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Merkel - Platzeck oder das letzte Aufgebot der Bürgerlichen
12.12.2005 (GE 23/05, Seite 1437) Die Wahl ist gelaufen und die große Koalition steht mit einer Streichliste steuerlicher Ausnahmetatbestände, die die Unterschrift von Herrn Kirchhof tragen könnte, bei Einkommenssteuersätzen zuzüglich Reichensteuer, die von Herrn Müntefering stammen, sowie mit von der Union eingebrachten Erhöhungen der Verbrauchssteuern.
Selbstverständlich kann das bürgerliche Lager auch diese verlorene Wahl erneut auf Eitelkeiten und Machenschaften zurückführen. Was die FDP 2002 mit dem auf Herrn Möllemann zugeschnittenen Spaßwahlkampf versaut hat, hat sich dieses Mal Herr Stoiber geleistet, indem er in seiner Unentschlossenheit das Finanzministerium zu leiten, Frau Merkel zwang, eine Persönlichkeit für dieses Amt zu nominieren, die, politisch unerfahren und ohne Hausmacht, nichts zu verlieren hatte und, wie wir traurig konstatieren müssen, einen entscheidenden Beitrag zum Wahlausgang geleistet hat: 1 : 1 Liberale gegen Konservative, 2 : 0 gegen Deutschland.
Ursachen und leider auch Folgen des Versagens des bürgerlichen Lagers sind fundamentalerer Natur und gehen über die beschriebenen Eitelkeiten der politischen Hintertreppe weit hinaus. Der Kern der Problematik liegt in der Interpretation dessen, was der Staat für die Gesellschaft leisten kann und soll. Die insbesondere Frau Merkel zugeschriebene und von ihren politisch linken Widersachern in negativer Konnotation als neoliberal apostrophierte Position besteht in der Rückführung des Staates als Institution zur Befriedigung individueller und gesellschaftlicher Bedürfnisse. Deregulierung, Ausdünnung sozialer Netze etc. sind Ergebnis einer politischen Ausrichtung aus den Erfahrungen des Staatsversagens der alten Bundesrepublik, aber mehr noch aus denen der untergegangenen DDR. Die Kirchhofsche finanzpolitische Vorstellung eines Staates, der über Steuerpolitik nicht mehr die Wirtschaft steuern soll, weil dieser sowieso gegenüber lobbyistischen Interessen unterliegt, sind Ausdruck einer Kapitulation gegenüber dem Staatsversagen.
Gerade hier liegt der politische Denkfehler: Die Antwort auf Staatsversagen heißt nicht Rückführung des Staates, sondern Überwindung seines Versagens. Das impliziert nicht, daß nicht in einzelnen Bereichen oder auch insgesamt eine Rückführung des staatlichen Einflusses und damit der Staatsquote gut und notwendig sind, und es bedeutet auch nicht, daß es nur noch gute oder schlechte und keine sozialdemokratische oder liberale Wirtschaftspolitik mehr gibt.
Der Wähler hat sich in seiner kollektiven Intelligenz gegen die Reduktion des Staatlichen als Antwort auf dessen Versagen gewandt. Doch was erhält er? Laut Koalitionsvertrag bekommt er eine Ausweitung der fiskalischen Basis zur Finanzierung des versagenden Staates. Und weil die Ertrags- und Verbrauchssteuerbelastung nicht ins Unermeßliche gesteigert werden kann, geht es an die Substanz, und die besteht in Deutschland zu über 85 % aus Immobilien. Die im Ergebnis auch rückwirkende Besteuerung nomineller Immobilienpreissteigerungen in Verbindung mit erhöhten Erbschaftsteuern lassen ganze Generationen von Immobilieneigentümern in die Falle laufen. Viele werden zur Begleichung der Erbschaftsteuer einen Teil ihrer Immobilien verkaufen müssen, um dann noch die Preissteigerungssteuer entrichten zu dürfen.
