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Zur Zukunft der Wohnungswirtschaft
Zukunftssymposium "über Morgen"
21.11.2005 (GE 21/05, Seite 1284) "Guten Morgen, Christian. Hast Du gut geschlafen?" Die Jalousien fahren hoch, so daß die Sonne Christians Gesicht kitzelt. "Es gibt optimale Wetterbedingungen zum Schwimmen. Bis 18 Uhr hättest Du Zeit." Die aufmerksame Stimme gehört Christians digitalem Assistenten, einem dreidimensionalen virtuellen Menschen. "Koch mir erst mal einen Kaffee," antwortet Christian, "dann sehen wir weiter."
Eine Szene wie aus einem Science-Fiction-Film. Zugegeben, ein bißchen abenteuerlich hört es sich schon an, dennoch handelt es sich hierbei nicht um das Hirngespinst irgendeines verrückten Professors. Vielmehr sind es die Vorstellungen ernstzunehmender Wissenschaftler und Unternehmer. Unternehmer wie Dietmar Schickel zum Beispiel. Der Vorstandsvorsitzende des Kabelbetreibers Tele Columbus AG & Co. KG lud Anfang September in den Schweizerhof Berlin, um mit acht weiteren "Visionären" über das Leben und Wohnen in der Zukunft zu referieren. Über Themen wie das Altern der Gesellschaft, die Veränderungen im Städtebau und im Wohnungsumfeld, über die Digitalisierung des Alltags und über die Mediennutzung im Jahre 2020 – oder kurz: "über Morgen".

"In Gesprächen über die Zukunft sollte deutlich werden, wie grundlegend technische Entwicklungen auf unseren Alltag wirken." Moderator Alfred Eichhorn (Journalist und Moderator beim Inforadio des RBB) nahm das gewünschte Fazit der Veranstaltung bereits in seinem Grußwort vorweg. Dem Publikum wurde beim ersten Vortrag des Direktors des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung (www.berlin-institut.org), Dr. Reiner Klingholz, jedoch erst einmal die harte Realität der Gegenwart vor Augen geführt: Immer weniger Kinder und mehr alte Menschen führen zwangsläufig dazu, daß einer immer kleiner werdenden Gruppe an Werktätigen immer mehr Versorgungsbedürftige gegenüberstehen. Ohne Zuwanderung sei der Trend der fortschreitenden Alterung der Gesellschaft nicht zu stoppen. Längst habe ein regelrechter Wettbewerb der Bundesländer um Menschen begonnen – solange sie jung und gut ausgebildet sind. Was diese Entwicklung für die Zukunft bedeutet, hat uns der Osten der Republik, sozusagen unter dem Brennglas, in den letzten 15 Jahren demonstriert: Junge und qualifizierte Menschen wandern aus ohnehin schon strukturschwachen Regionen ab, und die betroffenen Gebiete geraten in einen Teufelskreis aus Unternehmenswegzug, Arbeitslosigkeit, Leerstand von Wohnraum, fehlenden Steuereinnahmen und letztendlich sozialem Verfall. Längst hat diese Entwicklung auch die alten Bundesländer erreicht. Ob nun das Saarland oder das Ruhrgebiet, Nordhessen oder Nordbayern, sie alle erfaßt ein schleichender, aber kaum aufzuhaltender Schrumpfungsprozeß.

Auswege aus diesen Problemen versuchten die Psychologin Oggi Enderlein, der Architekt Siegfried Reibetanz und der Städtebauer Dr. Hans-Peter Gatzweiler in ihren Vorträgen zum Thema „Städte morgen„ aufzuzeigen. Alle drei kämpfen in ihrer täglichen Arbeit mit den Auswirkungen des oben beschriebenen soziodemographischen Wandels – und mit einer gehörigen Portion Idealismus. Denn Erfolge, wie z. B. der Umbau des Marktplatzes des schrumpfenden Städtchens Forst in der Lausitz (www.stadt-forst.de und www.gruppeplanwerk.de), bleiben ein Tropfen auf den heißen Stein. Quartiersmanagement und Stadtumbauprogramme tragen einen Makel: Angesichts leerer Kassen bei Bund, Ländern und Kommunen ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch das letzte Förderprogramm den Sparzwängen zum Opfer fällt. Jüngstes Beispiel: Das Land Niedersachsen hat seine Städtebauförderung gestrichen. Die Last der verfehlten Politik der letzten Jahre trägt die Wohnungswirtschaft nun allein.

