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Strafrecht als Mittel zur Vorbeugung
Mieter vor dem Strafrichter
07.12.2005 (GE 22/05, Seite 1407) Immer häufiger haben es Vermieter mit sogenannten „Einmietbetrügern„ (Mietnomaden) zu tun. Sie verursachen Schäden, die existenzbedrohend sein können. Konkret beugt man vor Abschluß des Mietvertrages vor, indem man den Mieter besser „durchleuchtet„. Ist das Kind in den Brunnen gefallen, sollte man ruhig zur Strafanzeige greifen.
1. Einleitung
Die Problematik von Mietnomaden wurde zuletzt in breiter Öffentlichkeit vorgestellt und schildert die leidigen Probleme von gequälten Vermietern mit einer besonderen Spezies von Mietern. Die durch Mietnomaden verursachten Schäden sind derartig groß, daß die wirtschaftliche Rentabilität eines Mietobjektes gefährdet ist und gelegentlich sogar eine finanzielle Schieflage des Vermieters bei belastenden Krediten droht.

2. Die Entscheidung des AG Tiergarten
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten (Urteil vom 26.6.2005, Az. 360 Ds 326/05, GE 2005, 1257) wurde eine Mieterin zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung wegen Mieteingehungsbetruges verurteilt. Die Vermieter haben sich bisher darauf beschränkt, mit Hilfe der Zivilgerichtsbarkeit sich über kurz oder lang eines zahlungssäumigen Mieters zu entledigen. Gleichwohl wird anscheinend verkannt, daß das Verhalten der Mieter nicht nur vertragliche Konsequenzen haben kann, sondern auch strafrechtliche. In dem Fall des AG Tiergarten hat sich die Mieterin in bewußter Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit und wahrheitswidriger Angaben sowie unter Vorlage einer fingierten Mietschuldenfreiheitsbescheinigung einen Mietvertrag erschlichen, nachdem sie davor bereits aus dem Mietobjekt mit Schulden in Höhe von 10.000 € zwangsgeräumt wurde. Dem anzeigeerstattenden Nachfolgevermieter hinterließ sie einen weiteren Schaden von über 9.000 €. Das Urteil zeigt deutlich, daß es sich bei einem sog. Mieteingehungsbetrug nicht um ein Kavaliersdelikt handelt, sondern daß es auch durch Vermieterseite geradezu geboten ist, gegen derartige Personen vorzugehen. Das Urteil ist bei rechtlicher Betrachtung für einen Juristen nicht sonderlich erstaunlich, gleichwohl zeigt die Praxis, daß von einer Strafanzeige gegenüber derartigen Mietern viel zuwenig Gebrauch gemacht wird. Vermieter oder Verwalter möchten sich oftmals nicht als Geschädigter zu erkennen geben, da in diesem Zusammenhang teilweise die eigenen Unzulänglichkeiten offenbart werden.
Aufgrund der Arbeitsüberlastung der Staatsanwaltschaft Berlin wurde bisher ein derartiges Mieterverhalten gelegentlich als „Kavaliersdelikt„ bewertet bzw. z. T. die strafrechtliche Relevanz in Abrede gestellt. Gleichwohl zeigt auch eine zurückliegende Entscheidung des OLG Hamm (Beschluß vom 3.6.2002, Az. 2 Ss 301/02 in www.olg-hamm.de), daß sich zwischenzeitlich auch Obergerichte mit dem Thema beschäftigen mußten. Das OLG Hamm hat festgehalten, daß ein Mieter durch den Abschluß des Mietvertrages konkludent zum Ausdruck bringt, daß er zahlungsfähig und -willig ist. Jedenfalls in Schuldverhältnissen wie dem Mietverhältnis, das in der Regel auf längere Zeit angelegt ist, erklärt der Mieter schlüssig, bei zukünftigen Fälligkeiten zahlen zu können.
Vor wirtschaftlichen Veränderungen und sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Konsequenzen ist angesichts derzeitiger konjunktureller Umstände niemand geschützt. Auch wird man einem Mieter keine Vorhaltungen machen können, sofern dieser im Laufe eines Mietverhältnisses nicht mehr in der Lage ist, die Miete wegen Überschuldung oder Verlust des Arbeitsplatzes aufzubringen. Liegen gleichwohl auch später gewonnene Erkenntnisse vor, wonach bereits bei Beginn des Mietverhältnisses abzusehen war, daß der Mieter zukünftig die Miete nicht wird zahlen können, dürfte bei gleichzeitigem Abschluß eines Mietvertrages zumindest der begründete Verdacht einer betrügerischen Handlung vorliegen. Die betrügerische Handlung liegt nicht erst dann vor, wenn der Mieter beginnend mit dem Einzug seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Auch beim „Anfüttern und Beruhigen„ des Vermieters durch erste Zahlungen liegt bei zeitnaher Einstellung der Zahlung nach Einzug ein Betrugsverdacht vor.