Es bleibt Hoffnung: Während der Koalitionsvertrag noch Ergebnis alter bundesrepublikanischer Konsensmentalität ist, repräsentieren Frau Merkel und Herr Platzeck jenes protestantische Bürgertum, welches sogar die DDR überlebt hat. Pfarrerstochter und Arztsohn haben beide vielleicht gerade wegen ihres politischen Naturells in der DDR eine naturwissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen und führen heute die beiden Volksparteien unseres Landes. Wir Bürgerlichen müssen hoffen, daß Frau Merkel und Herr Platzeck gemeinsam jenseits des Koalitionsvertrages die Wende in der deutschen Politik schaffen. Nein, wir müssen nicht nur hoffen, wir müssen sie parteiübergreifend dabei unterstützen. Es geht um Deutschland.
Ursachen und leider auch Folgen des Versagens des bürgerlichen Lagers sind fundamentalerer Natur und gehen über die beschriebenen Eitelkeiten der politischen Hintertreppe weit hinaus. Der Kern der Problematik liegt in der Interpretation dessen, was der Staat für die Gesellschaft leisten kann und soll. Die insbesondere Frau Merkel zugeschriebene und von ihren politisch linken Widersachern in negativer Konnotation als neoliberal apostrophierte Position besteht in der Rückführung des Staates als Institution zur Befriedigung individueller und gesellschaftlicher Bedürfnisse. Deregulierung, Ausdünnung sozialer Netze etc. sind Ergebnis einer politischen Ausrichtung aus den Erfahrungen des Staatsversagens der alten Bundesrepublik, aber mehr noch aus denen der untergegangenen DDR. Die Kirchhofsche finanzpolitische Vorstellung eines Staates, der über Steuerpolitik nicht mehr die Wirtschaft steuern soll, weil dieser sowieso gegenüber lobbyistischen Interessen unterliegt, sind Ausdruck einer Kapitulation gegenüber dem Staatsversagen.
Gerade hier liegt der politische Denkfehler: Die Antwort auf Staatsversagen heißt nicht Rückführung des Staates, sondern Überwindung seines Versagens. Das impliziert nicht, daß nicht in einzelnen Bereichen oder auch insgesamt eine Rückführung des staatlichen Einflusses und damit der Staatsquote gut und notwendig sind, und es bedeutet auch nicht, daß es nur noch gute oder schlechte und keine sozialdemokratische oder liberale Wirtschaftspolitik mehr gibt.
Der Wähler hat sich in seiner kollektiven Intelligenz gegen die Reduktion des Staatlichen als Antwort auf dessen Versagen gewandt. Doch was erhält er? Laut Koalitionsvertrag bekommt er eine Ausweitung der fiskalischen Basis zur Finanzierung des versagenden Staates. Und weil die Ertrags- und Verbrauchssteuerbelastung nicht ins Unermeßliche gesteigert werden kann, geht es an die Substanz, und die besteht in Deutschland zu über 85 % aus Immobilien. Die im Ergebnis auch rückwirkende Besteuerung nomineller Immobilienpreissteigerungen in Verbindung mit erhöhten Erbschaftsteuern lassen ganze Generationen von Immobilieneigentümern in die Falle laufen. Viele werden zur Begleichung der Erbschaftsteuer einen Teil ihrer Immobilien verkaufen müssen, um dann noch die Preissteigerungssteuer entrichten zu dürfen.
Es bleibt Hoffnung: Während der Koalitionsvertrag noch Ergebnis alter bundesrepublikanischer Konsensmentalität ist, repräsentieren Frau Merkel und Herr Platzeck jenes protestantische Bürgertum, welches sogar die DDR überlebt hat. Pfarrerstochter und Arztsohn haben beide vielleicht gerade wegen ihres politischen Naturells in der DDR eine naturwissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen und führen heute die beiden Volksparteien unseres Landes. Wir Bürgerlichen müssen hoffen, daß Frau Merkel und Herr Platzeck gemeinsam jenseits des Koalitionsvertrages die Wende in der deutschen Politik schaffen. Nein, wir müssen nicht nur hoffen, wir müssen sie parteiübergreifend dabei unterstützen. Es geht um Deutschland.
Autor: Ramon Sotelo - Juniorprofessor für Immobilienökonomie an der Bauhaus-Universität Weimar