Wirkliche Visionen konnten diese Beiträge nicht aufzeigen. Vielmehr verdeutlichten sie das, was der Praktiker tagtäglich beobachten kann: Der gesellschaftliche Veränderungsprozeß führt zu neuen Formen des Wohnens und Zusammenlebens und macht die herkömmlichen Vorstellungen und Bedingungen obsolet. Der vorherrschende Immobilienbestand mit klassischem Wohnungszuschnitt für Vater, Mutter, Kind und die Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich, die Bedürfnis-inkompatibilität der Generationen oder die Integration von Zuwanderern sind nur einige der vielfältigen Herausforderungen, denen die Wohnungswirtschaft gegenübersteht.
Zusätzliche Leistungen zur Bewältigung sind nötig. Was dabei aber stets mitschwingt, ist die Kritik an den Wohnungsunternehmen, die diese Leistungen oftmals nicht aufbringen können oder wollen. Wie diese aber angesichts des wirtschaftlichen Erfolgsdrucks, quasi "nebenbei", den Spagat zum Ausgleich sozialer Interessen schaffen sollen, blieb (erwartungsgemäß) offen. So zeichnete der erste Teil der Veranstaltung ein zwar bekanntes, jedoch erschreckendes Bild der aktuellen Lage.

Gut, daß es da noch die Medien gibt. Jene bekanntermaßen visionäre und optimistische Branche, die uns zur Zeit mit der Mut-Mach-Kampagne unter der Schirmherrschaft der Bertelsmanngruppe "Du bist Deutschland" (www.du-bist-deutschland.de) aufzurütteln versucht. Ex-Bertelsmann-Manager Thomas M. Stein, bekannt als Jurymitglied neben Dieter Bohlen in "Deutschland sucht den Superstar", versuchte zum Thema "Visionen 2020" ganz in diesem Sinne den Brückenschlag zwischen nüchterner Gegenwart und euphorischer Zukunft. Seine Vorschläge: einfach mal Begriffe wie "Kosten" und "Relevanz" außer acht lassen und sich nur den Visionen hingeben. Einfach mal aufhören zu nörgeln und die Ärmel hochkrempeln. Daß das Internet ein allgegenwärtiger Kommunikationskanal der Zukunft sein wird, das Handy noch mehr zum ständigen und irgendwann auch multimedialen Begleiter avanciert und in der Zukunft überhaupt alles vernetzt und digital ist, ist nicht wirklich visionär. Viel mehr als gute Laune und Motivationsparolen hatte der Musik- und Medienmanager leider nicht parat.

Einer, der Steins Parolen schon lange verinnerlicht und die Ärmel hochgekrempelt hat, ist Burkhard Sibbe, Vorstandsvorsitzender der Hattinger Wohnstätten eG (www.hwg.de). Der Referent zum Thema "Wohnen morgen" wird mit Hilfe des Fraunhofer Instituts, des Zentrums für Telematik, 10 Millionen Euro und jeder Menge Visionen bis 2007 185 Wohnungen mit intelligenter Haustechnik ausrüsten. "Smart Living" heißt das auf Neudeutsch und basiert auf einer vollständig Internet-basierten Vernetzung von Haushaltsgeräten.
Dabei geht es weniger um intelligente Kühlschränke, die selbständig neue Milch bestellen, wenn die alte sauer wird, als um die Nutzung bereits vorhandener Ressourcen. Service, Geräte und Teilnetzwerke, die in Häusern und Wohnungen bisher autark nebeneinander arbeiten, sollen zukünftig integriert angeboten werden.
Ob Alarmanlage, Gartenbewässerung oder Heizungssteuerung, alle Geräte sprechen die gleiche Sprache und werden durch zusätzliche Dienstleistungen unterstützt. Die Heizungsanlage sendet die Zählerstände selbständig an die Abrechnungsstelle, und der Rohrbruch wird sofort und automatisch diagnostiziert, das Rohr abgeriegelt und der Reparaturservice verständigt. Verläßt der Mieter die Wohnung, überprüft sich der Herd selbst und schaltet sich gegebenenfalls aus. Und hat der Mieter in seiner Wohnung einen Unfall, versenden seine Hauskamera und die Multifunktionsuhr nicht nur einen Notruf, sondern auch Daten zur Krankengeschichte und eine erste Diagnose.
Die Integrativität der Komponenten macht "Smart Living" laut Sibbe auch finanzierbar. Die Vereinheitlichung der Standards senkt die Kosten, und die Mieter seien durchaus bereit, für den angebotenen Mehrwert auch mehr zu zahlen. Durch das breite Angebot an externen Dienstleistungen würden weitere Einnahmen erzielt, die die hohen Investitionskosten amortisieren.

