihre Chance verdient (trotz Verf...), der Koalitionsvertrag "beschert uns" (es ist Weihnachtszeit!) Hoffnung. Ehrfürchtig also begeben wir uns auf den uns dekretierten gemeinsamen Weg. Aber mußte es nun gleich ein Verfassungsverstoß sein? (Der Irrweg der Wortwahl ist schon eher nachzusehen.) Auf, auf also in eine "Große-Koalitions-Zukunft" in unserem wunderschönen Land der ehemaligen Dichter und Denker. Denn merke mit dem englischen Ökonomen John Maynard Keynes: Erst "in the long run we are all dead".
Autor: JÖRG SCHLEGEL, Staatssekretär a. D.