3. Vorbeugen bei Vertragsabschluß
Um nicht in die Verlegenheit zu kommen, einem Mietnomaden ausgesetzt zu sein, sollten Vermieter vor Abschluß eines Mietvertrages größere und sorgfältigere Aufmerksamkeit an die Auswahl eines Mietinteressenten stellen. Angesichts der derzeitigen Marklage und einem Überangebot von Wohnraum muß der Vermieter zwischen dauerhaftem Leerstand bzw. dem Erhalt eines eventuell wackligen Mieters abwägen. Die Praxis zeigt, daß Vermieter immer wieder blindlings unter Außerachtlassung von Warnhinweisen oder mangels eingeholter Informationen selbst verantwortlich für etwaige Fehler sind, die zum Abschluß eines Vertrages mit einem Mietnomaden führen. Getrieben von Leerständen sowie fehlender Rendite des Objektes wird der erstbeste Bewerber genommen oder eine Wohnung an denjenigen Bewerber vergeben, der eine auch nur geringfügig höhere Miete in Aussicht stellt. Im Rahmen der Mietanbahnung sowie der hierzu zu führenden Gespräche sollten dem Mieter gewisse Fragen gestellt und von diesem in einer entsprechende schriftlichen Auskunft bzw. Bewerbung vollständig beantwortet werden. Die Zulässigkeit von Fragen bei Abschluß von Mietverträgen richtet sich dabei nicht nach den mietrechtlichen Wohnraumvorschriften, da diese lediglich den Bestand des Mietverhältnisses schützen, jedoch nicht die Abschlußfreiheit des Vermieters (LG Köln WuM 1984, 297). Lediglich die allgemeinen Persönlichkeitsrechte eines Mieters als Schutz vor Eingriffen in die Intim- und Privatsphäre (Art. 2 GG) sowie das Diskriminierungsverbot (Art. 3 GG) begrenzen das Fragerecht. In dieser Gemengelage zwischen dem Recht auf informelle Selbstbestimmung des Mieters und den Belangen des Vermieters wurden durch die Rechtsprechung in Einzelbereichen Fragen als zulässig bzw. nicht zulässig erachtet. So seien die Fragen nach dem Familienstand (LG Landau WuM 1986, 133), dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (LG Köln, a. a. O.) und dem Arbeitgeber (Bub/Treier, 3. Aufl. Ziff. II Rn. 669), die letzte Anschrift des Vermieters (Bub/Treier, a. a. O.) zulässig. Die Fragen nach Einkommens- und Vermögensverhältnissen werden höchst unterschiedlich bewertet (zulässig: AG Bonn WuM 1972, 597; Schmidt-Futterer/Blank, Rn. B 88a; unzulässig: LG Ravensburg WuM 1984, 297). Unzulässig sind hingegen Fragen, die das persönliche Umfeld des Mietinteressenten betreffen, etwa Fragen nach Schwangerschaft oder Kinderwunsch, nach Vorstrafen oder nach laufenden Ermittlungsverfahren, nach einer Mitgliedschaft im Mieterverein oder einer Partei sowie Fragen bezüglich der Nationalität oder Religion. Fragen, die hierzu an den Mieter gestellt werden, könnte der Mieter sogar wahrheitswidrig ohne Folgen beantworten.
Die Praxis zeigt, daß im anfänglichen Bewerbungsgespräch der Mieter gleichwohl durchaus geneigt ist, einen Fragebogen auszufüllen. Hiervon sollte unbedingt Gebraucht gemacht werden. Der Fragebogen sollte neben den persönlichen Daten des Mietinteressenten auch Fragen nach der bisherigen Anschrift, dem Vorvermieter bzw. Vorverwalter sowie dem Arbeitgeber enthalten. Auch die vollständige Dokumentation aller einziehenden Mitbewohner ist unerläßlich, da im Falle der eigentlich nicht gewünschten Kündigung und notwendigen Räumung diese gegen alle Mitbesitzer der Wohnung durchzuführen ist. In einem etwaigen Räumungstitel wären sämtliche Mitbesitzer (auch Ehegatten) namentlich zu bezeichnen (vgl. BGH GE 2004, 1094; KG GE 1993, 371; LG Düsseldorf NZM 1998, 880; weitere Nachweise bei Zöller/Stöber, § 585 ZPO, Rn. 6, 8).
Der Vermieter sollte sich jedoch auf diese Mieterangaben nicht beschränken, sondern sollte neben diesem Bewerbungsbogen vom Mieter weitere Unterlagen abfordern und diese gesamten Informationen sodann selbständig überprüfen. Als höchst praktikabel (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) hat sich die Vorlage folgender Unterlagen erwiesen:
- Vorlage einer Mietschuldenfreiheitserklärung des Vorvermieters bzw. Verwalters (im Original)
- Vorlage der letzten drei Gehaltsabrechnungen (im Original)
- Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitgebers, wonach der Mietinteressent in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht (im Original)
- Vorlage einer Schufa-Selbstauskunft des Mieters (im Original).