Daß die gesamte hausinterne und -externe Vernetzung eines breitbandigen Anschlusses bedarf, versteht sich von selbst. Da verwundert es nicht, daß den Abschluß des Tages das Thema "Medien morgen" bildete, denn das Fernsehen der Zukunft basiert – wen wunderts – auf Kabel. Darin sind sich zumindest Prof. Dr. Thomas Schildhauer, Direktor des Berliner Institute of Electronic Business (www.ieb.net) und Dozent an der Universität St. Gallen sowie natürlich Dietmar Schickel (Tele Columbus) einig. Gemeinsam haben sie die Studie "TeleVutur - Leben mit Internet und Fernsehen der Zukunft" erstellt. Sie beschreibt verschiedene Szenarien von möglichen und wahrscheinlichen "Zukünften".
Am Beispiel einer Familie im Jahre 2020 werden diese Szenarien vorgestellt. Da ruft der besorgte Sohn am frühen Morgen bei den Eltern an, weil der "Vitalmonitor" der älteren Herrschaften keinerlei Aktivität gemeldet hatte. Der intelligente Rollstuhl mit Navigationssystem fährt Opa nicht nur zur Apotheke, sondern erlaubt es Oma auch stets zu wissen, wo sich Opa gerade herumtreibt. Der Enkel läßt von seinem digitalen Assistenten ein Candle Light Dinner für seine Freundin ausrichten, bei dem der Computer nicht nur die Musik auswählt, sondern auch Rezeptvorschläge macht, den Herd steuert und die nötige Atmosphäre durch ein – natürlich digitales – Kaminfeuer schafft. Dabei bildet das "Neue Kabel" die technische Infrastruktur für die beschriebenen Dienstleitungen und Unterhaltungsformate der Zukunft. Es vereint Internet, Telefonie, Fernsehen, Haustechnik und Unterhaltung in einem.

Daß das Zukunftssymposium "über Morgen" der Tele Columbus AG & Co. KG letztendlich mehr war, als eine weitere Marketingaktion eines Kabelbetreibers, überrascht nicht. Aktionen sind bitter nötig. Manche Versäumnisse von Kabelbetreibern in den letzten Jahren und der Konkurrenzdruck hat einen hart umkämpften Markt erzeugt. Das digitale Antennenfernsehen (DVB-T) und satellitengestütztes Fernsehen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Diese bieten zwar nicht die Infrastruktur für weitere Dienstleitungen in einer "Smart Living" Welt, sind dafür aber – abgesehen von geringen Anfangsinvestitionen – kostenlos nutzbar.
Die wirklichen Alternativen A-DSL und WLAN haben sich als Standards etabliert und bauen ihre Position weiter aus. Daß Haustechnik und Services auch mit diesen beiden Standards funktionieren, zeigt z. B. das T-Com-Haus in Berlin (www.t-com-haus.de). Dort erfährt man zwar etwas weniger "Vision", dafür aber das, was heute schon möglich ist und schon bald selbstverständlich.

"Über morgen" regte zum nachdenken an und behandelte ein brennend heißes Thema. Die gesellschaftlichen Veränderungen zwingen die Wohnungswirtschaft zum Handeln. Das "vernetzte Haus" und weiterführende Dienstleistungen rund um das Wohnen sind im Grunde keine Vision mehr, sondern schon längst Realität. Wer für die Zukunft gut aufgestellt sein will, muß sich den Wünschen und Bedürfnissen seiner Kunden anpassen. Das war schon immer so – heute geht es eben nur alles etwas schneller.

Autor: Daniel Durst


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