Die Vorlage von Originalschreiben ist unabdingbar. Die Praxis zeigt, daß dank neuester Computer- und Druckertechnik die Mieter oftmals Bescheinigungen des Vorvermieters bzw. Arbeitgebers in brillanter graphischer Gestaltung und drucktechnischer Qualität selbst fertigten und vorlegten. Zwar wäre ein derartig gefälschtes Schreiben gleichfalls ein "Original", gleichwohl wird durch Abverlangen eines Originals bei weniger talentierten Fälschern ein erstes Abschreckungspotential aufgebaut.
Im Anschluß daran sollten die im Bewerbungsschreiben bzw. den Unterlagen enthaltenen Daten vom Vermieter überprüft werden, ohne jedoch die darin enthaltenen Daten wieder ungeprüft und unreflektiert zu verwenden. Bei Recherchen in einschlägigen Telefonauskünften bzw. im Internet sollte zunächst überprüft werden, ob die dortigen Vermieter, Verwaltungen oder Arbeitgeber überhaupt existent sind und der Mieter hier beschäftigt ist. Die bloße Annahme der Richtigkeit etwaiger in Schreiben mitgeteilter Anschriften oder Telefonnummern kann nicht unterstellt werden. Obwohl dies bereits von schizophrenen Zügen geprägt ist, hat die Praxis bereits mehrfach ergeben, daß Mieter fingierte Vermieter, Verwalter bzw. Arbeitgeber benennen und Anschriften und Telefonnummern angeben, hinter denen sich Freunde oder Bekannte des Mieters verbergen, die dann auf entsprechende Nachfrage falsche Auskünfte geben.
Die Praxis zeigt, daß die Schufa-Selbstauskunft für einschlägige Mietinteressenten die größte Abschreckungshürde ist, wobei aber auch hier darauf zu achten ist, daß es sich um das Originalschreiben handelt. Insgesamt sollte bei allen abzufordernden Dokumenten darauf geachtet werden, daß diese vollständig sind und nicht etwa einzelne Seiten fehlen. Selbst bei der Schufa-Selbstauskunft ist darauf zu achten, daß sie vollständig bis zur Schlußseite vorgelegt wird. Auch hier sind bereits entsprechende Manipulationsversuche bekannt geworden.
Sollten bei Vorlage der Unterlagen Widersprüche bzw. Lücken vorhanden sein, sollte der Vermieter ergänzende Auskünfte beim Mietinteressenten einholen und sodann abwägen, ob er die sich daraus ergebenden Unwägbarkeiten in Kauf nimmt oder ob er ggf. mit diesem Mietinteressenten keinen Vertrag abschließt. Schäden, wie im Beispielsfall des AG Tiergarten in Höhe von ca. 10.000,00 € sind nicht selten, sondern eher die Regel. Diese setzen sich aus Zahlungsrückständen (von der Kündigung bis zur tatsächlichen Räumung), etwaigen Anwalts- und Prozeßkosten und Räumungskosten zusammen. Allein die Räumungskosten stellen am Ende einer Räumungsvollstreckung nochmals einen nicht unerheblichen Kostenbeitrag dar, zumal zum derzeitigen Zeitpunkt noch keinerlei einheitlich gefestigte Rechtsprechung vorliegt, wonach der Vermieter berechtigt sei, die sog. verkürzte Räumung durch Ausübung des Vermieterpfandrechtes auf den gesamten Mieterbesitz durchzuführen oder ob weiterhin eine Räumung nur durch ein vom Gerichtsvollzieher beauftrages Speditionsunternehmen durchgeführt werden darf (zum derzeitigen Sachstand wird auf Beuermann in GE 2005, 904 m. w. N. verwiesen). Sofern der Vermieter sodann wieder in den Besitz der Räumlichkeiten mit mehr oder weniger Kostenaufwand gekommen ist, kommen als "Sahnehäubchen" dann noch einmal die Kosten der Schönheitsreparatur bzw. der Instandsetzung der Wohnung auf den Vermieter zu. Nach hiesiger örtlicher Verfahrenspraxis und -dauer dürfte mithin selbst bei einer Wohnung mit ca. 600 € monatlicher Miete der o. g. Schadensbetrag im Fall des AG Tiergarten spielend erreicht werden.

4. Ergebnis
Vermieter sollten daher trotz wirtschaftlicher Zwänge bei der Vermietung äußerste Sorgfalt darauf verwenden, an wen sie die Wohnung vermieten. Bei Unstimmigkeiten im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mieters sollte ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob eine Vermietung zurückzustellen ist. Trotz der derzeitigen Marktlage bzw. persönlicher wirtschaftlicher Engpässe im Betrieb eines Objektes ist ein Leerstand von weiteren ein bis zwei Monaten allemal günstiger als der ansonsten drohende Schaden bei einer falschen Entscheidung in der Wahl des Vertragspartners.

Autor: RA Oliver Weyer